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Limburg/Frankfurt.-, 15.10.2018

Stellungnahme zu AFD-Plakat mit Limburger Dom

Die AfD verschränkt systemisch islam- und kirchenfeindliche Positionen, erklärt der Islamreferent des Bistums Dr. Frank van der Velden. Christentum sei dabei in der AfD nur solange willkommen, als es sich z.B. gegen Zuwanderung instrumentalisieren lasse.

Warum wirbt die AfD in Hessen mit dem Limburger Dom für Islamfeindlichkeit?

Seit Beginn des Landtagswahlkampfes schauen Katholik/innen in der Region irritiert auf Plakate der hessischen AfD, die den Limburger Dom mit dem Slogan „Deutsche Leitkultur! Islamunterricht! Nicht an unseren Schulen!“ zeigen. Ebenso grüßt der Limburger Dom in voller Farbenpracht auf dem Deckblatt des Kapitels „Kunst, Kultur und Medien“ im Landtagswahlprogramm 2018 der hessischen AfD. Dahinter folgen die üblichen islamfeindlichen Einlassungen im Umfang von mehreren Seiten. Heißt das also, dass nach Meinung der AfD (auch) Christ/innen ein besonderes Interesse an Islamfeindlichkeit haben sollten? Das sollte nicht unwidersprochen bleiben.

Zeitgleich zieht die bayerische AfD in ihrem Wahlprogramm 2018 massiv gegen die Kirchen im Freistaat zu Felde. Im vorgeblichen Interesse der bekenntnisfreien Bürger fordert sie die Ablösung aller Staatsleistungen und Dotationen an die beiden großen christlichen Kirchen, die über den Erhalt der Kulturdenkmäler hinausgehen. „Die AfD will keine staatliche Förderung von Religionsgemeinschaften, sondern eine konsequente Trennung von Staat und Religion in Bayern … die Staatskirchenverträge zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der röm.-kath. sowie der evang.-luth. Kirche in Bayern, sind daher unverzüglich zu kündigen“ (S. 13). Da es sich „bei den Kirchen um eine besondere Lobbygruppe handelt“ (S. 14), deren staatliche Unterstützung „dem deutschen und insbesondere dem bayerischen Steuerzahler nicht länger zumutbar“ sei (S. 14), soll z.B. Kirchenasyl unterbunden und konsequent strafrechtlich verfolgt werden.

Wie passt dies aber zusammen, dass einerseits der Limburger Dom zur Bebilderung einer Islamfeindlichen Kampagne hergenommen wird und die AfD sich gleichzeitig kirchenfeindlich aufstellt? Die Lösung: die AfD wendet sich mit ihrer Kampagne insbesondere auch an „die Kirchenmitglieder an der Basis [, die] gleichzeitig über die wachsende Distanz der Kirche zu ihren Anhängern klagen“ (Wahlprogramm AfD-Bayern, 2018, S. 13). Wir haben es hier also auch mit einer kirchenkritischen Abwerbekampagne zu tun, islam- und kirchenfeindliche Positionen werden systemisch verschränkt. Aber warum?

Ein Teil der Antwort wurde zum Beispiel auf einer Wahlkampfveranstaltung der AfD in Eschborn-Niederhöchstadt am 28.9.2018 mit den AfD-Direktkandidaten Jonas Pradt und Thomas Kaus und ca. 50 Personen im Publikum gegeben. Als Gastredner referierte der bekennende Islam-Kritiker und AfD-Wähler Imad Karim: Deutschland sei nicht ‚von rechts‘ gefährdet, sondern durch unkontrollierte Einwanderung. Die zugewanderten Flüchtlinge, insbesondere viele Muslime aufgrund ihres archaischen Weltbildes, könnten den gesellschaftlichen Konsens in Deutschland zerstören. Der Islam sei kulturfremd, unvereinbar mit unserer Gesellschaft, nicht reformfähig und strebe überall, wo er in der Mehrheit sei, langfristig die Machtübernahme an. Die ‚Massenzuwanderung‘ berge die Gefahr, das eigene Volk zu verdrängen. Die heutigen multikulturalistischen ‚Sozial-Ingenieure‘ wollten einen neuen Menschen kreieren, wie dies auch bereits die totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts versucht haben. Es gehe ihnen darum, die Bevölkerung auszutauschen. Wenn diese Kritik der AfD als Rassismus kritisiert werde, sei dies selbst rassistisch. Durch die Einwanderungspolitik der Bundesregierung bestehe die Gefahr, dass Merkel Deutschland ins Mittelalter zurückführe und rechtsfreie Räume schaffe, in die hinein muslimische ‚Gegengesellschaften‘ drängten. Der gewaltbereite islamische Extremismus sei immerhin ein ehrlicher Gegner, die deutschen Islam-Verbände nützten dagegen die demokratischen Spielräume zu ihren Gunsten aus und unterstützten diese gesellschaftliche Entwicklung.

