18.09.2017
"Eine Kirche, die im Glauben wächst"
LIMBURG.- "Da bin ich, jetzt habt Ihr mich". Vor einem Jahr hat Georg Bätzing mit diesen Worten sein neues Bistum begrüßt. Am 18. September 2016 wurde er zum Bischof geweiht und in sein Amt als 13. Bischof von Limburg eingeführt. "Es geht mir gut im Bistum und ich habe das erste Jahr dafür genutzt, Land und Leute kennenzulernen", erklärt Bätzing. Eine Aufgabe, die ihm große Freude bereitet und geholfen habe, gut in der neuen Heimat anzukommen. "Es ist wunderbar zu erleben, wie lebendig unser Bistum ist. Die vielen Wallfahrtsorte, die Orden und geistlichen Gemeinschaften, die gelebte Ökumene, die vielen Synodalen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pastoral und in der Verwaltung mit ihrem Know-how und natürlich die muttersprachlichen Gemeinden tragen ganz wesentlich zu dieser Lebendigkeit bei", sagt Bätzing.
Der 56-Jährige ist viel im Bistum unterwegs. Er nimmt an Veranstaltungen, Feierlichkeiten und Konferenzen teil. Er besucht Pfarreien, spendet die Sakramente und sucht die Nähe zu den Menschen. "Ich erlebe eine große Offenheit, wenn ich im Bistum unterwegs bin und werde herzlich aufgenommen. Das stärkt mich sehr und zeigt mir, wie sehr sich die Gläubigen mit ihrem Bischof verbunden fühlen", so Bätzing. Es sei großartig mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und häufig erfahre er dabei sehr schnell, was sein Gegenüber bewegt, freut oder schmerzt. In diesen Momenten sei er ganz Seelsorger und erlebe sein Amt als Geschenk, das ihm viele Möglichkeiten biete, um zu hören, zu stärken und über die Liebe Gottes zu den Menschen zu sprechen.
Ist der wirklich so?
Vor seiner Weihe sei viel über das Bistum Limburg und über Bätzing geschrieben worden. Es sei von "schwerem Erbe", "gespaltenem Bistum" und "schwersten Job in der katholischen Kirche" gesprochen worden. "Das erlebe ich nicht. Ich habe Freude an meinem Tun und ich erlebe ein Bistum auf dem Weg und keine gespaltene Diözese", sagt Bischof Georg. Überwiegend werde ihm viel Vertrauen entgegen gebracht. Es gebe aber auch kritische Rückmeldungen, weil das Amt des Bischofs an Vertrauen und Ansehen verloren habe. Es gebe Gesprächspartner, bei denen spüre er, dass sie sich fragten: "Ist der wirklich so? Meint der das ernst?" Um das Vertrauen dieser Menschen will sich der Bischof besonders bemühen. Ihm geht es nach wie vor auch um Versöhnung zwischen dem Bistum und seinem emeritierten Bischof: "Es kann nicht auf Dauer sein, dass ein emeritierter Bischof und sein Bistum nicht in einem normalisierten Kontakt zueinander stehen." Versöhnung geschehe nicht von heute auf morgen, sondern brauche "ein gutes Stück Zeit". Bistum und emeritierter Bischof müssten jetzt zunächst mal jeder für sich eigene Wege gehen. In der dadurch gewonnenen neuen Freiheit gebe es dann eventuell die Möglichkeit wieder aufeinander zuzugehen.
Ökumene und kirchenbildende Prozesse
Ein Herzensanliegen ist Bätzing die Ökumene. Es sei ein Schatz, dass es im Bistum ein so gutes ökumenisches Miteinander und einen lebendigen Austausch auf allen Ebenen gebe. Ebenso wertvoll sei der Dialog mit anderen Religionen. In seinem ersten Jahr als Bischof habe er sich daher mit vielen Vertretern anderer Religionen getroffen und Anknüpfungspunkte für ein gutes Miteinander gesucht. "Gemeinsam können wir viel bewirken und Fundamentalismus, Extremismus und Gewalt in unserer Gesellschaft entgegenwirken. Die Botschaft Gottes ist die Botschaft des Friedens", so Bätzing.
Intensiv hat sich der neue Bischof in den vergangenen zwölf Monaten auch mit der Struktur der Pastoral befasst. "Die Pfarrei neuen Typs ist in unserem Bistum keine Vision mehr, sondern gelebte Wirklichkeit. Den Weg der Pfarreiwerdung werden wir in den kommenden Jahren weitergehen. Kirche in der Zeit ist für mich immer eine Kirche, die sich entwickelt. Entwicklung gehört zum Wesen der Kirche", erklärt der Bischof und plädiert für einen realistischen Blick auf die Wirklichkeit. Die Volkskirche, wie er sie in seiner Kindheit und Jugend erlebt habe, gebe es in weiten Teilen Deutschlands und der Diözese nicht mehr. Es müsse sich eine neue Sozialgestalt bilden. Dies geschehe jedoch nicht automatisch. Es brauche dazu kirchenbildende Prozesse, in denen Menschen von heute durch Verkündigung und Zeugnis auf den Weg von Bekehrung und Glaube geführt würden. "Dieser Weg ist ein Weg der Gemeinschaft. Ein zeitgemäßes Selbstverständnis der Kirche, die in der Spur Jesu bleibt, wird in der Selbstlosigkeit verwirklicht, mit der sie zu einem erfüllten Leben von Menschen beiträgt", sagt Bischof Georg. Die leitende Frage müsse in diesem Kontext sein: "Für wen sind wir als Kirche da?". Es müsse zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen. Daran wolle er mit dem Bistum in den kommenden Jahren arbeiten.
Mut zum Experiment
Bischof Georg wünscht sich eine Kirche, die im Glauben wächst. Dazu brauche es einen Kulturwandel, der sich in Grundhaltungen zeige. Diese seien Offenheit für die Zeichen der Zeit, die Bereitschaft, sich unter das Wort Gottes zu stellen, vertrauen zu können und vertrauenswürdig zu sein, Partizipation zu ermöglichen, Innovation zuzulassen sowie eine Fehlerfreundlichkeit und Konfliktfähigkeit zu etablieren. Aus diesen Grundhaltungen heraus, entwickle sich ein Weg, der dezentral, subsidiär, partizipativ, charismenorientiert, missionarisch, diakonisch und geistlich ist. "Dieser Weg wird kein leichter sein. Er braucht Mut und Gottvertrauen", so Bätzing. Er lade deshalb alle Ebenen des Bistums dazu ein, Formate und Angebote für suchende und am Glauben interessierte Menschen zu entwickeln. Es gehe darum, Menschen mit der Person und der Botschaft Jesu Christi in Berührung zu bringen, so dass sie ihm ihr Leben öffnen. Es gelte zudem die konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen kennenzulernen und über den eigenen Tellerrand zu schauen. Es brauche auch Mut, um sich neu unter das Wort Gottes zu stellen. Daraus entwickelten sich Antworten, aus denen erkennbar werde, wozu Gott am konkreten Ort die Kirche brauche. (StS)