WIESBADEN, 13.12.2019
Mit Kunst Kirchen verrätseln
Mit sogenannter „christlicher Kunst“ hat der Pater nichts am Hut: „Alles rausschmeißen, aus den Kirchen müssen alle Bilder raus“, lautet der radikale Appell, mit dem sich Friedhelm Mennekes am Donnerstag, 12. Dezember, im Roncalli-Haus im Gespräch mit Meinhard Schmidt-Degenhard als eine Art katholischer Bilderstürmer präsentiert. Gebraucht werde stattdessen neue Kunst, die die Kraft habe, „den Raum zu verrätseln“ und den Menschen in Frage zu stellen. Der Jesuit, Theologe und Religionssoziologe weiß wie kaum ein anderer in der katholischen Kirche, wovon er redet. Seit den frühen 90er Jahren hat er, zuerst in Sankt Markus in Frankfurt-Nied, kurzzeitig im Frankfurter Hauptbahnhof, später dann 21 Jahre in der von ihm gegründeten Kunst-Station Sankt Peter in Köln mit großer Außenwirkung zeitgenössische Kunst in sakrale Räume geholt.
Kunst nicht instrumentalisieren
Entschieden widerspricht der 79-Jährige in Wiesbaden der Vorstellung, er habe dabei „Kunst und Kirche zusammen gebracht“. Beide seien ganz im Gegenteil klar zu trennen. Wie es ihm dennoch gelang, mit prominenten zeitgenössischen Künstlern wie Joseph Beuys und Francis Bacon, Rosemarie Trockel, Arnulf Rainer, Gregor Schneider, Cindy Sherman, Alfred Hridlicka und vielen anderen im Gespräch zu sein und ihre Werke auszustellen, bringt er auf eine kurze Zauberformel: „Gegenseitiger Respekt.“ Die Kirche dürfe weder die Künstler noch ihre Werke instrumentalisieren oder gar vereinnahmen, sondern müsse lernen, mit der Andersartigkeit zu leben. Es gehe gar nicht um irgendeine Botschaft oder eine Erkenntnis, so die Überzeugung von Pater Mennekes, sondern „die Kunst hat – gerade wenn Du sie nicht verstehst - eine Stille präsent, die Dich dazu bringt, intensiver zu schweigen.“
Der Mennekes ist verrückt
Dass sein Wirken nicht ohne Widerstände blieb, wird bei dem Gespräch eher am Rande gestreift. Durch die Medien ging Anfang 2000 die Diskussion um einen mehrteiligen Altar des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida in Sankt Peter, der im Vatikan Unmut auf sich zog und schließlich – allerdings erst nach einigen Jahren – in ein Seitenschiff der Kirche versetzt wurde. „Wir beide, wir haben ein Problem“, habe Joachim Kardinal Meisner gemeint, dessen damalige Intervention Mennekes heute eher milde kommentiert. Sie seien zwar Welten auseinander gewesen, „aber wir konnten kooperieren“, sagt er, und zitiert schmunzelnd ein Wort des Kardinals: „Der Mennekes ist zwar verrückt, aber katholisch.“
Am Katholisch-Sein leiden
Mit dem Katholisch-Sein aber hadert der „fromme Mann“, als der sich der Pater selbst bezeichnet, inzwischen arg. Im Blick auf den Missbrauchsskandal leide er sehr an seiner Kirche, räumt er auf die entsprechende Nachfrage von Schmidt-Degenhard freimütig ein. Als die ersten „Schweinereien“ ans Licht gekommen seien, habe er drei Jahre keine Messe mehr gelesen, „aus Scham“, bekennt Mennekes und berichtete von zynischen Unterstellungen, denen er einerseits als Priester ausgesetzt sei, und zugleich dem Bewusstsein: „Ich bin ja einer von denen.“ Dass die Kirche wieder aus der Vertrauenskrise heraus kommt, zweifelt er offen an. Er sei gerne katholisch und könne es doch kaum mehr sein, fasst er die Zwiespältigkeit der Situation in Worte. Er sehe keine andere Chance, als mit der Kirche und dem Evangelium noch mal neu und bei sich selbst anzufangen. Dasselbe gilt in seinen Augen für die moderne Kunst: Denn sie könne, das ist seine Erfahrung aus jahrzehntelanger Auseinandersetzung, in all ihren Ausprägungen bis hin zu Theater und Musik, den sakralen Raum wieder zum Schwingen bringen, in dem der Glaube als Vertrauen, Halt, Segen erfahrbar sei.
Die Gesprächsreihe „Gott und die Welt“ wird veranstaltet von: Katholische Erwachsenenbildung Wiesbaden-Untertaunus und Rheingau, Katholisches Stadtbüro Wiesbaden und Katholische Erwachsenenbildung Hessen.