FRANKFURT
Ein Kleinod: Acht Jahre und 11,5 Millionen Euro später
Der Hauptaltar unter Folie verborgen, Heiligenfiguren an der Wand unter dicken Schutzhüllen, ein glänzend polierter Kronleuchter, mit Wolldecken geschützt, in einer Holzkiste, dazwischen Leitern, Werkzeug, noch mehr Kisten und Dutzende Handwerker: Es sieht nach Schlussspurt aus in der 800 Jahre alten romanischen Leonhardskirche am Frankfurter Mainufer.
Nach genau achtjähriger Schließung wegen einer umfassenden Restaurierung, die so manche unvorhergesehene Überraschung bereithielt und sich immer mehr in die Länge zog, ist jetzt das Ende der Durststrecke für viele Katholiken, Touristen und Kunstliebhaber in Sicht. Am Sonntag, 18. August, soll St. Leonhard feierlich wiedereröffnet werden.

Schätze im Schutt

Am Freitag, 2. August, luden Stadtkämmerer und Kirchendezernent Uwe Becker und Baudezernent Jan Schneider zu einer Besichtigung der Baustelle. Unter vielen Christen, die St. Leonhard immer schon nicht nur als eine der schönsten Kirchen der Stadt liebten, sondern auch endlich wieder dort Gottesdienst feiern wollten, war die Ungeduld in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Zahlreiche böse Überraschungen fanden sich im Schutt der Kirche, deren Boden zeitweilig fast drei Meter tief ausgehoben worden war. So konnte nicht nur der archäologische Vorgängerbau untersucht werden, es gelang auch durch die Tieferlegung des Bodens auf dem Niveau des 16. Jahrhunderts, der Kirche eine ganz neue Raumwirkung zu verschaffen. Aber auch Feuchtigkeit, Pilzbefall, Staunässe vom nahen Main und brüchige Fundamente zwangen immer wieder zu Pausen und neuen Planungen.
Dabei fanden sich aber auch unerwartete Kostbarkeiten unter dem Fußboden. Herausragende Grabungsfunde und restaurierte Kunstschätze werden in einer Sonderausstellung vom 16. August bis zum 19. Januar in einer Sonderausstellung im Dommuseum Frankfurt und in der Dependance Sakristeum im benachbarten Haus am Dom gezeigt.
Schenkungsurkunde von 1219

St. Leonhard gehört zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern der Stadt. Sie ist die älteste Innenstadtkirche Frankfurts: Am 15. August 1219, dem Fest Mariae Himmelfahrt, schenkte Kaiser Friedrich II. den Frankfurter Bürgern aus königlichem Besitz den Baugrund für eine Kapelle am nördlichen Mainufer. In der für die Stadtgeschichte höchst bedeutsamen Schenkungsurkunde wird zum ersten Mal die Bürgerschaft Frankfurts (universorum civium de Frankinfort) genannt.
Die zunächst dem Heiligen Georg und der Gottesmutter Maria geweihte Kirche mit ihren bis heute erhaltenen romanischen Portalen wurde rasch zu einem wichtigen Anlaufpunkt für Pilger auf dem Weg nach Jerusalem oder nach Santiago de Compostela zum Grab des heiligen Jakobus. Auf Erweiterungen im 15. und 16. Jahrhundert folgte eine Krisenzeit in der Reformation, Umnutzung und beinahe der Abriss in der Säkularisation.
1809 wurde die renovierte, teilweise umgebaute und neu ausgestattete Kirche wieder eröffnet. Den zweiten Weltkrieg überstand sie – im Gegensatz zu den meisten anderen Kirchen in der Innenstadt – relativ unbeschadet.
Die Stadt finanziert den Umbau mit 11,5 Millionen Euro
Rund 11,5 Millionen Euro hat das ehrgeizige Projekt der Restaurierung die Stadt Frankfurt als Eigentümerin der Kirche gekostet. Dafür wurden archäologische Grabungsarbeiten, ein neuer Sandsteinfußboden und Holzböden verlegt, die Farbfassung des frühen 16. Jahrhunderts in einem hellen „Englischrot“ wiederhergestellt, sämtliche Altäre und Ausstattungsgegenstände ausgebaut und restauriert, die mittelalterlichen Glasfenster im Chor erneuert und wertvolle Grabplatten aufgefrischt.
Aber auch die moderne Ausstattung der Kirche hatte ihren Preis: Fußbodenheizung und Belüftungsanlage, neue Elektroninstallationen, neue Leuchten mussten eingebaut werden, um die 800 Jahre alte Kirche für das 21. Jahrhundert zu ertüchtigen.
Bildergalerie
Anlässlich des Jubiläums von Sankt Leonhard und der Wiedereröffnung zeigt das Dommuseum Frankfurt zusammen mit dem Archäologischen Museum, der Denkmalpflege der Stadt Frankfurt und des Landes Hessen die Ausstellung „Schätze aus dem Schutt. 800 Jahre St. Leonhard“.
Neben der erstmaligen Präsentation herausragender Grabungsfunde und restaurierter Kunstschätze vermittelt die Ausstellung auch Methoden und Erkenntnisse der oft im Verborgenen tätigen Denkmalpflege, Archäologie und Restaurierungswissenschaften: In akribischer Spurensuche lassen sie ein neues Bild der mittelalterlichen Kirche wieder erstehen. Einblicke in die Grabung, die Restaurierung und komplexen mittelalterlichen Herstellungstechniken bedeutender Kunstwerke gibt es im eigens für die „Schätze aus dem Schutt“ leergeräumten Sakristeum.
Bürgermeister und Kirchendezernent Uwe Becker eröffnet die Schau am Donnerstag, 15. August um 17 Uhr. Sie läuft von Freitag, 16. August bis zum 19. Januar 2020.