Bildungseinrichtungen als Orte der Teilhabe – auch für Menschen mit Demenz
„Bildung muss zugänglich für alle bleiben“
Herr Oberbandscheid, was hat das Projekt „DeBiT 2.0“ so besonders gemacht?
Johannes Oberbandscheid: „Uns ging es darum, die Türen der klassischen Erwachsenenbildung auch für Menschen mit Demenz zu öffnen. Viele denken bei Demenz sofort an Pflegeeinrichtungen oder Betreuungskonzepte – doch wir wollten zeigen, dass Bildungseinrichtungen eine wichtige Rolle spielen können, um Menschen mit Demenz echte Teilhabe zu ermöglichen. Die Erfahrung hat gezeigt: Wenn Menschen mit Demenz unsere Bildungsangebote vor Ort besuchen, erleben sie sich selbst anders – als aktive Teilnehmde, nicht als Patientinnen und Patienten.“
Bildungseinrichtungen als Orte der Begegnung
Was bedeutet es konkret, wenn Bildungseinrichtungen als Orte der Begegnung genutzt werden?
„Bildungsstätten haben einen besonderen Charakter: Sie stehen für Neugier, Austausch und Offenheit. Wenn Menschen mit Demenz hier an Seminaren teilnehmen, werden sie nicht über ihre Erkrankung definiert, sondern als Lernende ernst genommen. Das allein verändert schon viel – für sie selbst, aber auch für andere Teilnehmende, die durch die Begegnung ihre Sicht auf Demenz erweitern. Ein großer Vorteil ist zudem die Umgebung: Anders als in Pflegeeinrichtungen oder Betreuungskontexten erleben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hier eine Atmosphäre, die sie als gesellschaftliche Mitgestalter anspricht. Viele Einrichtungsleitungen und auch Angehörige haben uns berichtet, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner bzw. Verwandten nach solchen Seminaren sichtbar aufblühten und sich auch in den Einrichtungen und zu Hause aktiver zeigten.“
Gibt es ein Beispiel für eine besonders erfolgreiche Veranstaltung?
„Ein großartiges Format war unser Bildungs- und Tanzsalon. Hier wurden historische und gesellschaftliche Themen mit Musik und Bewegung verbunden – in einer Caféhaus-Atmosphäre. Es war beeindruckend zu sehen, wie Menschen mit Demenz hier aufgegangen sind, gesungen, getanzt und sich ausgetauscht haben.“
Positive Resonanz der Bildungseinrichtungen
Wie haben die Bildungseinrichtungen auf das Projekt reagiert?
„Zunächst gab es einige Vorbehalte. Viele dachten, dass Menschen mit Demenz nur in geschlossenen Gruppen betreut werden sollten. Doch die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Einrichtungen haben erkannt, dass sie mit solchen Angeboten nicht nur eine neue Zielgruppe erschließen, sondern auch ihrem gesellschaftlichen Bildungsauftrag besser gerecht werden können. Wir haben erlebt, dass sich auch Dozentinnen und Dozenten sowie Bildungsanbieter weiterentwickelt haben: Sie haben gelernt, wie sie mit Menschen mit Demenz umgehen können, welche Methoden gut funktionieren und welche Formate sich bewähren. Das ist eine große Bereicherung – nicht nur für die Teilnehmenden, sondern auch für die Einrichtungen der Erwachsenenbildung.“
Langfristige Wirkung und Zukunftsperspektiven
Welche langfristigen Effekte erhoffen Sie sich?
„Unser Ziel ist, dass Bildungseinrichtungen dauerhaft inklusiver werden und Menschen mit Demenz selbstverständlich als Teilnehmende willkommen heißen. Wir haben jetzt ein solides Fundament gelegt: Seminarkonzepte, methodische Ansätze und Qualifizierungsangebote für Dozenten und Pflegefachkräfte. Ich hoffe, dass unser Projekt ein Anstoß für viele weitere Initiativen wird. Bildung darf nicht dort aufhören, wo eine Diagnose gestellt wird – sie muss für alle zugänglich bleiben. Wenn wir es schaffen, dass Bildungseinrichtungen zu Orten des Lernens, der Begegnung und der Inklusion werden, dann haben wir wirklich etwas bewegt.“
Herr Oberbandscheid, vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stelle Elisa Schum, Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit der KEB Hessen.
Das Projekt „DeBiT 2.0“
Das Projekt „DeBiT 2.0“ wurde durch das Hessische Kultusministerium gefördert. Es war eine Kooperation der KEB Hessen mit der Katholische Akademie Fulda und dem Hessencampus Fulda. Weitere Informationen und Materialien zum Projekt gibt es auch nach Projektabschluss auf der Internetseite www.debit-projekt.org.
Über die KEB Hessen
Die Katholische Erwachsenenbildung Hessen Landesarbeitsgemeinschaft e. V., kurz KEB Hessen, ist der Zusammenschluss katholischer Träger von Erwachsenenbildung in den hessischen Diözesen Fulda, Limburg und Mainz. Mit einem vielfältigen Kurs- und Veranstaltungsangebot fördert die KEB Hessen die persönliche, berufliche und soziale Weiterentwicklung von Menschen in ganz Hessen. Sie setzt sich für lebenslanges Lernen, gesellschaftliche Teilhabe und inklusive Bildungsangebote ein. Weitere Informationen finden Sie unter www.keb-hessen.de.