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Frankfurt

Ein ewiges Zuhause ohne Mauern

Susanne Engeländer wusste schon früh, dass sie mehr Zeit mit Gott verbringen möchte. Deshalb suchte sie bereits mit Anfang 20 nach einem passenden Orden – natürlich zeitgemäß im Internet. Im Juni hat die Missionsärztliche Schwester nun ihre Ewige Profess abgelegt und freut sich, angekommen zu sein.

21 Jahre alt war sie, als sie erstmals auf der Schwelle des Hauses der Missionsärztlichen Schwestern in der Nordweststadt stand. Damals war Susanne Engeländer mitten in der Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in Nordrhein-Westfalen und getrieben von einer tiefen Sehnsucht nach mehr Beziehung in ihrem Leben – zu Gott, zu anderen Menschen, danach, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Sieben Jahre später zog sie ganz ins Gemeinschaftshaus im Hammarskjöldring ein. Nun, weitere zehn Jahre später, hat Susanne Engeländer die Ewige Profess abgelegt. Gekommen, um zu bleiben.

Bei den Missionsärztlichen Schwestern hat sie ihr Zuhause gefunden. Engeländer wuchs in Nordrhein-Westfalen als älteste von drei Kindern in einer katholischen Familie auf, die oft umzog. Wuppertal, Düsseldorf, Erftstadt, Berlin: „Für mich war das teilweise schwierig, ich war immer wieder neu und musste mich immer wieder in andere Gruppen einfügen.“ Dazu kam, dass die Schule ihr trotz Interesse am Stoff nicht so recht lag, einfach nur Zuhören war ihr zu langweilig. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Endlich richtig anpacken, mitarbeiten, tun! Und doch war da diese Leere, eine nagende Perspektivlosigkeit. Und die Frage: Möchte ich heiraten, eine Familie gründen? Mein Leben lang Single sein? Oder einen ganz anderen Weg gehen?

Die eine tragfähige Beziehung

„Ich hatte Sehnsucht nach Gemeinschaft und einem tieferen Sinn“, sagt die heute 37-Jährige. Und nach einer, der einen tragfähigen Beziehung in ihrem Leben, die nicht bröckeln würde. Schon immer habe sie ein inniges Verhältnis zu Gott gehabt – in der Schule war sie sogar mal die Einzige, die sich meldete, als die Lehrerin fragte, wer in der Klasse an Gott glaube. „Das war gar keine Frage für mich, sondern einfach die Wahrheit.“ Dabei, einen starken Glauben zu entwickeln, half vor allem ihre Großmutter. „Mit ihr konnte ich auch über komplizierte Themen wie Krieg sprechen“, erinnert sich Susanne Engeländer. Die Oma habe nicht auf alles eine Antwort gehabt. „Aber sie hat mir gezeigt, dass es vor allem wichtig ist, dass man Fragen stellt und darüber in Beziehung kommt.“ Beziehung, auch und vor allem zu Gott. Schon als Kind hatte sie Biografien von Ordensleuten wie Mutter Teresa, Edith Stein und Ruth Pfau gelesen. Einerseits seien die Bücher eine Flucht gewesen, weil ihr durch die Umzüge oft der Kontakt zu Gleichaltrigen gefehlt habe, sagt Susanne Engeländer. „Dadurch hatte ich ein positives Bild vom Ordensleben und es als spannende alternative Lebensform kennengelernt. Denn vom Ordensleben wusste ich echt nicht viel.“

Gott will ein Leben in Fülle für uns - und das finde ich hier. Quelle: Susanne Engeländer, Missionsärztliche Schwester

