WIRGES, 16.08.2018
Zehn Wochen auf Wallfahrt
Schultern kreisen. Ausstrecken. Lockern. Einatmen. Und ausatmen. „Pfffffff“, blasen die Sänger kontrolliert Luft aus. „Die Sonne scheint“ trällert es wenig später melodisch im Wirgeser Pfarrzentrum. Mit jeder Wiederholung klettern sie in der Tonleiter nach oben. Der Projektchor anlässlich der Heiligsprechung von Katharina Kasper im Oktober hat mit seinen Proben begonnen. Viel Zeit hat Chorleiter Johannes Schröder nicht: In zehn Wochen will der 26-jährige Kantor der katholischen Pfarrei St. Bonifatius in Wirges mit etwa 140 Sängerinnen und Sänger das zehn Lieder umfassende Repertoire für die großen Gottesdienste zur Heiligsprechung im Oktober einstudieren. „Ich freue mich sehr darüber, dass wir so viele Anmeldungen für den Projektchor bekommen haben“, sagt Schröder. Bei so vielen Sängern, Bläsern und Pauken wird es am 21. Oktober beim Dankgottesdienst auf der Empore des Westerwälder Domes „kuschelig“, scherzt der junge Kantor. Zum Glück sei es dann nicht mehr so heiß.
Viel Erfahrung und Know-How
Heiß ist es aber im Pfarrzentrum neben der Kirche St. Bonifatius in Wirges. Mehr als 100 Stühle sind im großen Saal gestellt. Zu Beginn proben die Frauen im großen Saal und die Männer einen Stock tiefer in einem Gruppenraum. Bei den hochsommerlichen Temperaturen Anfang August ist die Luft im Pfarrzentrum drückend. Die Sängerinnen und Sänger sind dennoch konzentriert dabei. Drei Lieder werden sie in ihrer ersten Probe einstudieren. „Die Leute sind richtig motiviert. Für die erste Probe hatten wir ein gutes Tempo. Bei großen Chören ist das oft so, weil viele Sänger mit Chorerfahrung und Know-How dabei sind“, sagt Schröder zufrieden.
„Die Probe war toll. Das sind alles Leute, die gerne singen. Und das hört man auch dem Chorklang an. Die Lieder klingen einfach wunderschön“, ist Christine Nebgen aus Horressen begeistert. Nebgen stammt aus Wirges. Sie singt derzeit in vier verschiedenen Chören. Doch um das Singen allein geht es ihr nicht: Mit Katharina Kasper ist die 64-Jährige groß geworden. Wegen ihrer Einfachheit, ihrer großen Menschlichkeit und ihrem Mut, sich auch gegen Widerstände durchzusetzen, sei die Gründerin der Dernbacher Schwester für sie schon immer ein Vorbild gewesen. „Ich habe meinen Eltern mit 13 oder 14 Jahren sogar einmal einen Brief geschrieben, dass ich ins Kloster gehen möchte“, erzählt sie und lacht. „Bei diesem besonderen Ereignis dabei sein zu dürfen, ist für mich etwas ganz Großes. Es wird ja nicht jeden Tag jemand aus der Heimatgemeinde heiliggesprochen“, freut sie sich. Überhaupt sei sie noch nie in Rom gewesen.
Die jüngste Sängerin ist elf Jahre alt
Für Sophie Högner ist das Singen im Projektchor auch ein kleines Familienevent. Ihre Tante und ihre Mama singen im Projektchor mit. Der Papa fährt im Oktober mit nach Rom. Högner ist mit elf Jahren die jüngste Sängerin im Projektchor. Verstecken muss sie sich aber nicht: Seitdem sie vier ist, singt sie in Chören. „Ich habe noch nicht in einem so großen Chor mitgesungen, aber schon oft in der Kirche – auch alleine“, erklärt sie. Dass sie vor den Gottesdiensten Lampenfieber bekommen könnte, glaubt sie deshalb nicht. „Ich habe da keine Angst vor“, sagt sie cool und gelassen. Auch wenn die erste Probe schon gut geklappt hat, ein bisschen Respekt vor den Liedern hat sie aber doch: „Als ich es zuerst gehört habe, fand ich es ziemlich schwer. Das sind schon anspruchsvolle Lieder. Im Kinderchor singen wir so schwere Lieder nicht.“
Einmal im Leben in Rom singen
Auf Rom und besonders auf den Gottesdienst im Lateran freut sich Kristina Kramer. „Ich wollte schon immer einmal in Rom singen. Das muss etwas ganz Erhebendes sein, wenn man in einer solch bedeutenden Kirche singen darf. Man hat ja nicht einfach so die Gelegenheit reinzugehen und dort ein schönes Werk zu singen“, sagt Kramer. Während der Großteil der Sängerinnen und Sänger aus Wirges, Dernbach und Montabaur sowie vielen verschiedenen Ortschaften aus dem Westerwald kommt, nimmt Kramer einen langen Anfahrtsweg in Kauf. Die erfahrene Chorsängerin und passionierte Pilgerin lebt und arbeitet in Heilbronn. Von ihrem Partner, der in Dernbach im Krankenhaus arbeitet, hatte sie von der Heiligsprechung und der Gründung des Projektchores gehört. Damit Katharina Kasper heiliggesprochen wird, ist sie schon eine Etappe auf dem Pilgerweg von Canterbury nach Rom gegangen.
„Es ist einfach schön, mit einer so großen Gruppe an einem geschichtsträchtigem Ort Musik zu machen“, sagt Chorleiter Johannes Schröder mit Blick auf die Romfahrt. Bis dahin sei es aber noch ein langer Weg, auf dem viel musikalisch passieren werde. Für die Sängerinnen und Sänger des Projektchores habe die Pilgerfahrt zu Heiligsprechung Katharina Kasper schon jetzt begonnen, meint er. „Mit der langen Vorbereitung ist das ja schon eine Art ,Zehn-Wochen-Wallfahrt‘.“
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