07.06.2013
"Sprengkraft gelebter Hoffnung"
LIMBURG - Wie und durch was lässt sich menschliches Engagement entzünden? Beispielsweise durch eine Einzelbesinnung zu einem bestimmten Thema, das zu einem wahren Feuerwerk der Sprachakrobatik wird. So gesehen und geschehen am Mittwoch, 5. Juni, bei der Vollversammlung der Gemeindereferenten. Ordinariatsrätin Annette Schleinzer, theologische Referentin des Bischofs Bistum Magdeburg, hielt einen Vortrag zum Thema: "Ermutigung, Gottes Anwesenheit im pastoralen Alltag zu entdecken." Als Vorbild diente ihr die freiheitsliebende und glaubensgebundene Madeleine Delbrêl, über die Schleinzer auch ihre Doktorarbeit geschrieben hat. "Die Liebe ist unsere einzige Aufgabe", heißt das Buch, das eine große Leserschaft anspricht. Auch ohne wissenschaftliche Vorbildung eröffnet es einen glaubwürdigen und eindrucksvollen Zugang zu der 1964 verstorbenen Französin. Darin ein biografischer Werdegang über eine Frau, die sich in ihrem Glauben hat bewegen und berühren lassen. Es reicht nicht, so Schleinzer, zu sagen "Ich glaube!". Vielmehr müsse der Mensch sich vorbehaltlos in die ausgestreckten Arme Gottes begeben und sich mit ihm immer wieder neu herausfordern lassen. "Sehen zu lernen", sei keine mystische Gabe für Einzel"kämpfer" sondern eine Offenbarung für alle Menschen.
An Madeleine Delbrêl faszinierte Schleinzer insbesondere ihren Drang, sich in kleinen Gruppen inmitten der säkularen Welt geistlich und politisch zu engagieren. Zuerst jedoch musste sie einen langen, oft steinigen Weg gehen. Einmal sagte Delbrêl: "Ich glaube an rein gar nichts!" Nach einigen persönlichen Schicksalsschlägen jedoch erfasste sie eine Art "Gottesglück, das sie auf ihrem persönlichen Weg nie wieder loslassen sollte", so Schleinzer. Delbrêl zog ins Arbeitermilieu nach Ivry. Eine atheistisch geprägte Stadt. Dort feierte sie auf kleinstem Raum mit wenigen Christen viele Gottesdienste und durchbrach die Gottesferne mit unterschiedlichsten Aktivitäten. Angetrieben wurde sie dabei von der Dynamik der Liebe zu Gott. So sagte sie von sich selbst: "Ich bin gefunden worden." Ein Satz, der ihr Leben prägte.
So, wie Madeleine Delbrêl könnten sich heutige Christen auf die Begegnung mit Gott immer wieder neu einlassen. Menschen müssten, so Schleinzer, wieder öfter bei Jesus in die Schule gehen. Ungewohnt sei es, absichtslose Güte erfahren zu dürfen. Diese Absichtslosigkeit in der Begegnung fasziniert die Referentin, die frei spricht. Ohne Powerpoint und Vorgaben benennt Schleinzer wie selbstverständlich Gebiete der Liebe und Güte, die für uns Menschen manches Mal weit weg zu sein scheinen. Gemeindereferenten, zu der sie am Ende ihres Vortrages einen Bogen zu spannen suchte, würden in ihrer Arbeit immer wieder auf Blessuren und Missstände stoßen.
Sie würden immer mehr zu Physiotherapeuten, die anderen Christen bei deren eigenen Gehversuchen unterstützten. Um eigenständig gehen zu können, seien manches Mal Jahre von Nöten. Jahre beschwerlichen Trainings, das aber schließlich dazu führe den eigenen Glauben voran zu treiben. Wer heute als Gemeindereferent tätig sei, dürfe nie nur Abbild sein. "Wir sind Originale, keine Kopien", betonte Schleinzer am Ende ihres Vortrages und fügte verschmitzt hinzu: "Tanzt in den Armen von Gottes Gnade. Tanzt und geht mit Gottes Phantasie. Diese ist unerschöpflich!".
Am Ende des einstündigen Vortrages gab es viel Applaus. Applaus für das Lebenszeugnis von Madeleine Delbrêl. Aber auch Applaus für die Darbietung dieses Zeugnisses. Zeugnis gab auch Annette Schleinzer an diesem Mittag. Sie gab mit ihrem geistlichen Vortrag ein Beispiel, wie man Zuhörer in den Bann zieht, ohne anbiedernd zu wirken: Schlicht, aussagekräftig und mit großem spirituellem Einfühlungsvermögen. Ein Vortrag und ein Leben mit "Sprengkraft gelebter Hoffnung". (sFi)