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24.05.2014

Die Perspektive der Armen einnehmen

Pfarrer Arntz als "Interpret der Befreiungstheologie" geehrt

FRANKFURT.- Als „Interpret der lateinamerikanischen Befreiungstheologie“ ist der katholische Pfarrer Norbert Arntz aus Kleve/Niederrhein am Samstag, 24. Mai, im Frankfurter Haus am Dom mit dem Walter-Dirks-Preis 2014 ausgezeichnet worden. Die evangelische Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel (Berlin), Präsidentin des Hilfswerkes Brot für die Welt, würdigte den Preisträger in ihrer Laudatio als überzeugenden Kämpfer für eine „Reform der Kirche im Sinne einer Kirche der Armen“. Der 71-jährige Arntz hat den sogenannten Katakombenpakt ? eine Selbstverpflichtung von 40 Bischöfen kurz vor Ende des II. Vatikanischen Konzils für eine Kirche der Armen ? übersetzt und seit 1965 mit dafür gesorgt, dass dieser Pakt nicht in Vergessenheit gerät. 

Die vom katholischen Bildungszentrum Haus am Dom und dem Haus der Volksarbeit  in Frankfurt eingesetzte unabhängige Jury ehrt mit dem Dirks-Preis, benannt nach dem Publizisten Walter Dirks (1901-1991), Arntz` langjährigen Einsatz für eine Reform der Kirche. Seine „entschiedene Solidarität mit den Armen, der politische Einsatz für Gerechtigkeit und die notwendige Umkehr zu einer Einfachheit in der Amtsführung“ seien wegweisend für die gegenwärtige gesamtkirchliche Aufbruchssituation mit Papst Franziskus wie auch für einen Neuanfang im Bistum Limburg, heißt es im Beschluss der Jury. 

Option der Armen wegen 

Während des Walter-Dirks-Tages, der der abendlichen Preisverleihung vorausging, unterstrich Arntz, die viel beschworene „Option für die Armen“ bedeute keineswegs, „dass die Reichen aus schlechtem Gewissen heraus etwas für die Armen tun sollten“. Arme seien vielmehr ein „Signal, dass diese Gesellschaft nicht human ist“. Es bedürfe deshalb einer „Option der Armen wegen“, denn nur dann könne man die Bedeutung des Evangeliums wirklich begreifen, nämlich als „Herausforderung, die Welt mit den Augen derer zu sehen, die Opfer der herrschenden Verhältnisse sind“.  Denn die Kirche gebe es nur wegen der Armen, „nicht zur Rechtfertigung und Besänftigung religiöser Empfindungen“. Das Einüben in ein „Sehen aus Perspektive der Armen“ aber brauche Mit-Leiden, unterstrich Arntz, auch im Wahrnehmen des eigenen Leidens. 

In der Frage, ob eine Kirche der Armen heute in Frankfurt möglich sei, verwies Peter Rottländer, Leiter der Krisen- und Lebensberatung im von Dirks mitbegründeten Haus der Volksarbeit, darauf, dass „die Armen aus dem Ghetto der Nichtsichtbarkeit und Unbedeutendheit“ befreit werden müssten. „Wer Gott sucht, muss die Armen aufsuchen.“  Eine Kirche für die Armen müsse sie „unmittelbar und strukturell in der Überwindung ihrer Armut unterstützen“. Anwaltschaft für die Armen setze aber eine Grundhaltung voraus, die Arme nicht ausgrenzt, sondern ihnen „offen, interessiert und wertschätzend“ gegenübertritt und die Würde des anderen wie die eigene achtet. 

Preis für unkonventionelle Brückenschläge 

Der Walter-Dirks-Preis ist nach dem bedeutenden Journalisten Walter Dirks (1901?1991) benannt. Ausgezeichnet werden Menschen, die im Geist seines Lebens und Arbeitens unkonventionelle Brückenschläge zwischen Konfessionen, Religionen, gesellschaftlichen Kräften und politischen Gruppierungen und Parteien für soziale Gerechtigkeit gewagt haben. Walter Dirks gilt bis heute als Identifikationsfigur für kritische Minderheiten im deutschen Katholizismus der 50er bis 80er Jahre. Der mit 2.500 Euro dotierte Preis entstammt der Tradition des Frankfurter Sozialkatholizismus und wurde von dem 2008 verstorbenen Pfarrer Franzwalter Nieten 1995 ins Leben gerufen.  Seit 2010 wird die Auszeichnung in Form eines irdenen Hahnes für St. Gallus alle zwei Jahre vom Haus am Dom und dem Haus der Volksarbeit verliehen.  

Der 1943 in Kleve geborene Arntz war nach seinem Theologiestudium und der Priesterweihe von 1983 bis 1990 zu einer „weltkirchlichen Lehrzeit“ beim Volk der Quechua im südlichen Andenhochland Perus. Als Beobachter der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats 2007 in Aparecida lernte er Kardinal Jorge M. Bergoglio kennen, den jetzigen Papst Franziskus, der die Redaktionskommission für die Abfassung des Schlussdokumentes von Aparecida leitete. Norbert Arntz hat zahlreiche Texte ins Deutsche übersetzt, darunter den Katakombenpakt, das Dokument von Aparecida sowie zahlreiche Werke von lateinamerikanischen Befreiungstheologen. (dw) 

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