Mit 21 beschloss sie schließlich: „Meine Beziehung zu Gott braucht jetzt mehr Futter oder sie wird ein stückweit absterben.“ Sie recherchierte im Internet, ging Ordenslisten durch, angezogen von der Vorstellung, eine passende Gemeinschaft für sich zu finden. Für sie, die ihr Leben lang oft umgezogen war, ganz klar: „Alle Orden mit Stabilitas, also in denen man sein Leben lang an einem Ort bleibt, kamen nicht in Frage.“ Außerdem wollte sie keinen Lehrerorden, also keinen, in dem sie in Schulen unterrichten müsste. Und der Ordensname sollte passen. „Das klingt vielleicht erst einmal kurios. Aber ich wollte einen Orden mit einem Namen, mit dem ich etwas anfangen konnte, und keinem, der Angst macht, der nach etwas klingt, für das ich nicht stehe.“

Erst einmal Fehlermeldung

In einer Liste wurde sie auf die Medical Mission Sisters aufmerksam, die internationale Bezeichnung der Missionsärztlichen Schwestern. Susanne Engeländer begann zu recherchieren, besuchte die US-Webseite des Ordens – und stieß zunächst auf eine Fehlermeldung, weil der Link zur deutschen Seite nicht funktionierte. Doch sie ließ sich nicht abschrecken, sondern kam ein paar Wochen später wieder und schrieb eine Mail an die Schwestern in Amerika. Diese leiteten ihre Mail ans Ordenshaus in Frankfurt weiter – und Schwester Maria Goetzens antwortete. „Sie lud mich ein, die Schwestern für ein paar Tage zu besuchen und die Gemeinschaft kennenzulernen“, erzählt Susanne Engeländer.

Als sie 2010 ein paar freie Tage hatte, reiste sie nach Frankfurt und hatte keine besonderen Erwartungen im Gepäck. „Für mich war das ein Schuss ins Blaue, aber aufgeregt war ich nicht besonders, die Schwestern kannten ja mich nicht und ich sie nicht.“ Mit Maria Goetzens verabredete sie sich in der Elisabeth Straßenambulanz und lernte die Einrichtung kennen, anschließend verbrachte sie ein verlängertes Wochenende im Gemeinschaftshaus. „Was ich dort erlebt habe, hatte ich erhofft, aber nie geglaubt, zu bekommen“, sagt sie rückblickend. Mit den andere Frauen saß sie zusammen und trank Wein, redete, es gab gemeinsame Gebetszeiten und Unternehmungen. Dass diese keinen Habit trugen, alle weltlichen Jobs nachgingen – das passte für sie zum Gesamtbild.

Aber vor allem passte die Spiritualität der Gemeinschaft: „Wir sind verwundete Heiler im Herzen einer verwundeten Welt.“ Jesus habe während seines Lebens viele unterschiedliche Weisen gehabt, mit Menschen in Beziehung zu treten und seine Botschaft zu verkünden, als Prediger, als armer Bettler und eben auch als Heiler. „Als Missionsärztliche Schwestern folgen wir Jesus, dem verwundeten Heiler, der am Kreuz starb. Jesus, der verzweifelt fragt, wieso Gott ihn verlassen hat und der durch dieses tiefe Leid geht, um dann am dritten Tag aufzuerstehen.“ Jesus sei das Leid heute nicht gleichgültig, er verschwinde nicht, er leide mit, mit der Erde und allen Menschen. „So dürfen wir hoffen, dass Heilung auch heute möglich ist und Jesus auch heute heilt.“ Das Gleiche versuchen die Missionsärztlichen Schwestern auch in ihren diversen Einsatzgebieten - heilend präsent sein, professionell arbeitend, im Wissen um eigene Heilungsbedürftigkeit und Vulnerabilität.

Ein bisschen Unabhängigkeit

In den folgenden zweieinhalb Jahren nach ihrem ersten Besuch im Gemeinschaftshaus lebte und arbeitete Susanne Engeländer weiter in Nordrhein-Westfalen, wurde aber bereits zu vielen Veranstaltungen nach Frankfurt eingeladen und pendelte. Obwohl sie eine starke Anziehung spürte, sei es ihr wichtig gewesen, nach der Ausbildung erst noch ein bisschen unabhängig zu sein, berichtet sie. Sie zog nach Schleswig-Holstein und arbeitete auf einem Hof, auf dem Kinder mit Behinderung ohne Eltern lebten. Die Stelle war auf ein Jahr befristet – und als sie endete, ging die junge Krankenschwester schließlich nach Frankfurt. Dort suchte sie sich einen Job in einem Heim für Kinder mit Behinderung und eine Wohnung in Rödelheim. „In der ersten Phase, dem Postulat, lebt man noch für sich allein, aber ist schon zu den wichtigen Gebetszeiten dabei“, erklärt sie. Diese Phase dient der inneren Prüfung, ob man sich wirklich ein Leben in Gemeinschaft vorstellen kann.

