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LIMBURG, 26.10.2017

Mit Herzblut" Leidenschaft und Willen

Ein Flüchtling macht im Priesterseminar eine Ausbildung.

Er heißt Btsuamlak Goitom. Aber alle nennen ihn nur Thomas. Er flüchtete aus Eritrea nach Deutschland. Jetzt macht er eine Ausbildung zum Hauswirtschafter im Limburger Priesterseminar. Dafür lernt er fleißig Deutsch. Seine Muttersprache ist Tigrinya, eine der vielen Sprachen, die in Eritrea gesprochen werden. "Am Anfang hat er auch schon mal etwas ganz anders gemacht, weil er es nicht verstanden hat", sagt seine Kollegin, Hauswirtschafterin Heike Schwanbeck. Mittlerweile versteht er sie ganz gut - wenn sie langsam redet.

"Am Anfang war es ein Mix aus Zeichensprache, Deutsch und Englisch", sagt seine Ausbilderin Gertrud Nassal. Für den Deutschkurs, den er vor seinem Praktikum im Priesterseminar besucht hatte, hat er nun keine Zeit mehr. "Ich lerne hier", sagt der 22-Jährige mit den dunklen Locken und meint damit: Er lernt im Gespräch mit seinen Kollegen. Wenn es in der Küche mal drunter und drüber geht, müssen sie noch Rücksicht auf ihn nehmen. "Wir müssen langsam mit ihm sprechen und ihn dabei anschauen. Das ist manchmal in der Küche ein Problem, wenn wir uns einfach nur etwas zurufen", sagt seine Kollegin.

"Er ist besser als viele deutsche Auszubildende"

"Thomas, hol doch mal die Matte, damit kein Kleber auf den Tisch tropft", sagt Schwanbeck und streicht zur Verstärkung ihrer Worte über die Tischplatte. "Das hilft, denn manche Worte sind dann doch nicht ganz einfach." Die beiden basteln ein Gesteck für eine Auszubildenden-Messe am nächsten Tag. Thomas soll einen Draht um das Glas wickeln, um es zu verzieren. "Welche Farbe?", fragt Schwanbeck. "Grune", sagt Thomas. "Okay, grün", sagt sie. "Er ist besser als viele deutsche Auszubildende. Er hat das Herzblut, die Leidenschaft und den Willen, etwas zu tun und zu leisten."

Vor zwei Jahren ist Thomas nach Deutschland gekommen. Zwölf Jahre sei er in Eritrea in die Schule gegangen. Eine Zukunft gebe es dort für junge Menschen aber nicht. "Ich will lernen. Das war schwierig", sagt er. Vor allem vor der Armee sei er geflohen. "Ich hätte Soldat werden müssen", sagt er. Der unbefristete Militärdienst in Eritrea kommt harter Zwangsarbeit gleich. Menschen schuften in Staatsbetrieben oder auf Plantagen und werden - manche für Jahrzehnte - schonungslos ausgebeutet.

Thomas vermisst seine Familie, die weit verstreut ist. Einer seiner Brüder lebt in Waldshut bei Freiburg, die Mutter ist in Schweden, die Schwester in den Sudan geflüchtet, ein Teil der Familie ist noch in Eritrea. Kontakt halten sie über Facebook. Von seinen Freunden in der Flüchtlingsunterkunft in Hadamar-Oberweyer hat keiner einen Ausbildungsvertrag. Viele machen aber Praktika und lernen Deutsch.

Küche und Service sind Schwerpunkt der Ausbildung

Die Stelle im Priesterseminar hat der orthodoxe Christ einem Zufall zu verdanken. Ein Mitarbeiter des Bischöflichen Ordinariats, der sich für Flüchtlinge in Oberweyer engagierte, vermittelte den Kontakt. Ursprünglich wollte Thomas Koch werden, diese Ausbildung wird im Priesterseminar aber nicht angeboten. Nach seinem Praktikum entschied er sich, zu bleiben und eine Ausbildung zum Hauswirtschafter zu machen; eine Tätigkeit, die ihm nicht fremd ist. Als mittleres Kind habe er seiner Mutter in Eritrea schon früh beim Haushalt geholfen. So habe er Frühstück für ihn selbst und die jüngeren Brüder gemacht, gekocht und saubergemacht. "Zwiebeln und Salat schneiden konnte ich", sagt er und lacht. Doch in deutschen Großküchen ist viel mehr zu beachten. Zum Beispiel die strengen Hygienevorschriften, die vorgeben, wie etwas desinfiziert oder abgeschmeckt wird. "Ich finde das gut, wie es hier ist, ich will es richtig lernen." Küche und Service sind im Priesterseminar Schwerpunkt der Ausbildung, aber auch Raumpflege, Textilkunde, Arbeiten im Kräutergarten und die Hausdekoration gehören dazu.

An diesem Tag hat Thomas geholfen, das Mittagsbüfett aufzubauen: Salate, Suppe, Fleisch und Beilagen. Auf einem Wagen mit weißem Tischtuch bringt er die dampfende Lauchsuppe an den Tisch und serviert. Später geht es in den Waschkeller zur Wäschemangel. Aufgehängt sind dort weiße Schürzen, die Thomas in die Mangel nimmt. Er zieht den Stoff durch das Gerät. "Einmal umdrehen bitte", sagt Schwanbeck. Nur so wird die Schürze auf beiden Seiten schön glatt.

An drei Tagen in der Woche kommt Thomas momentan zur Arbeit im Priesterseminar. Wenn der Stundenplan im Winter wieder wechselt, sollen es vier Tage werden. Dienstags und mittwochs drückt er in der Berufsschule die Schulbank. Seine Mitschüler sind alle Deutsche, aber "wir verstehen uns gut, es gibt keine Probleme". Eine weitere Auszubildende des Priesterseminars, Dunja, geht mit ihm auf die Berufsschule. Bald steht die Zwischenprüfung an und in zwei Jahren die Abschlussprüfung.

Ein geglücktes Experiment

Am Anfang war es ein Experiment, auch mit der Aussicht im Zweifel die Ausbildung ein halbes Jahr zu verlängern. "Wir haben damals einfach beschlossen: Wir probieren das jetzt", sagt Ausbilderin Nassal. Dass es nun so gut laufe, hätte sie nicht erwartet. Zwar habe Thomas nach wie vor bei Fachwörtern und Klassenarbeiten Schwierigkeiten, aber die Rückmeldungen seiner Lehrer seien durchweg positiv. "Ich habe in der Schule in Eritrea Glück gehabt und auch etwas Englisch gelernt", sagt Thomas. Das helfe ihm nun. Der praktische Teil seiner Ausbildung gefällt ihm besonders. "Wenn ich koche oder irgendwas in der Küche mache, das macht mir Spaß."

Wie es nach der Lehre für ihn weitergeht, ist ungewiss. Thomas ist im zweiten Lehrjahr, die Abschlussprüfung steht im Sommer 2019 an. "Wir bilden aus, ob wir danach jemanden übernehmen können, hängt immer davon ab, ob Stellen frei sind", sagt Gertrud Nassal. Ob Thomas nach der Ausbildung eine Arbeitsstelle findet, könnte über seinen Aufenthalt in Deutschland entscheiden. Bis dahin ist allerdings noch ein wenig Zeit, die der junge Mann damit füllt, was normale junge Menschen in ihrer Freizeit machen: Er spielt Fußball, hört Musik und trifft Freunde. Thomas ist sich sicher: "Wenn ich einen Platz finde, dann will ich hier bleiben." Hier ist das Priesterseminar. (jh)

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