Suchwort eingeben

10.10.2011

Keine Generalprobe beim letzten Gang

In der Welt der Bestattungen gibt es viele Trends

FRANKFURT.- Mit der linken Hand stützt die Frau ihren Rücken, in der rechten hält sie einen Besen, mit dem sie die Grabplatte von Blättern und Schmutz befreit. „Hier liegen meine Schwester und ihr Sohn. Erst ist er gestorben, und ein paar Jahre danach meine Schwester“, erzählt die 75- Jährige. „Es fällt mir nicht leicht, das Grab sauber zu halten. Aber heute wollte ich unbedingt hier hin, selbst wenn ich umfalle. Meine Schwester hat nächste Woche Geburtstag und sie hat es verdient, dass alles sauber ist“, sagt sie energisch und geht wieder in die Knie. Sie erzählt, dass sie regelmäßig ihre Schwester und den Neffen besuchen geht: „Ich bin froh, dass ich weiß, wo die beiden sind. So habe ich einen Ort, an dem ich auch ein paar Worte mit ihnen sprechen kann.“

Einen Ort zum Trauern ? das widerspricht den neuen Bestattungsformen, die auch in Frankfurt angeboten werden: Bei der Weltraumbestattung, Luftbestattung und Gletscherbestattung werden einige Gramm Asche ausgestreut. Bei der Diamantenbestattung gibt es wenigstens etwas zum Anfassen. „Dabei wird ein Teil der menschlichen Asche in einen synthetisch hergestellten Diamanten umgewandelt, der als Erinnerungsstück bleibt“, erzählt Heike Rath vom Bestattungsinstitut Schwind in Frankfurt. Mit bis zu 15.000 Euro müssen die Angehörigen bei diesem Verfahren rechnen. Die 43- Jährige ist gerne Bestatterin: „Ich bin dafür da, den Trauernden ein gutes Gefühl zu geben, plane den Abschied des Verstorbenen und wenn jemand etwas ganz Besonderes möchte, dann find ich das ganz toll. Das zeigt mir, dass sich die Angehörigen Gedanken machen.“

Eine besondere Bestattung ? auch das scheint ein Trend im Beerdigungsgeschäft zu sein. Die Menschen wollen, dass der sprichwörtlich letzte Gang in Erinnerung bleibt. Die Urne oder den Sarg in den Farben der Eintracht und die Fußballhymne in der Trauerhalle, „das ist nicht nur Trend, weil es in England praktiziert wird und die Menschen da ihre Asche im Fußballstation verstreuen lassen, sondern weil die Menschen das hier wünschen“, sagt Rath, etwa für Verstorbene, die für die Eintracht gelebt haben: „Wir gehen auf die Wünsche ein, weil wir nicht wollen, dass die Angehörigen nachher enttäuscht sind. Es gibt keine Generalprobe bei einer Beerdigung, daher sollte alles stimmen.“ Die Wünsche der Trauernden sieht die 43-Jährige als Herausforderung. So auch den Wunsch von den Eltern eines neunjährigen Jungen, der an Leukämie verstorben ist und einen Sarg in Form und in den Farben eines Ferraris haben wollte. „Wir haben diesen Sarg extra anfertigen lassen, weil die Eltern ihm diesen letzten Wunsch erfüllen wollten“, sagt Rath und ergänzt, „viele halten solche Wünsche vielleicht für kurios. Ich nicht. Ich finde emotionslose Angehörige kurios, denen die Beerdigung ganz egal ist ? Hauptsache, es wird billig.“

Hauptsache billig ? gegen diesen Trend versucht auch das Grünflächenamt Frankfurt anzugehen. Seit dem 1. August 2010 dürfen Angehörige, wie in vielen anderen Städten, nicht mehr an der anonymen Bestattung teilnehmen. „Wenn jemand anonym bestattet werden will, dann auch ganz anonym“, sagt Abteilungsleiter Thomas Linne. „Vor dieser Regelung sind die Angehörigen mitgegangen und haben die Rasenfläche mit Blumen abgegrenzt, damit sie wissen, wo der Verstorbene liegt. Aber das ist ja nicht der Sinn.“ Seit der Neuregelung ist die Anzahl der anonymen Beisetzungen in Frankfurt von 693 auf 523 gesunken und die günstige Alternative, das Reihengrab für eine Urne mit Grabplatte von 267 auf 336 gestiegen. „Die meisten Menschen wollen anonym bestattet werden, weil es billig ist und sie niemanden mit der Grabpflege zur Last fallen. Aber das muss nicht sein“, sagt Linne. Das so genannte „ Urnenrasenreihengrab mit Grabplatte“ ist im Jahr nur 3,40 Euro teurer als die anonyme Bestattung. Einmalig kommt allerdings noch eine Grabplatte mit eingraviertem Namen hinzu. „Die liegt etwa bei 400 Euro, aber die Angehörigen wissen, wo sie den Toten finden können“, sagt Linne.

Bestatterin Heike Rath weiß, dass zum Tod auch das Besuchen und Reden gehört. „Ich kläre meine Klienten sehr gründlich über die anonyme Bestattung auf, denn wenn der Angehörige einmal anonym begraben wurde, gibt es kein Zurück.“ Rath erzählt von einem älteren Ehepaar: „Die schwerkranke Frau hat sich von ihren Kindern dazu überreden lassen, anonym beerdigt zu werden, damit sich niemand um die Grabpflege kümmern muss. Auch ihren Mann haben sie überredet zuzustimmen. Jetzt verzweifelt der Hinterbliebene an der Situation, dass er seine Frau nicht besuchen kann.“

Keinem zur Last fallen wollen ? das sieht Pfarrer Joachim Metzner vom Katholischen Zentrum für Trauerseelsorge in St. Michael im Nordend als Trend in der Bestattungskultur und in der Gesellschaft. „Alles muss schnell abgewickelt werden, es darf keine Folgen geben, wie sich um ein Grab zu kümmern“, erklärt Metzner sich diesen Trend. „Viele Menschen beschäftigen sich nicht mit dem Tod. Und wenn sie es tun, dann reden sie nicht mit ihren Angehörigen darüber ? sondern setzen sie einfach vor vollendete Tatsachen“, weiß Metzner. „Dabei brauchen viele Menschen die Grabpflege, um mit der Trauer umgehen zu können. Sie finden die Grabstätte wichtig, um mit dem Verstorbenen zu reden“, erläutert der Pfarrer. Obwohl die Trauer nicht an einem Ort hänge, wüssten die Angehörigen, dass dort der Tote liegt und sprechen mit ihm. „Das ist schon fast eine Glaubensfrage. Die Menschen wissen, dass man sich nicht mehr unterhalten kann, aber im Glauben an ein Leben nach dem Tod muss man sich doch auch unterhalten können - und dann wird dieser Ort sehr wichtig für die Trauernden.“

Zum Anfang der Seite springen