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16.12.2014

Abschiebungsbeobachtung weiterentwickeln!

Forum Abschiebungsbeobachtung veröffentlicht Jahresbericht

FRANKFURT - Sie haben eine lange, beschwerliche Odyssee hinter sich: Unzählige Flüchtlinge aus den verschiedensten Krisen- und Kriegsgebieten der Welt schlagen sich in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges, unversehrtes Leben in Freiheit und Sicherheit bis nach Deutschland durch. Doch nicht alle Asyl-Anträge werden positiv entschieden. Zudem ist Deutschland nach der "Dublin-III-Verordnung" nur für die Prüfung eines Asylbegehrens zuständig, wenn es das erste europäische Land ist, das von den Schutzsuchenden betreten wurde. Sonst kommt es zur Rücküberstellung, unter anderem am Frankfurter Flughafen. Um Transparenz in das Abschiebungsverfahren zu bringen, das in einem nicht öffentlichen Raum stattfindet, haben die katholische und evangelische Kirche bereits 2006 die mit Eigenmitteln finanzierte "Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt" ins Leben gerufen, Träger sind der Caritasverband für die Diözese Limburg e.V. und das Diakonische Werk für Frankfurt am Main des Evangelischen Regionalverbandes.

Zunahme der Rücküberstellungen nach Dublin-III

Anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts 2013 des Forums Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt am Main (FAFF) verdeutlichen Dr. Hejo Manderscheid, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Limburg, und Pfarrer Dr. Michael Frase, Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt am Main, dass die Abschiebungsbeobachtung dringend weiterentwickelt werden muss. "Die im Bericht geschilderten Schicksale, insbesondere aber die Erfahrungen diesen Jahres verdeutlichen bereits, dass sich das Arbeitsfeld und Aufgabenspektrum durch die veränderten Rahmenbedingungen stark gewandelt haben", erläutert Diözesancaritasdirektor Manderscheid. Die beiden Mitarbeiterinnen der Abschiebungsbeobachtung hatten seit Anfang 2014 im Vergleich zum Jahr 2013 eine deutliche Zunahme bei den "Dublin-III-Abschiebungen" festgestellt. Auch die Rücküberstellungen in einen anderen EU-Mitgliedsstaat müssen in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde erfolgen, lautet eine Forderung, die auch aktuelle Gerichtsentscheidungen bekräftigen: So muss beispielsweise bei der Überstellung nach Italien inzwischen sichergestellt sein, dass die abgeschobenen Familien mit Kleinkindern dort eine Unterkunft haben.

Vom Projektstatus zur staatlichen Anerkennung

Mit dem 2006 ins Leben gerufenen Projekt der Abschiebungsbeobachtung erfüllen die Kirchen bislang eine Aufgabe, die originär vom Staat zu leisten wäre. "Es ist an der Zeit, die Abschiebungsbeobachtung nach über acht Jahren Projektstatus als "wirksames System für die Überwachung von Rückführungen" staatlicherseits anzuerkennen, zu finanzieren und bundesweit vorzuhalten. Diese Forderung richtet sich an den Bundesgesetzgeber", betont Diakonie-Leiter Frase. Die Mitarbeiterinnen der Abschiebungsbeobachtung unterstützen die Flüchtlinge, prüfen im Falle der Abschiebung ein humanitäres Vorgehen und intervenieren, wenn Verstöße beispielsweise gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen festgestellt werden. "Anknüpfend unter anderem an den hessischen Koalitionsvertrag, suchen wir daher in 2015 das Gespräch mit allen Kooperationspartnern der Abschiebungsbeobachtung, um zu verbindlichen Grundlagen und einem abgestimmten Verständnis von Abschiebungsbeobachtung zu kommen", bekräftigen Manderscheid und Frase.

Kranke Personen im Fokus

Etwa 450 von insgesamt 2.780 Abschiebungen haben die Mitarbeiterinnen von Caritas und Diakonie am Frankfurter Flughafen in 2013 beobachtet - dabei haben sie sich aufgrund der hohen Zahl insbesondere auf kranke Personen konzentriert, die in ärztlicher Begleitung abgeschoben wurden, sowie auf Familien und Personen, bei denen bereits Abschiebungsversuche gescheitert waren. Ein massives Problem sieht Manderscheid insbesondere bei der Abschiebung von psychisch belasteten und traumatisierten Menschen, die teils mit Zwang erfolgt: "Hier muss die bisherige Praxis unbedingt überprüft werden, damit diese als schutzbedürftige Personen identifiziert werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden."

Mehr Transparenz!

Die von den Abschiebungsbeobachterinnen gemachten Erfahrungen hätten gezeigt, dass die beobachteten Probleme beim Vollzug der Abschiebung diesem bereits vorgelagert sind. Der gesamte Abschiebungsprozess sei noch nicht ausreichend transparent. Notwendig sei, dass die Abschiebungsbeobachtung - unter Beachtung des Gebotes der Vertraulichkeit - Zugang zu allen relevanten Daten und Informationen hat. Dafür sei eine gute Zusammenarbeit zwischen den handelnden Behörden, insbesondere mit den Ausländerbehörden und in Bezug auf Dublin-III mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unerlässlich. "Dies ist nicht immer gewährleistet", sagt Diakonie-Leiter Frase. Um strukturelle Veränderungen zu bewirken, sei es dringend erforderlich, dass das Hessische Innenministerium als Fachaufsicht über die Ausländerbehörden im FAFF vertreten ist, ebenso das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Dublin-Fällen.

Hintergrund

Die Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen wurde 2006 mit der Gründung des Forums Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt/Main (FAFF) auf Initiative der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und des Bistums Limburg ins Leben gerufen. Ziel des vom Caritasverband für die Diözese Limburg e.V. und dem Diakonischen Werk für Frankfurt am Main des Evangelischen Regionalverbandes gemeinsam getragenen Projektes ist, die Abschiebungspraxis zu beobachten und so Transparenz in einem nicht allgemein zugänglichen Bereich staatlichen Handelns herzustellen. Die Abschiebungsbeobachterinnen haben die Aufgabe, bei von ihnen ausgewählten Abschiebungen anwesend zu sein und den Mitgliedern des FAFF zu berichten, insbesondere mit Blick auf Verstöße gegen die Verhältnismäßigkeit eingesetzter Mittel sowie Verletzungen humanitärer Ansprüche.

Dem FAFF gehören Vertreterinnen und Vertreter folgender Institutionen und Initiativen an: Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen, Diakonie Hessen, Caritasverband für die Diözese Limburg e.V., Diakonisches Werk für Frankfurt am Main des Evangelischen Regionalverbandes, Caritasverband Frankfurt e.V., Amnesty International, PRO ASYL, Hessischer Flüchtlingsrat, Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen in Rheinland-Pfalz, sowie als ständige Gäste die Abschiebungsbeobachterinnen und die Evangelische und die Katholische Flughafenseelsorge. Bei der Besprechung problematisch erscheinender Fälle aus Hessen nehmen darüber hinaus Vertreter des Regierungspräsidiums Darmstadt als Gäste teil.

Der Jahresbericht 2013 des FAFF steht als Download (Datum: 16.12.2014) unter <link http: www.dicv-limburg.de>www.dicv-limburg.de/8773.asp zur Verfügung. (pm/hdrk)

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