03.06.2016
"Systematische Integration muss jetzt anfangen"
LIMBURG.- Es wurde bisher viel erreicht, aber an vielen Stellen muss noch nachjustiert werden, um Flüchtlingen Perspektiven zu ermöglichen. Das ist das Fazit einer kontroversen Podiumsdiskussion am 2. Juni im Limburger Bischofshaus. Zu der Veranstaltung „Jesus war Flüchtling, kein Tourist“ hatte der Direktor des Hauses am Dom, Professor Dr. Joachim Valentin, eingeladen. Ein Jahr nach einem ersten Gespräch mit den gleichen Institutionen und Vertretern standen nun die Fragen im Zentrum, was seitdem geschehen ist und wie Integration nachhaltig gelingen kann.
Beeindruckende Leistung stiller Helden
„Das was zusammen von Gebietskörperschaften, dem Land und den Ehrenamtlichen geleistet worden ist, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagte Stefan Sydow, Ministerialdirigent und Leiter der Abteilung Asyl im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. 2015 sei ein „Jahr der Improvisation“ gewesen. „Die Not habe erfinderisch gemacht“. Trotz ungeeigneter Strukturen aber Dank „stiller Helden, die einfach angepackt haben“ sei es gelungen, ein Netzwerk aufzubauen, das im vergangenen Jahr in Hessen 116.000 Flüchtlinge aufgenommen, ernährt und versorgt hat. 2016 im „Jahr der Stabilität“ müssten die gewachsenen Strukturen angepasst werden. Ziel sei, den Prozess der Anerkennung und Prüfung des Asylbegehrens auf das „kurzestmögliche Maß“ zu reduzieren.
Georg Schardt, Vertreter der Gemeinde Hünfelden, betonte, dass sich Befürchtungen kritischer Bürger nicht bewahrheitet hätten. „Für unsere Kommune war es eine bewältigbare Aufgabe“, sagte er. In Hünfelden leben rund 10.000 Einwohnern. In der Kommune gibt es 60 Plätze für Flüchtlinge. Weitere Kapazitäten sollen Ende dieses Jahres zur Verfügung gestellt werden.
Engagement der Ehrenamtlichen ist ungebrochen
„Das Engagement der Ehrenamtlichen ist ungebrochen“, erklärte Annegret Huchler, Beauftragte des Bistums Limburg für die Flüchtlingsarbeit. Die Diözese stelle in diesem Jahr weit mehr Mittel für die Qualifizierung Ehrenamtlicher und zur Integration von Flüchtlingen zur Verfügung. Zunehmend wachse auch die Nachfrage nach Angeboten zur Vermittlung von Glauben. Huchler sieht aber auch großen Verbesserungsbedarf. „Die gängigen Formulare sind ohne Übersetzer nicht ausfüllbar.“ Für die drei Sprachgruppen Arabisch, Farsi und Tigrinya müssten Hilfen erstellt werden. Außerdem gebe es insbesondere in ländlichen Region Hessen nicht ausreichend Integrationskurse für Flüchtlinge. Wenn die Integration gelingen soll, müsse mehr in den Bildungsbereich investiert werden als bereits geseheh.
Ein Gesamtkonzept fehlt
Merhawit Desta vom Diözesancaritasverband Limburg beklagte fehlende Mindeststandards in der Flüchtlingsarbeit. Die Juristin verwies außerdem darauf, dass das Beratungsangebot für Flüchtlinge ausgebaut werden müsste. „Die Beratungsstellen, die von Flüchtlingen aufgesucht werden, werden von Caritas und Diakonie finanziert. Da fließt kein Cent vom Land“, sagt Desta. In der anschließenden Diskussion kritisierte die Caritas-Mitarbeiterin eine Projektkultur in der Flüchtlingsarbeit. „Das ist nicht förderlich für eine nachhaltige Integration, es verhindert und schädigt“, sagte Desta. Nötig sei ein Gesamtkonzept, mit dem „Menschen von Anfang an integriert werden“.
Das sah auch das Publikum so: „Die systematische Integration muss jetzt anfangen“, sagte ein Besucher. „Das Mittelmeer wird trotz vieler Toter weiter ein Fluchtweg bleiben.“ (clm)