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21.03.2014

Erdbeerpflanzen und XXL-Kunstwerke

Überlebenskunst beim Fastenzeitprojekt der Jugendkirche Kana

WIESBADEN. ? „Über“, „Leben“ oder „Kunst“: Die 17- und 18-jährigen Oberstufenschüler vom Gymnasium am Mosbacher Berg, die an diesem Donnerstag, 20. März, mit ihrem Religionskurs das Fastenzeitprojekt der Jugendkirche Kana besuchen, sind schnell entschieden. Die Jungen gehen mehrheitlich durch den Haupteingang hoch auf die Orgelempore zum „Über“, die Mädchen streben zielsicher zum Eingang für das „Leben“. Die Kirche empfängt die jungen Besucher mit vielen ungewohnten Eindrücken ? Teelichter flackern auf dem Boden, Strahler tauchen die Wände in rotes und blaues Licht, aus der Sakramentskapelle weht meditative Musik bis zum Eingang herüber. Mit schwarzen Buchstaben auf rotem Grund sind die Worte „Die Kunst des Lebens“ ausgelegt. An der Wand steht die Frage „Wohin geht der Mensch?“ 

Leben hinterlässt Spuren

Die Schülerinnen, die zur Lebenstür eintreten, sind mit ihrem eigenen Spiegelbild konfrontiert. Der erste Blick zeigt sie ganz „heil“, auf dem weiteren Weg sind die Spiegel in Scherben aufgelöst, Symbol für die Spuren, die das Leben hinterlässt. Wer mag, kann Narben und Verletzungen im eigenen Leben auf Kärtchen benennen und in einer aus Steinen und Röhren gebauten Gedenkwand hinterlassen. Oder sich das, was einem wichtig ist, auf die Hand malen: „Oh cool, Tattoostifte“, ruft Nhanny und beginnt sofort, sich gekonnt zu verzieren. Eine Feder hat sich die 17-Jährige als Bild ausgewählt, ein „ Zeichen für Vergänglichkeit“, wie sie meint, und Vögel im Flug: „Die stehen für Freiheit“. Der Freundin ist das zu brav, sie selbst sei „Hipster“ meint sie ? und zeichnet ein auf dem Kopf stehendes Dreieck: „Könnte Dreifaltigkeit bedeuten“. 

Upcycling und Guerilla Gardening

Im Altarbereich hat die Natur im Kirchenraum Einzug gehalten. Hier warten gelbe Narzissen, rote Primeln und blaue Stiefmütterchen neben vielen anderen Blumen auf ihren Einsatz. Ungewöhnlich sind die vorgesehenen Pflanzgefäße: Milchkartons, große und kleine Blechdosen, aufgeschnittene Plastikflaschen. „Upcycling“ nenne sich diese besondere Form der Wiederaufbereitung von Müll, erklärt Jugendbildungsreferentin Sonja Schüssler den Schülern. Gianni entscheidet sich für ein Erdbeerpflänzchen und pflanzt es liebevoll in eine ausgediente Nussdose. Elias deckt sich mit Sonnenblumenkernen ein: Die will er wild in der Stadt aussäen. „Guerilla Gardening“ heißt das ? und im Angebot sind alle möglichen Samen, von Ringelblumen bis Bitterlupine. 

Wieder neugierig werden

Ein paar Schritte weiter entsteht auf einer mehrere Quadratmeter großen Folie auf dem Boden ein „XXL-Kunstwerk“. Mit Stempeln und leuchtenden Acrylfarben sind hier Blumen und Herzen aufgemalt, sind Autogramme hinterlassen und kleine Miniaturbilder entworfen worden. „Der künstlerische und kreative Zugang ist für die Jugendlichen besonders wichtig“, sagt Jürgen Otto, Leiter der Einrichtung. Er wünsche sich, dass sich die jungen Besucher ? rund 300 werden es am Ende des Projektes insgesamt sein ? inspirieren lassen, sich mit dem eigenen Leben auseinander zu setzen. „Dass es Andockstelleng gibt, dass sie im günstigsten Fall wieder neugierig auf Kirche werden“, hofft Religionslehrer Rüdiger Jarzina. Das Angebot spreche die jungen Leute an, wie er aus vielen Besuchen weiß: „Ist nicht so kopflastig wie der Religionsunterricht sonst.“ 

Licht und Sound

Wie viel Spaß es machen kann, sich mit der Schöpfungsgeschichte zu beschäftigen, ist auf der Empore spürbar. Wer die Wendeltreppe bewältigt hat, kommt oben in einer anderen Welt an, stimmungsvoll beleuchtet und zugleich technisch mit Lichtpult und DJ-Programm auf neuestem Stand. Welches Licht, welcher Sound passt zur Entstehung der Welt? Während die ersten Lichtblitze durch die Kirche unten zucken, klickt sich Shayan durch die Musikdateien im Computer und sucht nach Techno. Den passenden Song hat er noch nicht gefunden, aber wie der sich anhören sollte, weiß er genau: „Explosiv! Das muss einem die Ohren zerstören.“ (rei) 

 

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