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26.09.2014

Aufmerksam sein für die Not

Pastorale Mitarbeiter beschäftigen sich mit Kirche der Armen

WIESBADEN/Naurod. ? Die Vision einer „armen Kirche der Armen“ gründet im dogmatischen Selbstverständnis der Kirche und in ihrer theologischen Verfassung: Das hat Dr. Martin Kirschner von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen im Rahmen eines Studientages für pastorale Mitarbeiter des Bistums Limburg dargelegt. Die Orientierung an der Armut gehöre ins Herz der Kirche, sagte der Referent am Donnerstag, 25. September, in Wiesbaden-Naurod. Zu der gemeinsam vom Dezernat Personal und der Mitarbeitervertretung getragenen Veranstaltung hatten zuvor Prälat Helmut Wanka und Abteilungsleiter Stephan Menne rund 150 Teilnehmer begrüßen können. Wanka bezog sich dabei auf den emeritierten Bischof Franz Kamphaus, der bereits 1982 sein Bischofsamt unter den Wahlspruch Evangelizare pauperibus (Den Armen das Evangelium verkünden) gestellt hatte. Kirche sei immer dann fruchtbar gewesen, wenn sie teil hatte am Leben der Armen, unterstrich in einem Grußwort Pfarrer Wolfgang Rösch die Bedeutung des gewählten Themas.

Kirchengeschichte ist Krisengeschichte 

Die Krise, in der Kirche und Glaube derzeit erlebt würden, wertete Dr. Kirschner in seinem Vortrag als Chance. Die ganze Kirchengeschichte sei eine Krisengeschichte, angefangen beim Ursprung, der „Krise am Kreuz und unterm Kreuz“. Kirche befinde sich permanent in einem Lernfeld und gerade jetzt sei die Zeit, „auf Aufbruch zu setzen“. Mit Papst Franziskus sei eine neue Ära eingetreten. Dessen Impulse gelte es jetzt gestaltend aufzugreifen, damit sie nicht ins Leere liefen. Die Hinwendung zur Armut bezeichnete der Theologe dabei als einen Schlüssel, um in der Situation der Krise und in der eigenen Schwäche Gottes befreiende Kraft zu entdecken. Armut bedeute auf der einen Seite Mangel und Not und darin den dringenden Aufruf, helfend zu handeln. Der Begriff der Armut enthalte aber auch eine positive Wahrheit: „Wir sind bedürftige Geschöpfe und brauchen einander.“ Darüber hinaus sei Armut eine Lebensform des Glaubens, eine Haltung, die individuell und als Kirche gelebt werden könne.

Armut nicht romantisieren 

Die Vision einer „armen Kirche“ meine dabei weder eine „Moralisierung des Glaubens“ noch eine Politisierung oder gar eine „Romantisierung der Armut“, betonte der Dogmatiker, der anhand von Passagen aus Lumen Gentium die Verfasstheit der Kirche als „komplexe Wirklichkeit“ her leitete, die keine Utopie sei, sondern konkret in der Institution Kirche antreffbar. Das soziale Leitbild für die Kirche bestehe darin, als ein „messianisches Gottesvolk“ pilgernd unterwegs zu sein, in ihrer „konstitutionellen Schwäche“ zugleich ein „Zeichen der Hoffnung“.

Den Blickwechsel vollziehen

Wer definiert Armut und bestimmt somit, wer die Armen sind? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt von Kirschners zweitem Referat am Nachmittag, das auf die Praxis bezogen war. In den überwiegend bürgerlich aufgestellten Gemeinden seien soziale Not und Armut, meist mit großer Scham verbunden, oft nicht sichtbar. Den Blickwechsel zu vollziehen heiße demnach, der Not und den Bedürftigen Raum zu geben, an den ganz normalen, alltäglichen Orten aufmerksam zu sein „für die Lebensnöte, die mir dort begegnen“. Unabdingbar ist für den Theologen dabei, die eigenen „Wunden zu zeigen“. Gute Pastoral gebe es nur, wenn man die eigene Armut und Bedürftigkeit kenne und sichtbar mache.

Impulse für die eigene Praxis 

Den pastoralen Mitarbeitern Anregungen für die eigene Praxis und zum Weiterdenken geben ? diesem Anliegen des Studientages entsprechend wurde dem Gespräch der Teilnehmer untereinander viel Raum gelassen. Nach dem Angebot von Kleingruppen am Vormittag, gab es auch bei einem „Emmausgang“ Gelegenheit, im Austausch mit Kollegen „aus zu buchstabieren, wie die Option für die Armen konkret aussehen kann“, so Stephan Menne, der nach ausschließlich guten Rückmeldungen der Teilnehmer ein sehr positives Resümee ziehen konnte: „Das war eine klasse Veranstaltung mit vielen guten Impulsen.“ (rei) 

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