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11.03.2014

Von der Spätgotik in die Romanik und zurück

Mühselige Jahrhundertreise in der Frankfurter Leonhardskirche

FRANKFURT.- Eine kleine Ecke gibt es schon in der Leonhardskirche am Mainufer. An ihr ist abzulesen, wie schön diese fast 800 Jahre alte Kirche sich mit ihrem kostbaren Innenraum einmal präsentieren wird. Handwerker haben in enger Abstimmung mit dem Frankfurter Amt für Denkmalpflege eine Musterachse an der Südseite angelegt, wo der mittelalterliche Wandputz aufgefrischt wurde und die rote Fassung der Sandsteinquader bis hoch in die Empore leuchtet. Alles andere ist immer noch Baustelle und mutet wie ein Rohbau an. 

Und Baustelle wird das Innere von St. Leonhard auch noch eine ganze Weile bleiben: Erstmals gab Dombaumeister Robert Sommer am Montag, 10. März, bekannt, dass mit der Wiedereröffnung frühestens Ende 2015, wahrscheinlich aber erst im Frühjahr 2016 zu rechnen ist. Grund ist zum einen eine aufwändige und mühselige restauratorische Jahrhundertreise durch die verschiedenen Epochen, die in der Leonhardskirche ihre kostbaren Spuren hinterlassen haben. Zum anderen haben ein Schimmelpilz auf Mauerwerk und Bodenflächen und schließlich Pilzsporen in der Raumluft dafür gesorgt, dass die Arbeiten immer wieder unterbrochen werden mussten. 

Im Innern ein Auf und Ab

Erbaut 1219 als spätromanische Basilika, wurde sie in der Gotik umgebaut und „modernisiert“. Ab 1425 wurde der spätgotische Chor nach Osten angebaut. Der Entwurf stammt von dem berühmten Dombaumeister Madern Gerthener. Einige Jahre danach wurde die spätgotische fünfschiffige Hallenkirche errichtet. Im Zuge dieses An- und Umbaus wurden die beiden romanischen Portale, das Pilgerportal an der Mainseite und das Engelbertportal im Norden, in das Kircheninnere verlegt.

Kunsthistorisch waren diese beiden Portale bisher deutlich unterbewertet, bedauert die Leiterin des Denkmalamtes, Andrea Hampel. Dabei haben auch frühere Generationen offensichtlich ihre Bedeutung erkannt. Schon im Mittelalter wurden die Tore bei den Erweiterungen um rund zwei Meter angehoben und trotz massiver  Umbauten so pfleglich behandelt, dass ihre ganze Schönheit mit der abermaligen Tieferlegung des Bodenniveaus im 21. Jahrhundert wieder sichtbar wird. 

Im Innern der Leonhardskirche ging es ? das haben die archäologischen Grabungen gezeigt ? offenbar immer rauf und runter. Bei den seit 2011 laufenden Sanierungsarbeiten konnte in der nördlichen Seitenapside zunächst in zwei Metern Tiefe ein Stück des romanischen Vorgängerbaus ausgegraben und für die Nachwelt dokumentiert werden. Auch im Hauptschiff wurde der Boden zunächst auf das ursprüngliche Niveau abgesenkt. Mittlerweile wird der Grund wieder mit einem speziellen Kies aufgefüllt. Ab April sollen eine Fußbodenheizung und eine Lüftungsanlage eingebaut werden. Dann wird die Bodenplatte auf dem spätgotischen Niveau errichtet. So wird die Leonhardskirche eine viel höhere Anmutung bekommen, als das die Gläubigen noch im 20. Jahrhundert kannten.

Kleinod für Kunsthistoriker

Die dann wieder restaurierten Wandmalereien werden stehende und gehende Heilige zeigen, nicht vermeintlich knieende, wie es noch in der früheren, gedrungen wirkenden Kirche der Fall war. Die Säulen werden ihre ursprünglichen Sockel zeigen und nicht ungewohnt gerade aus der Erde wachsen, Pilger- und Engelbertportal werden Kunsthistoriker mit ihrer neuen Vollständigkeit begeistern und das Innere wird in spätgotischer Fassung erstrahlen. Das historische Kirchengestühl wird bis dahin ebenso restauriert wie Altäre, Bildschmuck, Wand- und Deckenmalereien. Und damit sich auch das 21. Jahrhundert in dem traditionsreichen Gotteshaus widerspiegelt, ist der bekannte österreichische Künstler Leo Zogmayer beauftragt, Altar, Lesepult und liturgische Objekte für den Altarraum zu entwerfen. 

Unterstützung von der Stiftung Denkmalschutz

Die vielen Überraschungen im Restaurierungsprozess haben ebenso wie die negativen Erscheinungen wie Schimmelpilz dazu geführt, dass die Wiedereröffnung der Leonhardskirche immer wieder verschoben werden musste. Aber auch die Kosten für den aufwändigen Umplanungsprozess bei Heizungs- und Lüftungstechnik, die auf die Grabungsergebnisse neu abgestimmt werden musste, sind noch einmal erheblich gestiegen. Allein dafür mussten rund 260 000 Euro zusätzlich aufgebracht werden. Dankbar zeigten sich deshalb alle beteiligten, dass die deutsche Stiftung Denkmalpflege ihre Vergaberichtlinien „ziemlich großzügig“ auslegte, wie der Vorsitzende des Ortskuratoriums, Walter Lachner, mit einem Schmunzeln zugestand: Obwohl schon die Außensanierung 2011 mit 50.000 Euro unterstützt wurde, griff die Stiftung noch einmal in den aus Mitteln von Lotto Hessen gefüllten Fördertopf und gab ö- entgegen den Richtlinien ? ein zweites Mal 40.000 Euro, nun für die Innenarbeiten.

Da St. Leonhard zu den so genannten Dotationskirchen gehört, ist seit der Säkularisation 1803 die Stadt Frankfurt für die Finanzierung zuständig. Für die Außenarbeiten von 2005 bis 2008 mussten drei Millionen Euro aufgebracht werden. Die Gesamtkosten für die Sanierung des Inneren sind auf rund 8,3 Millionen Euro veranschlagt. (dw) 

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