15.10.2012
Jung, spontan, tatkräftig
Diese Gemeinschaft ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich: ein Besuch bei den acht jungen polnischen Franziskanern in Kamp-Bornhofen. "Der Jüngste ist 32 Jahre alt, der Älteste 47", sagt Pater Roger Cicholaz, der Guardian des Klosters. Verglichen mit anderen Gemeinschaften handelt es sich um eine geradezu jugendliche Gruppe. Ungewöhnlich ist auch, dass die Männer der Ordensprovinz Krakau angehören: Bornhofen ist eines von drei Franziskanerklöstern in Deutschland, das ganz oder teilweise von polnischen Ordensbrüdern belegt ist.
"Auch in Polen haben die Orden nicht mehr den Zulauf wie in der Vergangenheit, aber es ist nicht so drastisch wie in Deutschland", sagt Erhard Olwert (33). Er ist vor wenigen Tagen zum Priester geweiht worden.
Von Bornhofen aus sind die Franziskaner für die Seelsorge im Pastoralen Raum Mittelrhein mit seinen zehn Pfarreien zuständig. Auch für eine Gemeinschaft mit nun sieben Priestern bedeutet das ein erhebliches Stück Arbeit. Trotz aller Verantwortung für die Pfarreien liegt der Schwerpunkt jedoch etwas anders als bei Weltgeistlichen. "Priorität hat immer unser Ordensleben als Franziskaner. Darunter müssen sich alle anderen Aufgaben unterordnen", unterstreicht Pater Roger. Zum Ordensleben gehört das dreimalige gemeinsame Gebet an jedem Tag. Wichtig ist auch das Kloster als Ort. "Das sind für uns vor allem die drei Dimensionen Hauskapelle, Refektorium und Rekreationsraum, wo wir abends zusammenkommen und ein Resümee des Tages ziehen."
Erst an zweiter Stelle nach der Gemeinschaftspflege kommt die Seelsorge. "Auch sie führen wir in solidum, in Gemeinschaft, aus", erläutert Pater Roger. "Die Gemeinde hat also nicht zu jedem Gottesdienst den gleichen Priester vor sich." Diese Vielfalt beugt aus Sicht des Guardians der Wiederholung vor, die sich zwangsläufig einstelle, wenn ein Priester allein über Jahre hinweg eine Gemeinde betreut.
"Ich denke, die Leute merken uns die franziskanische Spontanität an", sagt Pater Roger. Vielleicht drücke sich darin zugleich die polnische Mentalität aus. "Ich war in Freiburg zusammen mit deutschen und polnischen Mitbrüdern. Die Deutschen haben alles genau geplant. Wenn es für etwas keinen Plan gab, war das für sie schon eine kleine Katas-trophe", erinnert sich Erhard Olwert. Pater Roger sagt es so: "Auch Polen machen Pläne, aber wir fangen mit der Arbeit schon an, auch wenn der Plan erst halb fertig ist."
Mit Ordensleben und Gemeindeseelsorge ist das Arbeitspensum noch nicht erschöpft. Die großen Wallfahrten zum Mariengnadenbild in Bornhofen wollen organisiert werden, zudem bieten die Franziskaner eine tägliche Beichtgelegenheit an. Darüber hinaus sind handwerkliche Aufgaben im und am Klostergebäude, in der Küche und im Garten auszuführen. Dabei bekommt die Gemeinschaft tatkräftige Hilfe von außen, unter anderem durch den "Freundeskreis der Franziskaner im Wallfahrtskloster Bornhofen", der die Ordensleute bei der Gartenarbeit und bei der Organisation von Festen ebenso unterstützt wie bei der Betreuung im benachbarten Pflegeheim Haus Marienberg. Durch die Hilfe des Freundeskreises bleibt ein größeres Zeitbudget für die Gemeindeseelsorge.
Obwohl sie selbst eine junge Gemeinschaft sind, ist den Bornhofener Franziskanern bewusst, dass sich heute nur noch wenige Menschen für ein Leben im Orden entscheiden. "Es gibt heute so viel mehr Angebote für junge Menschen, da bleibt für viele vermeintlich keine Zeit für das kirchliche Leben", nennt Pater Roger einen Grund. Außerdem seien viele Eltern kirchenfremd geworden und lebten früher selbstverständliche Glaubensinhalte nicht mehr vor. "Deshalb ist es zu wenig, nur mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten", betont der Guardian. "Wir müssen stärker in der Erwachsenenbildung werden, damit junge Familien wieder den Glauben praktizieren." Volker Thies