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10.07.2015

Für nachhaltige Willkommensstrukturen

22. Forum Sozialpastoral verabschiedet Erklärung

WIESBADEN/NAUROD. - "Wir müssen sehen, was wir von diesen Menschen lernen können, nicht nur, was wir geben müssen. Auch für unseren Glauben", begrüßte Domkapitular Wolfgang Rösch die Teilnehmer beim 22. Forum Sozialpastoral am Donnerstag, 9. Juli, im Wilhelm-Kempf-Haus. Rund 130 haupt- und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Engagierte waren auf Einladung des Bistums Limburg und des Caritasverbandes für die Diözese Limburg zusammengekommen, um darüber zu diskutieren, wie "Flucht verändert".
In Workshops und im Plenum diskutierten und ergänzten die Teilnehmer die gemeinsame Erklärung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Diözesanversammlung des Bistums Limburg vom 13. Juni. Mit dem Gottesdienst, gefeiert von Weihbischof Dr. Thomas Löhr, um 16 Uhr endete das Forum.

Fluchterfahrung und psychologische Fallbeispiele

"Im vergangenen Jahr haben wir uns damit befasst, wie wir Flüchtlinge willkommen heißen können", so Torsten Gunnemann, Geschäftsbereichsleiter im Diözesancaritasverband. Nun stand die Frage im Fokus, wie Flucht die Menschen verändert. Welche traumatischen Erlebnisse sie hatten, schilderten Betroffene aus Eritrea und Syrien.
"Sieben Monate lang konnte ich das Haus nicht verlassen. Das war schwer, aber ich hatte keine andere Möglichkeit", berichtete Samuel Ebaye, der 2013 vor dem Bürgerkrieg und den Religionskonflikten in seiner Heimat Eritrea geflüchtet ist. Über den Sudan gelangte er in einem kleinen Boot nach Sizilien. "Italien war nicht gut", berichtete er zögernd - viele Flüchtlinge seien hier obdachlos, campieren unter Brücken und würden unzureichend versorgt. Daher sei er nach Deutschland gekommen - und sollte wieder nach Italien rückgeführt werden, da er dort zuerst den europäischen Kontinent erreichte. Als seine Abschiebung unmittelbar bevorstand, ging er für sieben Monate in Eppstein ins Kirchenasyl. Inzwischen ist er anerkannter Flüchtling und hat das Aufenthaltsrecht.

Von seiner Arbeit mit jugendlichen Flüchtlingen berichtete Klaus-Dieter Grothe. Seit bereits 20 Jahren behandelt der Kinder- und Jugendpsychologe Flüchtlinge, inzwischen vor allem "UmF", wie es im Behördendeutsch heißt - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Oftmals bestehe ein hoher Therapiebedarf bei den Jugendlichen: "Es wird gerne vergessen, dass in fast allen Kriegen Jugendliche zwangsrekrutiert werden, seit einiger Zeit wieder vermehrt in Afghanistan."
Viele der jungen Menschen wären durch physische oder sexuelle Gewalt oder die Ermordung der Eltern stark traumatisiert, aber auch durch die Flucht selbst, so Grothe. "Diese jungen Menschen haben den Tod anderer hautnah erlebt oder sind dem eigenen Tod zum Teil nur knapp entkommen", berichtet er aus seiner Praxiserfahrung. Es sei daher wichtig, den jungen Menschen hier ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, um diese Traumata zu bekämpfen.

Flüchtlingsarbeit als verbindender Faktor

Annegret Huchler, Bistumsbeauftragte für die Flüchtlingsarbeit, präsentierte die Initiativen, die das Bistum seit 2013 unternommen hat. So sei nicht nur vermehrt kirchlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt - zuletzt das Gästehaus der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen -, sondern auch der Fonds "Partnerschaft mit Flüchtlingen" um 150.000 Euro aufgestockt worden. Ehrenamts-Initiativen und Integrationsprojekte können Zuschüsse aus diesem Fonds bei Huchler beantragen.

Es sei wichtig, dass inzwischen alle vom Bistum finanzierten Stellen für Flüchtlingsberatung und Ehrenamtskoordinierung bei den Caritasverbänden besetzt seien, so Huchler. Auch in die Qualifizierung und Fortbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen habe das Bistum noch einmal 80.000 Euro investiert. Bei ihren Besuchen im Bistum stelle sie fest, dass durch die Flüchtlingsarbeit auch neue Beziehungen in der Kirche entstünden: "Es gibt Menschen, die sagen: Mit Kirche habe ich nichts am Hut, aber ich möchte helfen. So bekommen auch diese Menschen wieder Anschluss an die Gemeinde."

Nachhaltige Willkommensstrukturen schaffen

Im gemeinsamen Gespräch überarbeiteten die Teilnehmer die Erklärung von EKHN und Diözesanversammlung. Die "Willkommenskultur" müsse, so die Teilnehmer, durch nachhaltige "Willkommensstrukturen" gestützt werden. Unnötige bürokratische Hindernisse gäbe es für Asylbewerber beispielsweise beim Zugang zu Sprachkursen. Denn die vom Bund geförderten Integrationskurse stehen nur für Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltstitel offen. Gerade dieser Status sei jedoch für Menschen aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern" - dazu zählen auch Ghana und Senegal - nur schwer zu erlangen.

Ein weiterer wichtiger Punkt war den Teilnehmern die bessere Vernetzung mit der Bundesagentur für Arbeit sowie die Anerkennung von in der Heimat der Flüchtlinge erworbenen Abschlüssen. Auch bedürfe es eines Gesamtkonzeptes für die Aufnahme, Unterbringung und Begleitung der Flüchtlinge - in Kooperation mit den Kirchen, Landkreisen und ehrenamtlichen Initiativen. Zu diesem Gesamtkonzept müsse auch die schulische und berufliche Qualifikation zählen. "Ohne Sicherheit, ohne Arbeit, ohne Zukunft sind alle Bemühungen zum Scheitern verurteilt", hielt Klaus-Dieter Grothe fest. (hm)

Hintergrund: Das 22. Forum Sozialpastoral wurde vorbereitet vom Dezernat Pastorale Dienste im Bischöflichen Ordinariat, dem Diözesancaritasverband Limburg, dem Bezirkscaritasverband Limburg, dem Referat Sozialpastoral der Stadtkirche Frankfurt und dem Katholischen Bezirksbüro Main-Taunus.

 

Die Erklärung des 22. Forums Sozialpastoral finden Sie <link file:72099>hier.

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