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10.05.2015

Religion in soziale Arbeit einbeziehen

Tagung der Erwachsenenbildung: Religiosität als Kraftquelle

WIESBADEN. - Religion ist seit einigen Jahren zwar ein großes Thema in der Öffentlichkeit, aber sie wird dabei eher als Krisenfaktor und als Ursache von Problemen wahrgenommen, jedenfalls nicht als deren Lösung. Dies gilt gerade auch für den Bereich der sozialen Arbeit, darin waren sich die Referenten einer Tagung einig, mit der am Samstag, 9. Mai, in Wiesbaden ein mehrmonatiger Kurs der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) gestartet ist. Unter dem Titel "Religion als Ressource" will das Angebot, das in Kooperation mit der KEB Hessen, dem Hessencampus Wiesbaden und der Frankfurter Goethe-Universität veranstaltet wird, die teilnehmenden Christen und Muslime dafür fit machen, "wertschätzend wahrzunehmen und in den beruflichen Alltag miteinzubeziehen, woran der andere glaubt.", wie KEB-Leiter Dr. Frank van der Velden erklärte.

Ungewohnte Perspektive

Ausgangspunkt des Vorhabens sei die "Lücke" in der bislang praktizierten Unterstützung der ankommenden Flüchtlinge, sagte er: Deren Religion spiele dabei nämlich überhaupt keine Rolle, obwohl es sich mehrheitlich um religiös ausgerichtete Menschen handele. Dass mit dieser "ungewohnten Perspektive" Neuland betreten wird, unterstrichen die beteiligten Kooperationspartner. Im Blick auf Religion und insbesondere auf den Islam prägten Vorurteile, Ängste und mögliche Bedrohungen das öffentliche Gespräch, sagte Susanne Große Böckmann, Geschäftsführerin der KEB Hessen. Es handele es sich daher um ein notwendiges und auch mutiges Projekt. Es könne dazu beitragen, das Miteinander der Religionen friedlicher zu gestalten, wünschte sich Hartmut Boger, Direktor der Wiesbadener Volkshochschule, der für den Hessencampus sprach. Dessen Projektleiterin Nicole Möhlenkamp wies auf den bestehenden großen Unsicherheitsfaktor im Umgang mit den unterschiedlichen Religionen hin.

Imageproblem des Islam

Religion als Ressource sei kein Satz, den jeder unterschreiben würde, griff in seinem Vortrag Professor Harry Harun Behr die öffentlich vorherrschende Skepsis auf. Der Erziehungswissenschaftler, der an der Frankfurter Goethe-Universität islamische Religionspädagogik unterrichtet und selbst Muslim ist, wies in diesem Zusammenhang speziell auf das "Imageproblem" des Islam hin. Gleichzeitig gebe es eine neue Richtung dahingehend, "Spiritualität und Religiosität als Kraftquellen zu erschließen".

Religiöse Erziehung für alle Kinder

Eine Sprache für Religion finden, auch wo sie nicht direkt benannt wird, dieser Forderung von Behr schloss sich Martin Lechner an, Professor für Jugendpastoral an der Philosophisch Theologischen Hochschule Benediktneuern. Der Leiter des Jugendpastoralinstituts Don Bosco hielt ein engagiertes Plädoyer für Religion als integralen Bestandteil jeder Erziehung und in jeder Einrichtung. Sie sollte allen Kindern und Jugendlichen zugänglich sein, nicht nur den "Religiösen". Religiöse Überzeugungen könnten ein Schutzfaktor sein im Leben von Risikokindern, denn Religion helfe bei der Lebensbewältigung. Bildung ohne Religion sei unvollständig, aber Religion ohne Bildung gefährlich, brachte Lechner die Ambivalenz des Themas auf den Punkt.

Seminareinheiten und Praxisübungen

Der eigentliche Kurs startet Ende Mai. In verfschiedenen Seminareinheiten stehen unter anderem islamische und christlich-orientalische Lebenspraktiken mit Bezug auf die soziale Arbeit auf dem Programm. Die 20 Teilnehmer des Kurses, darunter muslimische und christliche Seelsorger, Sozialarbeiter, Lehrer und Betreuer, werden bis Ende November auch Gelegenheit haben, im Rahmen von Praxiseinheiten in religiös gemischten Tandems das Arbeitsfeld des jeweiligen Partners vor Ort kennen zu lernen. (rei)

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