18.02.2015
Der Urtyp eines Daches
WERSCHAU - "Diese verhältnismäßig einfache Konstruktion hielt rund 800 Jahre ohne Verstärkung", sagt Diözesankonservator Prof. Dr. Matthias Kloft mit Blick auf die mittelalterlichen Holzbalken in der Berger Kirche von Werschau. Bei der Vorbereitung einer Dachsanierung erschienen den Mitarbeitern des Bauamtes die Dachsparren und die Deckenbalken sehr alt. Durch eine genauere Untersuchung des Bauhistorikers Dr. Hans-Hermann Reck, mitfinanziert vom Landesamt für Denkmalpflege, stellte sich heraus: Das Holz stammt von 1160 und wurde auch zu diesem Zeitpunkt verbaut. Damit ist das Dach eines der ältesten erhaltenen - und funktionstüchtigen - Dächer in Hessen und deutschlandweit.
"Wir können mit der Dendrochronologie-Methode auf das Jahr genau sagen, wann das Holz geschlagen wurde. Und da es sich hier um Eiche handelt, muss es auch unmittelbar verbaut worden sein. Abgelagerte Eiche lässt sich kaum noch bearbeiten", so der Fachmann. Die Dendrochronologie ist eine Datierungsmethode, bei der die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden. "Bei allen Bäumen in einer Klimazone haben wir in etwa die gleichen Jahresringe. Daher kann man anhand einer Probebohrung bestimmen, wann ein Baum geschlagen wurde", erklärt Reck.
Das Dach ist als Sparrendach konstruiert. Hintereinander gestaffelte Paare von Sparren bilden die Dachkonstruktion. Ein weiterer Balken in Bodenhöhe verbindet die Sparren zu einem Dreieck. "Diese Dreiecke wurden quasi in Serie gefertigt. Die Arbeiter im Mittelalter hatten ja die Breite, die das Dach haben muss, also haben sie einfach eine Konstruktion gemacht und immer wieder als Vorlage benutzt, um nicht jedes Teil einzeln anpassen zu müssen - die Spuren dafür sind eindeutig." Acht dieser Dreiecke sind noch erhalten, einige weitere gingen beim Bau des Turms im 18. Jahrhundert verloren. In diese Zeit fällt auch die Verstärkung des alten Dachstuhls durch Querbalken.
Diese Konstruktion ist sozusagen der Urtyp eines Daches. Bisher konnten sich Fachleute kaum vorstellen, dass ein solches Dach jemals in so einfacher Form gebaut wurde - und vor allem nicht, dass es von der Zeit Kaiser Barbarossas (1152-1190) bis heute überdauert.
"Wir haben nun eine detaillierte Bauaufnahme beschlossen, die nach Ostern fertig ist. Dann wird entschieden, wie die Bausubstanz erhalten bleiben kann. Wir wollen nicht, dass durch Sanierungen Schäden entstehen. Der Freundeskreis Berger Kirche hat hier jahrelang viel Arbeit in den Erhalt der Kirche investiert", sagt Kloft. Der Freundeskreis unterstützt die Bauaufnahme auch finanziell, er trägt zehn Prozent der Kosten, den Rest übernimmt das Bistum Limburg.
Die Berger Kirche gehörte zur Grundausstattung des ab 910 von Graf Konrad Kurzbold gegründeten Georgsstiftes. Obwohl der Ort Bergen im Spätmittelalter aufgegeben wurde, blieb die Kirche erhalten und wurde zur Pfarrkirche des Ortes Werschau. Inzwischen steht sie unter Denkmalschutz. (hm)
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