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Eibingen, 01.07.2025

Raum für die Ewigkeit

Von Vision und Ausdauer: Ein Festtag im Jahr 1900 im Leben einer jungen Frau - Grundstein für ein bis heute lebendiges Klosterleben in Eibingen

Am 2. Juli 1900 war ganz Rüdesheim auf den Beinen, denn im Weinberg oberhalb von Eibingen wurde der Grundstein für den Bau der Abtei St. Hildegard gelegt. Von hundert Priestern und tausenden Teilnehmenden aus der Umgebung wird berichtet. Unter die Festgemeinde hatte sich auch Katharina Huschke gemischt. Die junge Lehrerin begeisterte sich für die Neugründung des Klosters und trat einen Monat später in die Abtei St. Gabriel in Prag – dem Gründungskloster – ein und zog fünf Jahre später als Schwester Benedikta in die neue Abtei ein.

Im Rahmen ihrer Recherchen zu 125 Jahre Grundsteinlegung stieß Schwester Dr. Klara Antons, die Archivarin der Abtei St. Hildegard, auf einen Augenzeugenbericht von Katharina Huschke, die gegen den Willen ihrer Eltern und erst nach deren Tod ins Kloster eintrat. Die Entschlossenheit und Leidenschaft der jungen Frau, deren Leben so eng mit der Abtei verflochten war, beeindruckten Schwester Klara sehr. Außerdem fand sie vier Artikel und mehrere Briefe, in denen von den Feierlichkeiten, den Ansprachen und der Festpredigt berichtet wird. Nur Bilder gibt es keine.

Auch wenn die Grundsteinlegung in der Krypta unter dem heutigen Chor laut Schwester Klara ein von „Begeisterung erfüllter Tag“ war, gestaltete sich die Neugründung der Abtei nicht ganz so einfach. Zunächst musste ein Grundstück her, denn der Plan, das alte Kloster – dort, wo heute die Wallfahrtskirche steht – zu beleben, wurde schnell aufgegeben. Da sich kurz zuvor beim Bau der Zahnradbahn viele Rüdesheimer und Eibinger beim Verkauf ihrer Grundstücke übervorteilt fühlten, wich man auf die Weinberge oberhalb von Eibingen aus und kaufte nach und nach einige Grundstücke zusammen.

Prozession durch den Weinberg

Die Festpredigt und Reden am Tag der Grundsteinlegung zeigen laut Schwester Klara auf, dass eine Klostergründung auch damals nicht selbstverständlich war. Da war von einer „für unsere Zeit seltene Feier der Grundsteinlegung eines Klosters“ die Rede. Man sage, so Odilo Wolff, Prior der Abtei Emaus in Prag, „diese Nonnen in ihrer Klausur sind ein Luxus geworden, den können wir uns nimmer vergönnen, sie sind ein ´unrentabler Anachronismus`.“ Wolff, der von den Grundmauern der neuen Kirche zu der großen Menge sprach, fügte in seiner Festpredigt jedoch voller Überzeugung hinzu, das Kloster werde „eine Schatzkammer, ein Fruchtspeicher unerschöpflicher Gnaden und Tröstungen […] für das ganze Land“ sein.

Mit einem Festhochamt in der alten Abteikirche (der heutigen Wallfahrtskirche St. Hildegard) begann am 2. Juli 1900 um 9 Uhr der Tag der Grundsteinlegung. Um 14 Uhr zog die große Festgemeinde in einer Prozession den Weinberg hinauf, zu dem Platz der Grundsteinlegung. Im Anschluss führte die Prozession wieder zur alten Abteikirche hinab. Schon fünf Jahre später zogen 15 Schwestern, darunter Katharina Huschke, in die neue Abtei ein. Zwischenzeitlich lebten 115 Schwestern in St. Hildegard, jetzt sind es 30.

Um auch künftig das Klosterleben fortzuführen, aber auch den Platz zu teilen und zu bewahren, wurde kürzlich ein Transformationsprozess angestoßen. Es gehe um die Frage „Wer kann hier mit uns leben?“, sagt Schwester Klara. Für sie ist das Klosterleben ein Lebensentwurf, der Sinn mache und der ganz modern sei. Ein Kloster sei letztlich ein Mehrgenerationenhaus, in dem alle ihre Lebenserfahrung miteinander teilen.

Feier mit Festvortrag

Doch bevor zukunftsweisende Entscheidungen gefällt werden, wird am Samstag, 5. Juli 2025, um 14.30 Uhr zunächst einmal 125 Jahre Grundsteinlegung der Abtei St. Hildegard gefeiert. Wie vor 125 Jahren soll mit Gästen, Freunden und natürlich den Rüdesheimerinnen und Rüdesheimern der Tag begangen werden. Nach einer musikalischen Einstimmung und der Begrüßung durch Äbtissin Katharina Drouvé hält Schwester Dr. Klara Antons den Festvortrag „Grundsteinlegung. Raum für die Ewigkeit“. Beim anschließenden Empfang ist Zeit für Begegnung. Die Feier endet um 17.30 Uhr mit der Vesper in der Abteikirche.

Katharina Huschke blieb übrigens in St. Hildegard, bis sie und ihre Mitschwestern - von den Nationalsozialisten enteignet - im Zweiten Weltkrieg ausgewiesen wurden. Im Exil verstarb sie. Nach dem Krieg überführten die Eibinger Benediktinerinnen ihre sterblichen Überreste zurück in ihre Wahlheimat, wo Schwester Benedikta auf dem Klosterfriedhof bestattet wurde.

Anne Goerlich-Baumann

Redakteurin | Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

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