18.01.2013
Ehe und Familie sind kein Auslaufmodell
LIMBURG / BONN - Am 20. Januar begeht die katholische Kirche in Deutschland den traditionellen Familiensonntag. Das Motto lautet dieses Jahr "Alles kommt ins Lot?" Warum da ein Fragezeichen steht und welche Rolle die Kirche in den aktuellen familienpolitischen Debatten spielt, erläutert der Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Dr. Franz Peter Tebartz-van Elst im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA).
KNA: Bischof Tebartz-van Elst, was verbirgt sich hinter dem aktuellen Motto?
Tebartz-van Elst: Ein Lot ist ein altes Maßwerk: ein Gewicht an einem Faden. Es soll Stimmigkeit und Ordnung zum Ausdruck bringen. Familie ist ein Lebensentwurf, der Menschen in eine Stimmigkeit führen will. Familie ist die Keimzelle des Lebens, des Glaubens und der Gesellschaft. Wenn Menschen eine intakte Familie erfahren und auch in schwierigen Zeiten erleben, dass man füreinander da ist, dann wird Leben stimmig.
KNA: Nun endet das Motto mit einem Fragezeichen. Wie schwierig ist es denn für Familien heute, alles ins Lot zu bekommen?
Tebartz-van Elst: Wir erleben tagtäglich, dass das nicht einfach ist. Und deswegen steht das Fragezeichen dahinter. Gerade weil es nicht selbstverständlich ist, alles ins Lot zu bekommen, müssen wir uns als Kirche für Familien einsetzen. Erst recht dort, wo Beziehungen brüchig werden, wo wir es mit schwierigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen zu tun haben. Dort wollen wir dafür sorgen, dass die Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen
KNA: Wie kann denn die Kirche Familien ganz konkret helfen?
Tebartz-van Elst: Das fängt an in den Pfarrgemeinden mit ihren vielfältigen Betreuungsangeboten. Wenn ich in den Gemeinden unterwegs bin, erlebe ich viel Lob und Dankbarkeit für diese Angebote. Etwa für die Krabbelgruppen und Kindergärten. Dann sind die Familienkreise zu nennen, die ja nicht immer leicht zu gründen sind.
Aber die, die es einmal gewagt haben, sich mit anderen Familien zusammenzutun, erleben schnell, wie hilfreich es ist, Fragen des täglichen Lebens und der Kindererziehung miteinander besprechen zu können. Auch in Fragen des Glaubens lohnt es sich, miteinander im Austausch zu sein. Dass sich Familien heute immer seltener als Großfamilie erleben, macht es noch einmal notwendiger, dass es solche Zusammenschlüsse gibt. Und nicht vergessen sollten wir auch die Angebote der katholischen Ehe- und Familienberatung, die ja nicht ohne Grund einen großen Zulauf haben, und das keineswegs nur von Katholiken.
KNA: Was ja auch dazu gehört, ist eine Lobbyarbeit der Kirchen für Familien in die Gesellschaft und in die Politik hinein. Wie erleben Sie in diesem Zusammenhang die Debatte um das Betreuungsgeld?
Tebartz-van Elst: Zunächst einmal erlebe ich hier den Familienbund der Deutschen Katholiken als große Stütze und Hilfe. Die dort Engagierten tragen die Anliegen der Kirche im Blick auf Ehe und Familie in die Tagespolitik hinein. Als Familienbischof bin ich im engen Austausch mit ihnen. Die Debatte um das Betreuungsgeld habe ich als sehr bedauerlich erlebt. Sie war so hoch emotionalisiert, dass kaum noch wahrgenommen wurde, dass das Betreuungsgeld doch dazu da ist, Familien zu unterstützen. Damit ist längst nicht alles erreicht. Das wissen wir. Aber ein wichtiger Anfang ist gemacht. Und es gilt, über dieses Betreuungsgeld einen Bewusstseinswandel in unserer Gesellschaft anzustreben: Familienarbeit ist wertvoll und wird viel zu wenig geachtet. Ehe und Familie sind die Keimzelle unserer Gesellschaft, und wir tun noch längst nicht genug, um Familien in deren Bedeutung zu unterstützen.
KNA: Nun hat man aber den Eindruck, dass Familien heute immer flexibler und mobiler werden müssen, um sich an die Arbeitswelt anzupassen. Müsste es nicht eigentlich umgekehrt sein?
Tebartz-van Elst: In der Tat müsste die Arbeitswelt die Lebenssituation der Familien mehr in den Blick nehmen. Es muss darum gehen, flexiblere Angebote zu schaffen. Wir sind als Kirche selbst Arbeitgeber und müssen alles tun, um unsere Beschäftigungsverhältnisse so zu gestalten, dass sie zu den verschiedenen familiären Situationen passen. Es mag Bereiche geben, wo das leichter geht und solche, wo es schwerer ist. Aber da, wo es möglich ist, sollten wir mehr Differenzierung anstreben.
KNA: Nun verändert sich ja vieles in der Gesellschaft. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, es gibt sogenannte Patchworkfamilien, aber auch die eingetragenen Lebenspartnerschaften zwischen Homosexuellen werden immer mehr akzeptiert. Wie schwer tut sich da die Kirche mit ihrem Modell von Ehe und Familie? Ist das nicht ein Auslaufmodell in unserer Gesellschaft?
Tebartz-van Elst: Nein. Ehe und Familie sind weiß Gott kein Auslaufmodell. Umfrageergebnisse zeigen immer wieder, wie hoch die Sehnsucht gerade junger Menschen nach intakter Ehe und Familie ist. Wir als Kirche vertreten mit unserem Verständnis der Ehe als Sakrament einen Lebensentwurf, der bewusst einen Kontrast bietet zu weiten Teilen der Gesellschaft. Papst Benedikt XVI. hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass heute ein äußerst intoleranter Agnostizismus immer dominanter wird, der mit seinen selbst gesetzten Dogmen keine Infragestellung seiner Meinung zulässt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als Kirche gerade in diesem Zusammenhang unsere Position stärker zur Geltung bringen. Ehe und Familie stellen nach kirchlichem Verständnis einen unverwechselbaren Lebensentwurf darf, der nicht mit anderen gleichgesetzt werden darf.
Die Fragen stellt Gottfried Bohl (KNA)