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19.09.2012

Gedenken an einen "stillen Helden"

Bischof Tebartz-van Elst besucht Justizvollzugsanstalt

DIEZ - Ein Zeichen gegen das Vergessen und der Solidarität hat Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Diez gesetzt. Der Bischof von Limburg war dort am Mittwoch, 19. September, im Rahmen der Visitation im katholischen Bezirk Limburg zu Gast. Bei seinem Besuch kam er mit einigen Inhaftierten ins Gespräch und lernte die Anstalt und die katholische Seelsorge in der Einrichtung kennen. Zuvor segnete er feierlich eine neue Gedenktafel ein, die an das Wirken des katholischen Pfarrers Friedrich Kneip (1880 bis 1960) erinnert. Kneip war von 1937 bis 1945 Seelsorger in der JVA Diez. 

„Die Biografie Pfarrer Kneips wird uns heute zur Botschaft“, so Tebartz-van Elst. Das Zeugnis des Seelsorgers helfe, „Unrecht nicht aus dem Blick zu verlieren“ und mache deutlich, zu welchen guten Taten der Glaube befähige. Pfarrer Kneip habe den Menschen, die in großer Bedrängnis lebten, geholfen, Gottes Antlitz zu sehen. Er habe einen Blick für die Nöte der Menschen gehabt und habe ihnen in unwürdigen Zeiten Würde gegeben. „Pfarrer Kneip konnte zuhören, aushalten und trösten. Insofern war er ein Zeuge des Evangeliums“, betonte der Bischof. Der Seelsorger habe den Gefangenen in der Zeit des Dritten Reiches Geleit gegeben und ihnen geholfen, das Kreuz ihres Lebens zu tragen. Er sei für viele ein Weggefährte in kritischen Lebenslagen geworden und habe mitgeholfen, dass sie „ihren Namen behalten haben und nicht zu einer Nummer wurden“.

An das segensreiche Wirken des Gefängnispfarrers erinnerte auch der Historiker Alfred Morlang. Er sieht in der Persönlichkeit des Seelsorgers einen „stillen Helden“ des Widerstandes gegen die Nazi-Diktatur. „Pfarrer Kneip hat viel Unspektakuläres getan und sich im Verborgenen dem Regime widersetzt“, sagte Morlang. Als Seelsorger der Anstalt habe er Unterricht gegeben, Zellenbesuche gemacht, Eucharistie gefeiert und Kranken die heilige Kommunion gebracht oder das Sakrament der Krankensalbung gespendet. Er sei ansprechbar für alle Gefangenen gewesen und habe sich ganz konkret für ihr seelisches und körperliches Wohl eingesetzt. Besonders habe er sich für die Inhaftierten aus Frankreich, Luxemburg und Belgien stark gemacht. „Pfarrer Kneip besorgte den Gefangenen Lebensmittel, baute eine Bibliothek für sie auf und führte Gebetsbücher in ihrer Muttersprache in die Anstalt ein“, erklärte Alfred Morlang. In seinem Engagement musste er sich oft gegen die NS-Anstaltsleitung durchsetzen und sei selbst immer mehr in Lebensgefahr geraten.


Bei der Segnung der Gedenktafel wurde auch 16 katholischer Gefangener aus Luxemburg gedacht, die in ihrer Heimat politischen Widerstand geübt hatten und aus diesem Grund nach ihrer Festnahme zum Tod durch Erschießen verurteilt worden waren. Sieben von ihnen wurden am 19. 
September 1944 durch ein Exekutionskommando in der nahen Kiesgrube hingerichtet, die anderen jungen Männer am 20. und 26. Oktober 1944. 
In der JVA bereitete sie Pfarrer Kneip auf ihren Tod vor, begleitete sie zur Hinrichtungsstätte und sorgte nach ihrer Ermordung dafür, dass jeder von ihnen ein namentliches Einzelgrab erhielt. (StS)

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