BONN, 10.06.2021
„Kirche muss sich durch Führungskräfte im positiven Sinne stören lassen“
Die katholische Kirche muss sich nach Worten der Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Schwester Dr. Katharina Ganz, durch Führungskräfte im positiven Sinne stören lassen, um ihre Kultur zu verändern. „Wenn Frauen in einer Institution in Führung kommen, die in Letztverantwortung von geweihten Männern geleitet wird, dann ist das eine produktive Störung,“ sagte die promovierte Pastoraltheologin beim Abschlussseminar von „Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf“, das bis Mittwoch online stattfand. „Frauen in Leitungspositionen verändern die Herangehensweisen und Perspektiven und entwickeln die Institution Kirche weiter. Wenn die Kirche sich nicht von ihnen herausrufen lässt, macht sie sich mit der Zeit überflüssig,“ fügte sie hinzu.
Schwester Katharina betonte, dass es einen „aktiven Aufstand von Frauen“ brauche, „dass wir nicht warten, bis wir generös gebeten werden, Mitverantwortung wahrzunehmen, sondern dass wir uns zunehmend einmischen, gemeinsam auftreten und unsere Stimmen erheben.“ Frauen als ein Teil der Kirche könnten die Verantwortung nicht stets nur nach oben delegieren. Den Frauen, die nun das Mentoring-Programm abgeschlossen haben, wünschte Schwester Katharina, dass sie weiter beibehalten, was sie gelernt haben, und sich vernetzen, verbünden und immer wieder kritisches Feedback einholen.
Vom Toten Punkt zum Wendepunkt
Die Vorsitzende des Hildegardis-Vereins, Professorin Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, bezeichnete das Programm „Kirche im Mentoring“ als einen Hoffnungsort für die Zukunft der Kirche. Mit Bezug auf die Worte von Kardinal Reinhard Marx sagte sie: „Die Lage der Kirche ist im Moment sehr schwierig, wir stehen an einem Toten Punkt, an dem es nicht einfach weiter gehen kann wie bisher. Aber Orte, an denen Menschen den Blick nach vorne richten, um die Zukunft der Kirche zu gestalten, wie das Kloster Oberzell, die Aktion ‚Frauen verkünden das Wort‘ und unser Mentoring-Programm machen mir Mut und geben mir österliche Hoffnung, dass wir einen Wendepunkt für unsere Kirche finden können.“ Beim Mentoring-Programm engagierten sich Frauen, lernten voneinander, würden sichtbar und übernähmen Verantwortung in Leitung – im Sinne der frohen Botschaft. Somit gehe von „Kirche im Mentoring“ ein Aufbruch aus.
Bei der dreitägigen Online-Tagung schlossen 15 Tandems ihr Mentoringjahr ab. Die Absolventinnen stellten ihre Praxis-Projekte vor, die neben den Treffen mit ihren Mentorinnen und Mentoren das Jahr geprägt hatten. Dazu zählen unter anderem eine interkulturelle Roll-Up-Ausstellung zur „Gefahr einer einzigen Geschichte“, eine bundesweite Tagung zu kultursensibler Trauerbegleitung, die Implementierung der Eigentümerverantwortung von Liegenschaften eines Bistums und die Planung kirchlicher Unterstützungsangebote für intersexuelle Menschen. Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken war durch Simon Rüffin vertreten, der das Mentoring-Programm als wichtiges Vorhaben auch in der Diaspora-Regionen würdigte und betonte, dass sich das Hilfswerk aus Überzeugung für das Thema Frauenförderung einsetzt.
Weitere 16 Mentees der Gruppe 5 werden das Programm im September beenden. Die 31 Absolventinnen stammen aus den (Erz-)Bistümern Aachen, Köln, München ( drei Tandems), Augsburg, Eichstätt, Freiburg, Limburg, Paderborn und Trier (je zwei Tandems), Bamberg, Berlin, Dresden-Meißen, Fulda und den Hilfswerken Agiamondo, Misereor, Missio Aachen und Renovabis (jeweils ein Tandem) sowie dem Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ (zwei Tandems).
Insgesamt haben bereits 124 Tandems das Mentoring erfolgreich abgeschlossen; sie stammen aus zwanzig Bistümern, fünf Hilfswerken und vier Caritasverbänden. In den kommenden Monaten starten 36 neue Tandems der Gruppe 6.
„Kirche im Mentoring - Frauen steigen auf“, das Mentoring-Programm zur Steigerung des Anteils von Frauen in Leitungspositionen in der katholischen Kirche, wird vom Hildegards-Verein in Kooperation mit der Deutschen Bischofskonferenz und des Bonifatiuswerks für die deutschen Bistümer durchgeführt. Es zielt darauf ab, Frauen auf Führungspositionen innerhalb der katholischen Kirche vorzubereiten. Das 2016 gestartete Programm will darüber hinaus zu einer geschlechtergerechten Personal- und Organisationsentwicklung beitragen, für den Arbeitsplatz Kirche werben und eine nachhaltige Nachwuchssicherung ermöglichen.