Als sie 2015 mit 27 Jahren ins Gemeinschaftshaus zog, wusste sie: „Ich habe auf eigenen Beinen gestanden und habe nichts verpasst.“ Auf die Zeit des Postulats folgte die Zeit des Noviziats, die zwei Jahre dauert und in der man in Gemeinschaft lebt und durchgehend arbeitet. Ihre erste Profess legte sie 2017 ab. „Seit diesem Moment lebe ich in Armut, Keuschheit und Gehorsam.“ Die anschließende dritte Phase ist die Zeit der zeitlichen Gelübde, die höchstens neun Jahre andauert. Nach acht Jahren – zu denen auch ein zweijähriger Aufenthalt im internationalen Haus der Medical Mission Sisters in Springfield /London gehörte – legte Susanne Engeländer im Juni 2025 in einem Gottesdienst in Heiligkreuz in Bornheim die Ewige Profess ab; mit einem Gelübde, das sie selbst geschrieben hat und mit Texten aus der Heiligen Schrift rund um Pfingsten. Zum Gottesdienst kamen Familie und Freunde, außerdem wurde er live per Zoom übertragen, so dass auch ihre englischen Mitschwestern und andere befreundete Schwestern dabei sein konnten.

Gemeinsame Freude, gemeinsame Trauer

Im Gemeinschaftshaus in der Nordweststadt lebt sie mit vier weiteren Schwestern plus zwei in einem Nachbarhaus, in Bornheim wohnt noch eine weitere Schwester. Die Gruppe trifft sich zum Frühstück und zum Abendessen, beim Mittagessen sind die meisten ausgeflogen, weil sie ihren Berufen nachgehen. Susanne Engeländer arbeitet Schicht im Haus Königsegg in Oberursel, wo sie weiterhin mit Menschen mit Behinderung zu tun hat. An drei Abenden pro Woche gibt es gemeinsame Gebetszeiten, die stets persönlich vorbereitet werden, einmal pro Woche eine Messe im Haus. Die Schwestern feiern einmal pro Monat einen Gottesdienst in Heilig Kreuz in Bornheim, am Wochenende besuchen sie die Messen in der Umgebung. Aber natürlich gehen sie auch mal ins Kino oder „quatschen einfach“. Ganz normal eben.

Mit 37 blickt Susanne Engeländer bereits auf viele Jahre Ordenserfahrung zurück. Es waren gute Jahre. Alltagskonflikte und Alltagsfreuden, gemeinsame Sich-Freuen und gemeinsames Trauern, all das gehört dazu. „Gott will ein Leben in Fülle für uns, und das finde ich hier“, sagt sie.

Die Missionsärztlichen Schwestern

„Ich war Feuer und Flamme, eine Missionarin zu sein, mit einem festen Ziel vor Augen. Ich war entschlossen, Missionsärztin zu werden und etwas zu tun, das nur Frauen für notleidende Frauen tun können.“ Getragen von dieser Vision gründete die Tiroler Ärztin Dr. Anna Dengel im Jahr 1925 die Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern, die Medical Mission Sisters. Heute gehören rund 500 Schwestern und Assoziierte Mitglieder zur Gemeinschaft, die die weltweite Mission leben und das Charisma der Heilung weitertragen. In diesem Jahr feiert der Orden 100-jähriges Bestehen. Weitere Informationen über die Missionsärztlichen Schwestern, ihre Geschichte und ihr Jubiläum hier: https://missionsaerztliche-schwestern.org

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