25.07.2013
"Mitten drin statt nur dabei"
RHEINGAU-TAUNUS - "Wir müssen am Ball bleiben, damit wir wahrgenommen werden", erklärt Dieter Kirschhoch motiviert. Seit 1987 ist er Vorsitzender der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, Kreisvereinigung Untertaunus und Vorsitzender der Lebenshilfe Rheingau-Taunus. Die Lebenshilfe im Untertaunuskreis besteht seit 45 Jahren. Seit 20 Jahren gibt es ein Wohnhaus für Menschen mit geistiger Behinderung in Aarbergen-Michelbach; seit 10 Jahren Betreutes Wohnen. Seit 1. Juli 1985 ist der Verwaltungsdiplomwirt Sozialamtsleiter in Bad Schwalbach; seit 1990 auch Leiter des Jugendamtes. Zum 1. August geht der Aarbergener in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Für ihn bietet diese Zeit die Möglichkeit, innezuhalten und zurückzublicken, z.B. auf die Entwicklung der ersten therapeutischen und pädagogischen Angebote im Rheingau-Taunus-Kreis, wie Wohnhaus und Tagesstätte für Menschen mit Behinderung.
1993 konnte in Aarbergen-Michelbach die erste stationäre Wohnstätte für 42 erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung eröffnet werden. 2001 folgte eine weitere Wohnstätte mit 21 Plätzen in Oestrich-Winkel. Das Betreute Wohnen wurde im Jahr 2003 in das Leistungsspektrum der Lebenshilfe Rheingau-Taunus aufgenommen. Zeitgleich wurde im Wohnhaus Michelbach eine Tagesstätte für Senioren mit Behinderung gegründet. Die Einrichtung richtet sich an Menschen, die aufgrund ihres hohen Alters, wegen gesundheitlicher Probleme oder aus behinderungsbedingten Gründen nicht mehr an einem regulären Werkstattalltag teilnehmen können. Zu den regelmäßigen Angeboten gehören gemeinsames Kochen, gemeinsames Einkaufen, Ausflüge, Spaziergänge, gemeinsames Singen und Tanzen etc.
"Ein besonderes Augenmerk", ist sich Kirschhoch sicher, "werden wir in Zukunft der pädagogischen und therapeutischen Frühförderung von Behinderung bedrohter Kinder widmen". Kirschhoch wird auch während seines Vorruhestandes Vorsitzender der Lebenshilfe bleiben. Er ist überzeugt davon, dass das gesellschaftliche Engagement für Menschen mit Behinderung nicht nachlassen wird. Zufrieden berichtet er vom Einsatz der Eltern von Kindern mit Behinderung. Ohne deren Initiative wäre das Wohnhaus nie entstanden. Immer wieder könne er beobachten, wie die Bewohner sich in ihrem Zuhause wohl fühlen. "Es wird gelacht, geweint, gefeiert, gestritten, geliebt und getrauert - wie in jeder anderen Gemeinschaft aus Menschen mit unterschiedlichsten Stärken und Schwächen", sagt Kirschhoch. Die Menschen in Aarbergen unterstützen die Mitarbeiter und Bewohner auf ihrem Weg. Metzger, Bäckerin, Arzt, Apothekerin, all´ die vielen Geschäftsleute und Nachbarn helfen mit. Integration wird so möglich. Kirschhoch habe immer wieder beobachten können, wie wichtig der Kontakt zur "gesunden Mitwelt" ist. So können die Bewohner "ihren Platz in der Gesellschaft finden, sind mittendrin und nicht nur dabei".
Der 61-Jährige freut sich auf seinen Vorruhestand. Er ist seit vielen Jahren verheiratet und will jetzt endlich mehr Zeit mit seiner Frau verbringen. Er reist und wandert gerne, aber auch im Haus und im Garten gebe es genug zu tun. Mit ehrlicher Dankbarkeit blickt er auf sein Arbeitsleben zurück. "Dennoch", sagt Kirschhoch lachend, "nun beginnt mein Tag nicht um halb sechs, sondern um halb sieben. So habe ich eine Stunde länger Zeit zum Ausschlafen." (SFi)