Und eben, so möchte ich den zweiten Teil der Antwort ergänzen, auch die christlichen Kirchen, soweit sie an einer Willkommenskultur für Geflüchtete arbeiten und gegenüber Muslimen und ihren Organisationen in Deutschland dialogbereit sind.

Christentum ist der AfD nur solange willkommen, als es die Verteidigung des kulturellen Erbes einer deutschen Dominanzgesellschaft repräsentiert und sich z.B. gegen die Zuwanderung von Muslimen instrumentalisieren lässt.

Christentum ist der AfD nur solange willkommen, als es die Verteidigung des kulturellen Erbes einer deutschen Dominanzgesellschaft repräsentiert und sich z.B. gegen die Zuwanderung von Muslimen instrumentalisieren lässt. So wurde eine Predigt mit islamkritischen Bezug des Regensburger Bischofs Voderholzer am 8.7.2018 von Alice Weidel auf einer facebook-Seite für die Position der AfD vereinnahmt.

Gegen die Realitätsverweigerung der AfD ist festzuhalten, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, das übrigens nicht nur Muslime aufnimmt. Kann man das rückgängig machen, indem man sich in eine Biedermeier-Zeit zurückträumt, als das Wünschen – angeblich - noch geholfen hat? Der Balkan mit seinen Millionen Muslimen und die längst in anderen europäischen Ländern ansässigen Muslime gehören zu Europa. Wo ist das Bekenntnis der AfD zu dem Teil der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit, der eben auch die Gründung religiöser Gemeinschaften und Institutionen in unserem Land umfasst? Wo ist ihr Beitrag, diese komplexe und häufig problematische Gegenwart konstruktiv begleiten zu wollen? Ja, und dazu gehört auch, sich mit muslimischen Institutionen in unserem Land deutlich und kritisch auseinanderzusetzen, wenn, wie in Köln, die Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee zu einer Jubelfeier für den türkischen Präsidenten verkommt.

Die geschilderte Feindbildkonstruktion des Islam sagt dabei viel über die AfD selbst aus: Deutlich ist, dass sie zu diesem Thema keine Zwischentöne kennt, keine Kompromisse, kein anderes Ziel als die Verdrängung des Gegners. Die friedliche Koexistenz mit islamischen Institutionen in Europa ist wohl keines ihrer Ziele. Islamischer Religionsunterricht in unseren Schulen fördert nachgewiesenermaßen einen aufgeklärten Islam und die Integration. Kenntnis und Verständnis der Religionen und Kulturen gehören notwendig zum schulischen Bildungsauftrag, und Schülerinnen und Schüler aller religiös-weltanschaulichen Prägungen haben ein grundgesetzlich garantiertes Recht darauf. Wenn die AfD nun aber die islamische Religionslehrerausbildung an deutschen Universitäten abschaffen will, so entstammt dies einer Haltung der Gestaltungsverweigerung.

Aber trifft denn die Sicht der AfD auf den Islam zu? Der aufgeklärte Theologe Friedrich Schleiermacher, immerhin einer der Väter der historisch-kritischen Bibelauslegung, forderte bereits im Jahr 1799 in seiner berühmten ersten Rede „Über die Religion“, man möge mit den Verteidigern einer Religion über diese diskutieren, nicht mit ihren Verächtern. Sonst sei kein Erkenntnisgewinn zu erwarten. Wo lediglich AfD-nahe Protagonisten wie Imad Karim oder Hamed Abd-El Samad ihre persönliche Abkehr von der Religion ihrer Väter als Wissensstand vermitteln dürfen, aber z.B. die an den deutschen Universitäten beheimatete islamische Theologie und Wissenschaft ausgeblendet oder nicht ernst genommen wird, ja sogar abgeschafft werden soll, geht es offensichtlich nur um die Bestätigung der eigenen vorgefassten Meinung. Oder deutlicher: um Wissensverweigerung mit dem Ziel der Emotionalisierung von Konflikten.

Die in diesen Wochen in Bayern zu beobachtenden Plakatslogans wie ‚Der Islam gehört nicht zu Bayern‘ und ‚Islamfreie Schulen‘ erinnern fatal an ‚Judenfreie Städte‘ im ‚Dritten Reich‘.

Die in diesen Wochen in Bayern zu beobachtenden Plakatslogans wie ‚Der Islam gehört nicht zu Bayern‘ und ‚Islamfreie Schulen‘ erinnern fatal an ‚Judenfreie Städte‘ im ‚Dritten Reich‘. Sie sind nicht nur islamfeindlich, sondern auch Teil einer kirchenkritischen Abwerbekampagne, welche die Mobilisierung des katholischen Milieus gegen die eigenen kirchlichen Strukturen beabsichtigt. Der Konflikt geht daher auch in Hessen nicht zuletzt um die religionsrechtlichen Grundlagen unserer Verfassung. Die einseitigen Verunglimpfungen, Ausgrenzungen und Angstmache der AfD können dabei aber kein Mittel der Politik sein, das von Christen mitgetragen wird, welche die Grundlagen ihres Glaubens und das Grundgesetz ernst nehmen.

Dr. Frank van der Velden, Islamreferent des Bistums Limburg

 

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