Wiesbaden
Den typischen Tagesablauf gibt es nicht
„Wir sind hier für alle da“ und „Kein Tag ist wie der andere“ – diese beiden Sätze fallen immer wieder, wenn das vierköpfige Team der Ökumenischen Krankenhausseelsorge in der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden (HSK) von seiner Arbeit berichtet. Pastoralreferentin Miriam Gies und ihre beiden katholischen Kollegen Manuel Gall und Sebastian Schneider sowie die evangelische Diakonin Anette Körber haben die über 30 Stationen und die Ambulanz untereinander aufgeteilt und sind dort für Patientinnen und Patienten, Angehörige und das Personal wichtige Ansprechpersonen.
Anfang Oktober letzten Jahres zog das komplette Krankenhaus mitsamt Patientinnen und Patienten in den benachbarten Neubau. Im Einsatz war auch das Team der Krankenhausseelsorge – zunächst einmal ganz praktisch. „Man konnte sich als Hilfe eintragen. Das Personal war für jede helfende Hand dankbar“, erzählt Miriam Gies, die Nachttische und Infusionsständer ins neue Gebäude geschoben hat. Das hatte den Effekt, dass man das neue Haus rasch kennengelernt habe, berichtet Anette Körber schmunzelnd. Man sei aber auch ganz unkompliziert mit dem gestressten Personal ins Gespräch gekommen, das dankbar für die Unterstützung gewesen sei, so Gies.

Manche wollen nur kurz über Fußball reden
Nach einem knappen halben Jahr im neuen Gebäude hat sich bereits vieles eingespielt. Manuel Gall geht zum Beispiel, wenn er seine Stationen betritt, erst einmal zum Stützpunkt der Pflegekräfte. Hier wird ihm gesagt, wer einen Besuch benötigt; dort erfährt er aber auch von den Problemen und Sorgen des Personals. Ist er dann auf einem Zimmer, braucht der Nachbarpatient oder ein Angehöriger manchmal mehr Hilfe als die Person, zu der er eigentlich geschickt wurde. Die einen wollen nur kurz über die Familie oder Fußball reden, andere sind dankbar für einen längeren Austausch.
Hilfe kann in der Krankenhausseelsorge auch ganz tatkräftig aussehen. Nach dem Suizidversuchs eines 14-jährigen Drogen- und Missbrauchsopfers organisierte Miriam Gies in Abstimmung mit dem Jugendamt ein OP-Team, das nur aus Frauen bestand, Gies ging mit in den OP und begleitete das Mädchen sogar im Anschluss zum Verhör mit dem BKA.
„Da ist jemand, dem Mama und Papa vertrauen“

Viel Verzweiflung erlebt Anette Körber auf der Kinderintensivstation. Die besorgten Väter und Mütter leiden oft unter Schlafmangel, sind traumatisiert. Ärzte und Pflegepersonal haben meistens nur Zeit für medizinische Gespräche. Körber hört zu, spricht mit den Eltern über ihre Ängste und Sorgen und begleitet auch die Eltern, die ihr Kind verlieren, in ihrer Trauer. Bei Operationen von Kindern geht Gies auf Bitte der Eltern manchmal mit in den OP. Den Kindern gebe es Halt, wenn sie wüssten, „da ist jemand, dem Mama und Papa vertrauen“, erzählt die Krankenhausseelsorgerin.
Sebastian Schneider, der unter anderem die Intensivstation betreut, steht oft in engem Kontakt mit den Angehörigen, die er auch nach dem Todesfall des Patienten weiter begleitet. Manchmal werde er sogar gebeten, die Beerdigung zu übernehmen. Schneider ist immer wieder erstaunt, wie viele Gegensätze er in seinem Arbeitsalltag erlebt. „Manche sehen nur das Negative“, so Schneider. Andere wieder nähmen ihr Schicksal an, so wie eine Patientin, die ihm erklärte: „Ich war jetzt 80 Jahre gesund. Jetzt bin ich mal dran mit krank sein.“
Den Umgang mit Sterben und Tod lehren

Für die oft unter Stress stehenden Mitarbeitenden bietet Miriam Gies Fallnachbesprechungen, ein Debriefing, an. „Hätte ich etwas anders machen können?“ „Was wäre, wenn…?“ Solche Fragen kämen immer wieder vor - in der Ärzteschaft und bei den Pflegefachleuten, erzählt Gies. Selbstzweifel führten nicht selten zu Schlaf- und Appetitlosigkeit. Den Einsatz im Nachgang noch einmal durchzugehen, sei wichtig für die Verarbeitung des Geschehenen. Auch in der Pflegeschule kommt das Seelsorgeteam zum Einsatz und lehrt dort den Umgang mit Sterben und Tod. Schneider ist zudem Mitglied in der Ethikkommission. Körber engagiert sich im Sternengarten, der religionsübergreifende Trauerfeiern für fehlgeborene Kinder anbietet und die Eltern in ihrer Trauer begleitet.
Und wie verarbeitet man als Seelsorgerin und Seelsorger belastendende Arbeitstage? „Jeder findet seine Methode“, ist sich das Team einig, das regelmäßig Supervision in Anspruch nimmt. Schneider etwa schreibt seine Gespräche auf, um sie aus dem Kopf zu kriegen und im Krankenhaus zu lassen, wenn er nach Hause geht. Man lerne, sich auf das Jetzt zu konzentrieren, so Körber. Und natürlich helfe es, sich immer wieder im Kreis der Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.