12.03.2015
Was bedeutet Toleranz?
LIMBURG -Wo liegt der Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz? Und muss man Intoleranz tolerieren? Wie offen ist die Gesellschaft gegenüber Menschen, die anders leben? Zu diesen Fragen haben Vertreter aus Religion und Politik gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Marienschule am Mittwoch, 11. März, diskutiert. Die Schülerinnen und Schüler der achten und neunten Klasse konnten dabei ihre Fragen und Anregungen per Twitter oder Facebook live auf das Podium übertragen.
"Toleranz muss mehr sein als nur ertragen, was es wörtlich übersetzt heißt. Nicht nur dulden, sondern akzeptieren", eröffnete Bundestagsmitglied Omid Nouripour die Diskussionsrunde. Viktoria Kamens (Jusos) stellte auf Nachfrage einer Schülerin dar, wo für sie der Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz liegt: "Akzeptanz ist die Folgehandlung aus Toleranz, also die aktive Handlung." Sie hielt aber auch fest, dass die Grenzen der Toleranz da lägen, wo anderen eine Meinung aufgezwungen und die persönliche Freiheit eingegrenzt würde.
Konkrete Nachfragen
Den Veranstaltern - BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) und KjG (Katholische junge Gemeinde) Limburg - war es wichtig, Gäste aus möglichst vielen politischen und religiösen Gruppen einzuladen: Daher diskutierten der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour (B90/Grüne), Dr. Marius Hahn (Bürgermeisterkandidat der SPD für die Wahl in Limburg), Dr. Christopher Dietz (Vorsitzender der Limburger CDU-Stadtverordnetenfraktion), Michael Egenolf (Junge Union Limburg-Weilburg), Viktoria Kamens (Jusos Limburg-Weilburg), Okan Karasu (Mitglied der Linksjugend ´solid), Kaplan Michael Löw (Priester im pastoralen Raum Hadamar und der Jugendkirche CROSSOVER) sowie Annika Mehmeti (Vorstandsmitglied des Liberal-Islamischen Bundes).
Die Schüler interessierten sich besonders dafür, wie tolerant denn die katholische Kirche sei, wenn sie gleichgeschlechtliche Paare von der Ehe ausschließe? "Das Sakrament der Ehe ist nun einmal darauf ausgelegt, dass eine Ehe Nachwuchs hervorbringt. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren geht das nicht. Aber ich habe persönliche Freundschaften zu gleichgeschlechtlichen Paaren und es tut mir als Mensch und Priester weh, wenn ich Ausgrenzung erlebe", sagte Kaplan Löw.
Auch die Burka kann persönliche Freiheit sein
"Doch wie tolerant müssen wir Deutsche sein, wenn in anderen Ländern massiv Menschenrechte verletzt werden?", fragte eine Schülerin über Twitter. Annika Mehmeti vom Liberal-Islamischen Bund sagte: "Mit dieser ´die-machen-aber-auch-Einstellung` kommen wir nicht weiter. Für uns gilt das Grundgesetz. Und dann kann sogar die Burka Ausdruck persönlicher Freiheit sein - und auch ich, als liberale Muslima, muss das tolerieren." Man müsse Aufklärung in den Familien betreiben, um zu verhindern, dass Kinder gegen ihren Willen zu Traditionen gezwungen werden, die sie eigentlich ablehnen. "Man muss bei den Familien ansetzen, bei denen, die in der zweiten oder dritten Generation hier leben", so Okan Karasu. "Ihnen muss man zeigen, dass unsere Gesellschaft sie wertschätzt und trägt. Das gilt vor allem für die, die mit politischem Extremismus indoktriniert werden", ergänzte Nouripour.
Christopher Dietz appellierte an die Schüler: "Ihr wisst alle, dass gerade viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen - und auch kommen müssen. Es wäre schön, wenn der eine oder andere von euch Lust hat, hier mitzuhelfen. Gerade die Kirchengemeinden tun schon viel." Und Kaplan Löw brachte das Thema auf den Punkt: "An der Gedenkstätte Hadamar steht ein Denkmal. Darauf steht: Mensch, achte den Menschen."
Diskussionskultur hat Tradition
Die Marienschule konnte schon einige hochkarätige Gäste zu ähnlichen Veranstaltungen begrüßen, unter anderem Peter Klöppel, den ehemaligen Bundesminister Franz Müntefering, Bundesverfassungsrichter Peter Müller und Unionsfraktionschef Volker Kauder. Als reine Mädchenschule 1895 von Dernbacher Schwestern gegründet, unterrichtet die Marienschule inzwischen im vierten Jahr auch Jungen - allerdings sind die Klassen der gemischten Jahrgänge nach Jungen und Mädchen getrennt. (hm)
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