23.12.2015
Das Kind klopft an!
LIMBURG.- Weihbischof Manfred Grothe, der Apostolische Administrator im Bistum Limburg, plädiert in seiner Weihnachtspredigt für eine neue Sicht auf das menschliche Leben. Es gelte das Verhältnis zum Leben neu zu überprüfen und bereit zu sein, es nicht nur für die eigenen Belange zu vereinnahmen. Es müsse aufhören, das Leben nur als die kurze Chance anzusehen, etwas aus den Möglichkeiten der Geschichte herauszuschöpfen. "Wir müssten das Leben wieder als ein Geschenk begreifen, dass wir für andere leben und einsetzen", sagte Grothe an Weihnachten im Hohen Dom zu Limburg.
Für den 76-Jährigen ist die Herbergssuche das Urmotiv von Weihnachten. Gott ist Mensch geworden. Als Kind kam er in die Welt. Ein Kind sei angewiesen auf seine Mutter, angewiesen auf die bergende Liebe des Menschen. "Gott wollte ein Angewiesener sein", betonte Grothe. Eine solche Sicht auf Weihnachten habe nichts mit Sentimentalität zu tun, sondern sei für den Glauben der Bibel und der Kirche wichtig. Das Kind klopfe an die Tür. Mit Recht werde immer wieder beklagt, dass die Gesellschaft kinderfern oder kindvergessen geworden ist. "Das Kind wird oft als ein Problem angesehen, das man vermeiden muss", so der Apostolische Administrator. Kinder würden oft als Konkurrent der Freiheit und einer erfolgreichen Zukunft gesehen. Dieses Denken greife jedoch zu kurz. Gott schenke dem Menschen Freiheit. Er trage den Menschen und berufe ihn immer wieder neu zu Liebe, Vertrauen und Hingabe.
Erschreckender Absturz an Menschlichkeit
Grothe blickte in seiner Predigt auch auf die Situation der Flüchtlinge. "Wir haben in den vergangenen Monaten erschütternde Bilder von Flüchtlingen und Flüchtlingskatastrophen gesehen und auch einen erschreckenden Absturz der Menschlichkeit erlebt", sagte Weihbischof Grothe. Gottlob hätten sich viele Menschen und viele Völker damit nicht einfach abgefunden. Viele hätten mit angepackt und gehalten. Sie hätten die Tür ein Stück weit aufgemacht für die Ausgestoßenen und Verfolgten. In der Pluralität der Meinungen sei dies nicht mehr selbstverständlich, wenngleich doch so nötig.
Der Administrator blickte auf die Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Millionen von Heimatvertriebenen und Rückkehrern seien ins Land gekommen. Auch damals habe es Murren gegeben, aber schließlich seien doch die Türen aufgetan worden. "Wir wissen heute, dass die nicht Recht hatten, die grundsätzlich in dem anderen den Konkurrenten gesehen haben, der den Lebensraum wegnimmt oder destabilisiert", so Grothe. Er könne die Frage nicht beantworten, ob Deutschland eine Million Menschen aufnehmen kann oder nicht und er beneide die Politiker nicht darum, täglich mit dieser Frage umgehen zu müssen. Es gelte jedoch die Verantwortlichen zu ermutigen, umsichtig, weitsichtig und geduldig nach der richtigen Antwort zu suchen.
Dort, wo der Mensch aufgenommen und angenommen werde, entfalte sich die Kraft des Schöpfertums, der Hoffnung und der Liebe. Wo der Mensch abgewiesen werde, entstehe eine Vergiftung von weitreichender Kraft. "Wir sehen, wie dieser Giftherd nicht nur den Nahen Osten aufwühlt und bis an die Wurzeln bedroht, sondern die ganze Welt in Frage stellt", sagte Grothe. Es wäre eine bittere Situation, wenn das mit Wohlstand beschenkte Deutschland zu schnell sage, es gebe keinen Platz mehr für Menschen in Not.
Die Weihnachtspredigt im Wortlaut gibt es <link file:104246>hier. (StS)