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Bodenseekreis, 07.08.2025

Zwischen Herkunft und Zukunft

Wie lassen sich die Erfahrungen der Vergangenheit nutzen, um den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen? Mit dieser Leitfrage kamen von Sonntag, 27. Juli, bis Samstag, 2. August 2025, Teilnehmende der diesjährigen Sommerakademie auf Schloss Hersberg am Bodensee zusammen.

Die Veranstaltungswoche stand unter dem Titel „Herkunft & Zukunft“ und war Teil der Akademiereihe Koordinaten Europas, die von Martin W. Ramb, Bistum Limburg, und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski, Universität Erfurt, konzipiert wurde.

Die 17 Teilnehmenden aus verschiedenen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Feldern – darunter Philosophie, Biologie, Medizin, Geographie und Theologie, aber auch Lehrerinnen und Lehrer – setzten sich gemeinsam mit anthropologischen, historischen und politischen Perspektiven auseinander. Es gab Raum für persönliche Begegnungen, intellektuellen Austausch und interdisziplinäre Impulse.

Gemeinsames Lernen in vielstimmiger Runde

Die Akademie begann mit einer Einführung und einem ersten Austausch bei gemeinsamem Abendessen. An jedem Morgen leitete ein spiritueller Impuls den Tag ein, bestehend aus Gebet und ausgewählten Texten aus der Enzyklika Fratelli tutti von Papst Franziskus. Bereits der erste Vortrag von Holger Zaborowski lenkte den Blick auf das komplexe Verhältnis von Herkunft und Zukunft: Er sprach von der „eigentümlichen Verwobenheit von Vergangenheit und Zukunft“ und eröffnete Zugänge zu einer anthropologischen Konstante, die tief im menschlichen Selbstverständnis verankert ist.

Der Austausch darüber zog sich durch die Woche und wurde in verschiedenen Formaten weitergeführt. So zeigte ein Beitrag von Prof. Dr. Gabriela Signori, Universität Konstanz, wie eng im Mittelalter Wissen und gesellschaftliche Macht miteinander verknüpft waren. Solche historischen Perspektiven ergänzten die philosophischen, politischen und persönlichen Zugänge und luden dazu ein, über das gegenwärtige Verhältnis von Bildung und Verantwortung nachzudenken.

Konkrete gesellschaftliche Gestaltungsansätze brachte Annika Reifschneider mit ihrem Beitrag über Genossenschaften ein. Sie erläuterte, wie demokratische Teilhabe in wirtschaftlichen Zusammenhängen konkret gelingen kann und machte deutlich, wie solidarische Wirtschaftsmodelle sowohl individuelle als auch kollektive Perspektiven auf Zukunft eröffnen. Eine Weinprobe in der Winzergenossenschaft Hagnau rundete die Überlegungen zu den Potentialen genossenschaftlichen Handelns ab.

Einen weiteren praktischen Akzent setzte Eva-Maria McCormack mit ihrem interaktiven Workshop zur „Hoffnung“. Sie zeigte, dass Hoffnung nicht nur ein innerer Zustand ist, sondern eine handlungsleitende Kraft – mit konkretem politischem und gesellschaftlichem Potenzial. In Gruppenarbeit und Diskussionen wurde deutlich, dass hoffnungsvolles Handeln Verantwortung bedeutet – und dabei keineswegs naiv ist, sondern Ausdruck von Gestaltungskraft und Vertrauen in Veränderbarkeit.

Gespräche, Erinnerungen und neue Perspektiven

Neben dem akademischen Programm bot die Akademie auch viele Gelegenheiten zur Auseinandersetzung mit konkreten Lebens- und Erfahrungswelten. Dazu gehörten eine Lesung und ein Gespräch mit dem Autor Marko Martin, der aus seinem jüngsten Buch Und es geschieht jetzt – Jüdisches Leben nach dem 7. Oktober las. Persönliche Erzählungen jüdischer Freundinnen und Freunde vermittelten einen berührenden Eindruck davon, was der Terroranschlag der Hamas auf Israel für jüdisches Leben in der Gegenwart bedeutet.

Ein weiterer literarischer Akzent wurde durch den Schriftsteller Arnold Stadler gesetzt, der aus einigen seiner Romane las. In seinen poetischen Reflexionen wurde spürbar, wie eng Sprache, Erinnerung und Weltwahrnehmung miteinander verwoben sind. Seine Worte ermöglichten einen neuen Zugang zu der Frage, wie die Herkunft eines Menschen seine Sicht auf die Welt formt – und welche Kraft im Erzählen selbst liegt.

Historische Orte und gemeinschaftliche Erfahrungen

Die Akademie verband Theorie und Praxis, Reflexion und Anschauung: Bei einer Fahrt nach Meßkirch lernten die Teilnehmenden Leben und Denken Martin Heideggers kennen, besuchten das Martin-Heidegger-Museum und sprachen mit dem Bürgermeister über den Ort und dessen Geschichte. Ein Besuch im Campus Galli ließ mittelalterliches Leben erfahrbar werden. Denn dort wird mit den technischen Mitteln des Mittelalters ein großer Klosterkomplex errichtet. Zudem nahm die Gruppe an einer Vesper im Klosters Beuron teil. Einen feierlichen Abschluss fand das Programm durch ein gemeinsames Abendessen im Slow-Food-Restaurant Seegut Zeppelin in Friedrichshafen. „So viele gute Gespräche, philosophische Impulse und spannende Vorträge – für mich ein absolutes Highlight. Ich freue mich sehr, dass ich dabei sein durfte“, sagte Thomas Herrig, Kulturjournalist.

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