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24.05.2012

Die Kirche als Rufer in der Wüste

Limburger Bischof stellt in Wiesbaden sein Buch vor

WIESBADEN. ?  In Zeiten der Krise und des Umbruchs gewinnt die Frage nach gültigen Werten eine neue Dringlichkeit: Die Hessische Landeszentrale für politische Bildung hat diese Situation zum Anlass genommen, am Donnerstag, 24. Mai, Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst nach Wiesbaden einzuladen, der in seinem Anfang des Jahres erschienen Buch  „Werte wahren ? Gesellschaft gestalten“ ein ganz aktuelles Plädoyer für eine Politik mit christlichem Profil vorgelegt hat. Über 130 Besucher, darunter auch zahlreiche Schüler, bestätigten durch ihr Interesse an der Veranstaltung die hoffnungsvollen Begrüßungsworte des Direktors der Landeszentrale, Dr. Bernd Heidenreich: „Werte haben wieder Konjunktur.“

Bischof Tebartz-van Elst sieht allerdings durchaus Grund zur Sorge, wie er in der Vorstellung seines Buches deutlich machte. So führe die fortschreitende Säkularisierung und Individualisierung in der Gesellschaft zu einer Relativierung der christlichen Werte und damit zu einer regelrechten Erosion der Glaubenssubstanz, sagte er. Die Kirche stehe dabei zwar auf mitunter einsamem, aber nicht verlorenem Posten, erreichten sie doch regelrechte Hilfeschreie aus der Politik. Die wiederum sei auf Wertebildung und Wertewahrung angewiesen und dränge darauf, dass die Kirche die Verantwortung des Rufers in der Wüste wahrnehme „gegen die säkulare Kurzsichtigkeit“. Insofern bekomme der Ruf nach Religion eine politische Dimension, sagte der Limburger Bischof.

Eine Politik mit christlichem Profil habe Maß zu nehmen an der Gottesebenbildlichkeit des Menschen, betonte er. So viel Wert Gott in einer Gesellschaft bekomme, so viel bekomme auch der Mensch, sagte Tebartz-van Elst. Viel Beifall erhielt er für sein Eintreten für einen  Bildungsbegriff, der nicht nur Wissensvermittlung, sondern vor allem auch die Entwicklung des Charakters und der Persönlichkeit umfasse. Politik mit christlichem Profil setze auf ganzheitliche Bildung, die mehr sei als Pisa. Eine wesentliche Rolle sprach er in diesem Zusammenhang dem konfessionellen Religionsunterricht zu.

Im anschließenden Gespräch mit Prof. Michael Kißener, Universität Mainz, setzte der Bischof ein „verantwortetes Freiheitsideal“, das auch den Mitmenschen gut tue und insofern vom Geist Gottes sei, gegen ein Freiheitsapostolat im Rahmen der Individualisierung der Gesellschaft, das Isolation und soziale Kälte zur Folge habe. Wo Gott vorkomme, gewinne die Gerechtigkeit Gestalt, auch in der Welt der Wirtschaft, betonte Tebartz-van Elst, der auch im Blick auf Europa das Bewusstsein und das Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln anmahnte. Wenn Europa nur auf den Euro reduziert werde, sei das zu wenig. Die jungen Leute im Publikum ermutigte der Bischof ausdrücklich, sich zu engagieren und sich einzumischen, so wie es auch der Kirche gut anstehe, sich nicht heraus zu halten, wenn es um den Menschen und seine Lebensbedingungen gehe.

Die große Bedeutung der Kirchen für das „menschliche Gesicht“ der Gesellschaft hatte in seiner Begrüßungsansprache auch Dr. Bernd Heidenreich unterstrichen. Mit der Einladung an den Limburger Bischof wolle die Landeszentrale der wachsenden Tendenz entgegenwirken, die Kirchen immer stärker aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und die Religion zu einer Privatangelegenheit zu erklären, sagte er. Außerdem sollte den aggressiven und gegenüber christlichen Wertüberzeugungen zunehmend intoleranten Tönen eine Kultur des Dialogs mit den Kirchen entgegengesetzt werden. (rei)

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