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16.07.2014

Flüchtlingsthematik brennt auf den Nägeln

Großes Interesse am 21. Forum Sozialpastoral in Naurod

WIESBADEN/Naurod. ? Die Flüchtlingsthematik verträgt keinen Aufschub: Dieses Signal hat das 21. Forum Sozialpastoral schon durch die Verschiebung des gewohnten Herbsttermins auf einen Tag noch vor den Sommerferien gesetzt. Dass das Thema auf großes Interesse stößt und vielen Menschen im Bistum regelrecht „auf den Nägeln brennt“, wie Martin Klaedtke, Dezernat Pastorale Dienste, bei der Begrüßung am  Dienstag, 15. Juli, im Wilhelm-Kempf-Haus sagte, war an der Zahl der rund 90 Teilnehmer ebenso ablesbar wie an der regen Beteiligung den ganzen Tag über. Roter Faden war die allseits gewünschte Willkommenskultur für Flüchtlinge, die zu Neujahr, darauf verwies Torsten Gunnemann, Caritasverband (CV), auch vom Bistum Limburg ganz oben auf die Agenda gesetzt worden ist. 

Über 51 Millionen auf der Flucht

Der Spannungsbogen des Vormittags erstreckte sich von nüchternen und zugleich erschreckenden Zahlen auf der einen Seite bis hin zu einer theologisch und aus der Bibel begründeten Handlungsaufforderung des Pastoraltheologen Prof. Michael Sievernich auf der anderen Seite. Über 51 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, davon die Hälfte Kinder. Neun von zehn Flüchtlingen leben in Entwicklungsländern, rund 1,1 Millionen stellen einen Asylantrag, davon rund 109.600 in Deutschland und 9000 in Hessen. Im  Bistum Limburg hat sich von 2010 bis 2013 die Zahl der ankommenden Asylbewerber auf 3093 verdreifacht, während gleichzeitig von Seiten der Kirche keine explizite  Flüchtlingsberatungsstelle mehr existiert, informierte Merhawita Desta, Referentin für Migration und Sozialrecht (CV). 

Integration von Anfang an

Für sie und für Bezirksreferent Günter Adam, der die abstrakten Zahlen um die konkreten Erfahrungen vor Ort ergänzte, ergeben sich aus der skizzierten Situation eine Reihe von Forderungen, insbesondere die nach einer Integration von Anfang an mit dem Zugang zu Deutschkursen, der Unterbringung mitten im Sozialraum, der Unterstützung bei den anfallenden juristischen Fragen mit Fristen und drohender Abschiebung und bei der Familienzusammenführung. Selbst mit Aufenthaltserlaubnis sei es völlig unmöglich, ohne Hilfe eine bezahlbare Wohnung zu finden, sagte Adam. Er hoffe da auf das Bistum, auch im Blick auf den Bau neuer Wohnungen. Auch Gemeindehäuser, die nicht mehr gebraucht würden, könnten als Unterbringungsmöglichkeiten in Frage kommen.  

Respekt gegenüber den Grundrechten

Der Begriff „Willkommenskultur“ greife ihm zu kurz, sagte in der Aussprache im Plenum der Leiter der Abteilung Weltkirche, Winfried Montz. Es gehe um mehr als das, nämlich darum, den Respekt gegenüber den Grundrechten, dem Recht auf Wohnung, Arbeit, Bildung, einzufordern. Daran schloss der Beitrag von Prof. Sievernich an, der die „Anerkennung der Würde der Flüchtlinge“ als Kern der Aufgabe nannte, die durch gute theologische und ethische Gründe aus der Bibel heraus begründbar sei. An dieser Kultur der Aufnahme sollten möglichst viele Gemeindemitglieder mitwirken, sagte er, und ermutigte zu einem Perspektivwechsel: Der fremde Andere sei eben nicht nur Last, sondern auch geistige Ressource. Auch die religiöse Dimension der Flüchtlinge müsse beachtet werden, so Prof. Sievernich, der in diesem Zusammenhang die Entwicklung der muttersprachlichen Gemeinden als „gelungene Integrationsgeschichte“ würdigte. 

Mehr hauptamtliche Unterstützung

Mehr professionelle Hilfe und hauptamtliche Unterstützung für die in der Flüchtlingsarbeit engagierten Ehrenamtlichen ? diese Forderung war am Nachmittag ebenso in den verschiedenen Workshops zu hören wie ein Appell an die Politik, sich noch stärker einzubringen. Vor welche Herausforderungen die ankommenden Flüchtlinge eine muttersprachliche Gemeinde stellen können, berichtete Dr. Aklilu Ghirmai, Gemeinderat in der katholischen eritreischen Gemeinde in Frankfurt. Geflüchtete Eritreer finden hier eine erste Anlaufstelle, rund einhundert werden derzeit in einem eigens ins Leben gerufenen Patenprojekt von Gemeindemitgliedern betreut.  

Mit Flüchtlinge in Kontakt kommen

In einer anderen Gruppe führte unter anderem die siebzehnjährige Ifrah Mohamed eindringlich vor Augen, was es bedeutet, ein Flüchtling zu sein. Sie war 2001 mit ihrer damals hochschwangeren Mutter und vier Geschwistern aus Somalia in Deutschland angekommen. Auf die mehrfach geäußerte Frage, wie man denn in Kontakt komme mit Betroffenen, war die Botschaft hier eindeutig: „Man kann nichts falsch machen“, so Gemeindereferentin Ursula Müller: „Schlimmer ist, wenn man nichts macht.“ (rei)

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