12.05.2014
Tief bewegt vor der Apostelreliquie
FRANKFURT.- Durch den Frankfurter Kaiserdom hallen volltönende orthodoxe Gesänge, vor der Kirche drängen sich Fotografen, Filmteams und Gläubige in großer Zahl: Hoher Besuch hat sich an diesem Montag, 12. Mai, in Frankfurt angesagt. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Erzbischof Bartholomaios, geistliches Oberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit, ist auf Deutschlandbesuch. Und sein dringendster Wunsch, so ist aus seiner Umgebung zu hören, war es, im Dom St. Bartholomäus die Reliquie seines Namenspatrons, des Apostels Bartholomäus, zu verehren. In Frankfurt erwarten Oberbürgermeister Peter Feldmann, Kirchendezernent Uwe Becker, der Weihbischof von Limburg, Thomas Löhr, und Stadtdekan Johannes zu Eltz den hohen Gast.
Der Frankfurter Kaiserdom trägt den Namen des Märtyrers und Apostels, dessen Schädeldecke dort seit rund 800 Jahren als Reliquie aufbewahrt und verehrt wird. Sie wird nur einmal im Jahr zum Bartholomäusfest Ende August gezeigt. Heute allerdings wurde sie aus dem sakramentshaus geholt und auf dem Altar platziert. „Tief bewegt“ zeigt sich der Patriarch, dass er hier nun die vergoldete Hirnschale küssen darf, die Stadtdekan zu Eltz eigens für ihn aus dem kostbaren Behältnis hebt.
Apostelreliquie im Bartholomäusdom
Mit der Apostelreliquie steht Frankfurt in einer Reihe mit so berühmten Wallfahrtsorten wie Santiago de Compostela, wo der Heilige Jakobus ruht, oder Rom, wo das Grab des Heiligen Petrus zu finden ist. Denn Reliquien von Aposteln, den zwölf Jüngern, die vor rund 2000 Jahren mit Jesus durch das Heilige Land zogen, sind äußerst selten.
Patriarch Bartholomaios hält sich vom 10. bis 19. Mai in Deutschland auf. Anlass seines Besuches ist das 50-jährige Bestehen der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland. Dabei wird er auch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zusammentreffen. Auf dem Programm stehen außerdem Gespräche mit Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Kanzlerin Angela Merkel. Am 25. Mai wird Patriarch Bartholomaios mit Papst Franziskus in der Jerusalemer Grabeskirche einen Vespergottesdienst feiern. Dieser erinnert an die historische Begegnung von Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI. vor 50 Jahren in Jerusalem.
Als Dimitrios Archondonis wurde Bartholomaios I. 1940 auf der Ägäis-Insel Imbros geboren, die trotz ihrer rein christlich-griechischen Bevölkerung 1923 aus strategischen Gründen zur Türkei geschlagen worden war. Nur wenige orthodoxe Christen verblieben nach dem Ersten Weltkrieg in der Türkei. Rund eine Million Christen wurden 1923 aus Anatolien nach Griechenland umgesiedelt; es blieben etwa 100.000 Orthodoxe in Istanbul und auf den türkischen Inseln. Ausschreitungen, Auswanderungen und Ausweisungen hatten diese Minderheit weiter dezimiert, als Bartholomaios zum Priester geweiht wurde.
Türkisches Priesterseminar seit 1971 geschlossen
Bartholomaios absolvierte noch das traditionsreiche Priesterseminar auf der Insel Chalki vor Istanbul. 1971 ordnete Ankara die Schließung des Seminars an. Wie islamische Imame vom Staat ausgebildet, besoldet und kontrolliert würden, so müsse auch die christliche Theologie dem Staat unterstehen, verlangt die Türkei bis heute. Weil die Kirche ihren Klerus nicht vom muslimischen Staat ausbilden lassen will, gibt es keinen türkischen Klerikernachwuchs.
Als Bartholomaios 1991 zum Patriarchen gewählt wurde, durfte auf Chalki schon seit 20 Jahren nicht mehr ausgebildet werden. Wenn das Priesterseminar nicht bald wieder öffnen darf, dürfte es in wenigen Jahren keinen orthodoxen Klerus mehr für die 2.000 bis 3.000 orthodoxen Christen in der Türkei geben. Mitglieder der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte protestieren deshalb vor dem Kaiserdom und fordern auf Plakaten die Wiedereröffnung des Seminars und gleiche Rechte für Minderheiten.
Annäherung zwischen Orthodoxie und Katholizismus
Patriarch Bartholomaios I. ist der geistliche Führer von mehr als 300 Millionen orthodoxen Christen auf der ganzen Welt unbeschadet nationaler und ethnischer Grenzen. Der 74-jährige Bartholomaios I. ist der 270. Erzbischof in der 2000-jährigen Geschichte der Kirche, die vom Apostel Andreas im Jahre 36 in Byzanz gegründet wurde. Er setzt sich für eine Annäherung zwischen Orthodoxie und Katholizismus ein. Die Kirchen hatten sich vor knapp 1.000 Jahren im Streit getrennt. Mit dem inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI. (2005-2013), der ihn 2006 in Istanbul besuchte, sorgte der Patriarch für eine Wiederaufnahme der Einigungsgespräche, die jahrzehntelang brach gelegen hatten. Seine Initiativen für mehr religiöse Toleranz und sein ökologischer Einsatz für den Schutz der Schöpfung haben ihm weltweit Achtung und Anerkennung gebracht. (dw)
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