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18.01.2012

Plädoyer für eine Politik mit christlichem Profil

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst stellt sein neues Buch vor

FRANKFURT/LIMBURG. "Werte wahren - Gesellschaft gestalten", so heißt das neue Buch von Bischof Prof. Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst. Am Mittwoch, 18. Januar, hat er im Haus am Dom sein "Plädoyer für eine Politik mit christlichem Profil" in einem Gespräch mit Prof. Dr. Joachim Valentin vorgestellt und beantwortete die Fragen der Journalisten.

In seinem Buch stellt der Bischof von Limburg die Bandbreite gesellschaftspolitischer Themen dar, die zu einer Positionierung aus christlichem Glauben einladen und auffordern. Eine Politik mit christlichem Profil nimmt dabei Maß an der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Die besondere Würde, die dem Menschen als Geschöpf und Ebenbild Gottes zukommt, muss politisches Handeln ebenso motivieren als auch auf Grenzen menschlicher Regulierbarkeit verweisen. "So viel Wert Gott in dieser Welt bekommt, so viel Wert hat der Mensch" stellt Tebartz-van Elst fest und diagnostiziert die zentrale Erfahrung der Gegenwart: "Die größte Entwurzelung unserer Tage ist die Trennung des Menschen von Gott".

Der Bischof von Limburg beobachtet eine Besorgnis erregende Kurzsichtigkeit in aktuellen gesellschaftlichen Debatten hinsichtlich der Wurzeln und Fundamente unserer Werte: das gelte sowohl für die im Grundgesetz unverbrüchlich garantierte Menschenwürde, als auch für die Freiheitswerte oder das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Der Autor beobachtet eine beklemmende Sprachlosigkeit und eine Tabuisierung der christlichen Prägung unseres Gemeinwesens und stellt dem die Botschaft des Evangeliums entgegen. Weil Politik "die Architektur unserer Gesellschaft" ist, braucht sie ein festes Fundament und verbindliche Kriterien: "Hier entscheidet sich, welche Fundamente und Stufen gebaut werden, welche Säulen und Gerüste es braucht, damit das gemeinsame Haus Bestand hat". Gerade in der Weltstadt Frankfurt, in der sich wie in kaum einer anderen deutschen Stadt Kulturen, Religionen, Lebensstile und Lebensgeschichten begegnen, wird einsichtig, dass es Werte geben muss, die diesen notwendigen Dialog gelingen lassen. Unter dem Oberbegriff "Kontexte" entfaltet der Bischof das notwendige christliche Zeugnis.

Tebartz-van Elst bringt das christliche Bekenntnis zu Ehe und Familie neu in Blick, die als "Keimzelle der Gesellschaft" die nachkommenden Generationen auf einzigartige Weise lehrt und individuell erfahren lässt, was später gesellschaftliche Solidarität fördert: "Entschiedenheit für den Partner und für Kinder, Unkündbarkeit, Verlässlichkeit, Solidarität und Rücksichtnahme". Gegenüber der Welt des Konsums erschließe die Familie tiefere Schichten der Persönlichkeit. Der Staat müsse die Familie als verbürgte Zukunft erkennen und sie im Sinne der Subsidiarität unterstützen. Angesichts wachsender Verzweckung der Bildung im Sinne der Verkürzung zur Ausbildungszeit plädiert Tebartz-van Elst für einen profilierten Religionsunterricht: "Es geht um eine Charakterbildung, die Wissen auch in der Dimension von Weisheit begreift und Werte als Synergie von Gedankenführung und Herzensbildung." Der Religionsunterricht habe "anzusprechen und auszusprechen, wofür Christen stehen". Die in den letzten Jahren deutlich zunehmende Diskussion über den Platz der Religion in der Öffentlichkeit nimmt der Bischof ebenso in den Blick wie das Verhältnis von Staat und Kirche. Er geht dabei auf die immer wieder erhobene Forderung nach Laizität ein, die die Chancen des Prinzips der Neutralität verkennt. Ein besonderes Anliegen im Wirken des Bischofs von Limburg ist die bessere Auskunftsfähigkeit der Christen im Glauben. Die Kirche müsse die Gläubigen unterstützen, sprachlich neue Zugänge zu ihrem Glauben und zu dessen Überlieferung zu finden.

Unter den Stichworten "Konsensualität, Katholizität und Komplementarität" entfaltet er das neu zu findende Selbstverständnis katholischer Bildungsarbeit. Die Frage nach den Werten einer Gesellschaft entscheidet sich im Umgang mit den Schwächsten. "Anwaltschaft für das Leben ist zu jeder Zeit die Aufgabe der Kirche". Dies wird umso dringlicher, als das schutzbedürftige Leben angesichts biomedizinischer Möglichkeiten und "sprachlichen und situationsgeleiteten Differenzierungen" radikalen Eingriffen ausgesetzt ist. "Weil Gott ein Freund des Lebens ist (...) und er in seinem Sohn Jesus Christus seinen unbedingten Lebenswillen für den Menschen zum Ausdruck gebracht hat, gibt es keinen Zweifel über das, was die Kirche im Namen Gottes zu vertreten hat", so Tebartz-van Elst.

Den Abschluss des Buches bilden Themen, die Bischof Tebartz-van Elst vor Vertretern aus Wirtschaft, Politik und allen gesellschaftlichen Verantwortungsbereichen entfaltet hat. Sie nehmen die Krisensymptome der Finanzkrisen der letzten Jahre in den Blick und stellen der entfremdeten globalen Wirtschaft die Prinzipien der katholischen Soziallehre entgegen, deren grundsätzliche Ausrichtung an der persönlichen Verantwortung und der sozialen Marktwirtschaft die eigentlichen Wegmarken einer Wirtschaft um des Menschen willen begründen und nichts an ihrer Aktualität verloren haben. Die deutliche Zunahme medial vermittelter Kommunikation und die Entwicklung der Kommunikationsformen steht im Fokus des Beitrages "Medien und Moral". Tebartz-van Elst fragt nach der angefragten Entscheidungskompetenz sowohl des Mediennutzers als auch der Medienschaffenden, die unter den Bedingungen von Konkurrenz und zunehmender Geschwindigkeit die Maßstäbe von Qualität neu ausloten müssen.

An die Wurzeln Europas und die weitsichtige Motivation seiner Gründerväter erinnert der Theologe unter der Überschrift "Christliche Wurzeln als Wachstum Europas". Deutlich verweist er auf die Gefahr der Sinnentleerung Europas, wenn es vergisst, dass es um des Friedens und der Versöhnung willen zusammen gewachsen ist und wirtschaftliche Kooperation nicht das letzte Kalkül war. "Europa muss sich seiner Wurzeln vergewissern, sich diese ureigenen Kraftquellen neu erschließen. Es muss sich wieder bewusst werden, um welcher großen Ziele willen sich die Überwindung von Hindernissen, das Bekenntnis zu gemeinsam gesetzten Ordnungen und die Bewältigung von Durststrecken und schlechten Prognosen lohnt", so Tebartz-van Elst. Die aktuelle Krise zeige, "dass wirtschaftlicher Erfolg allein keinen sozialen Zusammenhalt stiftet", denn der Wirtschaft gehe immer der Sinn voraus.

Tebartz-van Elst lädt ein, biblische Grundlagen in den Blick zu nehmen und die christliche Prägung Europas anzuerkennen und ihrer Zukunftsfähigkeit zu vertrauen. Die Christen fordert der Bischof auf, sich zu ihrem Glauben zu bekennen, sich wieder neu für die Antworten des Glaubens zu interessieren. (pa)

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