14.02.2014
Kleiner Turm mit großer Wirkung
FRANKFURT. - Der helle, reine Klang einer Glocke - wer sich nach ihm richten, gar seiner Zeiten Lauf nach ihm festlegen will, darf sich freuen. An Heiligabend schwang die Glocke in der Lange Straße am Rande der Frankfurter Innenstadt zum ersten Mal wieder auf. Seither ertönt sie wieder frohen Schalles, ruft zur Versammlung und zum gemeinsamen Gebet, beim Mittagsläuten zum Essen und Abendläuten zur Gemeinschaft.
Die Glocke, sie ordnet Zeit, Gebet, Arbeit und Muße. Und sie dient als Zeichen des Abschieds, wenn der Tod einzieht, die Pietät für den letzten Transport sorgt. Dann bringt sie Himmel und Menschen einander näher. Die Rede ist von der Sankt Josefsglocke, die die Herzen der Schwestern und Bewohner des Schervier-Altenheims in Frankfurt höher schlagen lässt. Am Freitag, 14. Februar, weihten Kapuzinerbruder Paulus Terwitte vom Citykloster Liebfrauen und der frühere Frankfurter Stadtdekan Klaus Greef den neuen Glockenturm ein. "Ein besonderes Ereignis. Der Bau des Turmes war von vielen Höhen und Tiefen gekennzeichnet und glich einem Märchen, das ein gutes Ende fand", versicherte Schwester Luciosa Benz, Oberin der Franziskanerinnen im Schervier-Altenheim, bei dem Festakt, zu dem rund 100 Gäste in die Lange Straße gekommen waren.
Spenden, Gesetzesdschungel, Bauvorhaben
Die Franziskanerin erzählt von dem wagemutigen Unternehmen "Glockenturm für Schervier": "Eine alte Glocke aus dem Jahr 1956 sollte in neuem Gewand erscheinen; ein kleiner Turm mit großer Wirkung gebaut werden." Zunächst galt es die Hürden der Finanzierung zu meistern. Mit Hilfe von Spenden konnten knapp 85.000 Euro aufgebracht werden. Parallel dazu wurde bei der Stadt Frankfurt die Ausnahmegenehmigung für die Errichtung des Glockenturms im Einzugsbereich des sogenannten "Wallservitus" beantragt. Denn ein geeigneter Platz für den Glockenturm fand sich nur an der Wallanlage, wo er gemäß der strengen Wallservitut, die den Grüngürtel um die Innenstadt schützt, aber nur als "untergeordnete Nebenanlage" zulässig ist.
"Magistrat, Ortsbeirat und schließlich die Stadtverordnetenversammlung im Römer - alle wurden integriert, niemand ungefragt gelassen." Schließlich hatten die Schwestern Erfolg beim Kampf durch den "Gesetzesdschungel" und ihr Projekt wurde genehmigt. Nach Erteilung der Baugenehmigung und mit ausreichend verfügbaren Finanzmitteln konnten die Bauarbeiten im November 2013 beginnen. Planungs-, Vermessungs-, Erd- und Fundamentarbeiten - als all´ das abgeschlossen war, kam es zum großen Showdown. "Vom Märchen zum Krimi", wie Johannes Graf von der Firma Züblin nicht ohne Schmunzeln im Interview mit Bruder Paulus eingesteht. Der Turm musste aus Holzfertigteilen - vier an der Zahl - in einer Nacht- und Nebelaktion durch den Hinterhof transportiert werden. "Nur in der Zeit zwischen 1 Uhr und 4.20 Uhr morgens, als keine Straßenbahnen fuhren, konnten die Teile geliefert werden. Drei Minuten später und das Projekt wäre geplatzt. Da fuhr die erste Bahn wieder", erinnert sich Graf.
Eine Glocke, die "stört"
Die Glocke ertönt nun wieder. Der Turm, er steht. Ihr Klangkörper schwingt und mit ihm treu der Zeiten Lauf: In Arbeit, Gebet und Zeiten der Muße. Gottesdienstzeiten klingen an. Die Glocke ruft die Menschen zusammen, sie läutet, um Abschiede von Bewohnern zu begleiten und sie klingt auch an Festtagen wie dem Großen Frankfurter Stadtgeläut der Innenstadtkirchen. Und die Glocke stört. Bruder Paulus bringt es bei der Segnung auf den Punkt: "Wir machen Pause, halten inne, stoppen für kurze Zeit Telefonate, hören auf zu funktionieren. Die Glocke läutet und bestenfalls denken wir nach. Zum Mensch-Sein gehört es, herausgerissen zu werden. Der neue Glockenturm gibt der Glocke ihre Bestimmung zurück: Ein Bindeglied zwischen Mensch und Himmel." (SFi)