LIMBURG, 29.11.2017
Neue Dezernentin im Interview
Prof. Dr. Hildegard Wustmans wird neue Leiterin des Dezernats Pastorale Dienste im Bischöflichen Ordinariat. Bereits 2001 bis 2009 war sie beim Bistum Limburg beschäftigt, zuletzt als Dezernentin für Kinder, Jugend und Familie. Danach lehrte Wustmans Pastoraltheologie an der Katholischen Privat-Universität in Linz in Österreich. Ihre neue Aufgabe wird sie in wenigen Tagen, am 1. Dezember, übernehmen.
Frau Professor Wustmans, Sie kommen zurück in eine Diözese, die Ihnen vertraut ist. Und doch hat sich einiges geändert. Freuen Sie sich auf die Rückkehr und auf die neue Aufgabe?
Wustmans: Auf die neue Aufgabe, mit der mich der Bischof betraut hat, und die Möglichkeiten, die sie darstellt, freue ich mich sehr. Dazu gehört besonders, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Dezernat und vielen ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern in der Diözese zu arbeiten. Ja, die Diözese hat sich verändert, und die Menschenfreundlichkeit Gottes geht an vielen unterschiedlichen Orten dabei mit und schlägt darüber hinaus andere herausfordernde Themen an. Sie sind nicht immer mit den Themen identisch, bei denen wir als Kirche schon erfahren sind. Schließlich ist das Leben der Menschen heute überaus dynamisch und durchaus auch prekär geworden. Aber darum geht es ja in der Kirche - die Nähe Gottes bei den Menschen heute zu lokalisieren, ihre Bedeutung zu bezeugen und dabei für jede Einzelne und jeden Einzelnen und die Gesellschaft überzeugend zu werden.
Sie sind Pastoraltheologin. Welche Akzente wollen Sie hier setzen? Welche Herausforderungen sehen Sie vielleicht auch in der Pastoral der Zukunft?
Pastoral entwickelt sich in den Koordinaten von Evangelium, Personen und Orten und unter Berücksichtigung der Zeichen der Zeit. Aus diesem Grund ist Pastoral nie etwas Abgeschlossenes und Fixes, sondern fluide. Die Herausforderung besteht darin, die Spannung zwischen verbindlichen Strukturen und erforderlicher Flexibilität zu halten und kreativ zu gestalten. Das bedeutet für mich, hellhörig und achtsam für die konkreten Fragen vor Ort zu sein. Im Gespräch mit den Akteuren vor Ort müssen jeweils relevante Fragen identifiziert und Antworten gefunden werden. Und dazu braucht es im Dezernat Personen und Strukturen, die sich mit diesen Gegebenheiten vernetzen können. Ich bin der Überzeugung, dass die Kirche sich zu einer gesellschaftlichen Avantgarde entwickeln kann, wenn auf das Volk Gottes gehört und gesetzt wird, man Risiken nicht scheut und Investitionen wagt.
Wichtige Themen sind Pfarreiwerdung und Kirchenentwicklung. Wie erleben Sie diese Prozesse und welche Chancen sehen Sie hier?
In vielen deutschsprachigen Diözesen wird um Perspektiven gerungen, wie man mit der gegenwärtigen Situation umgehen und sich für die Zukunft aufstellen kann. Dabei möchte ich auf einen Aspekt hinweisen, den Papst Franziskus in Evangelii Gaudium 97 formuliert hat, dass "man die Kirche in Bewegung setzt, dass sie aus sich herausgeht, in eine auf Jesus Christus ausgerichtete Mission, in den Einsatz für die Armen. Gott befreie uns [...] um uns selbst zu kreisen, verborgen in einem religiösen Anschein über gottloser Leere."
Diese Ausrichtung des Papstes tut der Kirche gut, auch wenn es das System bisweilen stresst. Denn es ist wie bei jeder Form von Bewegung: sie muss trainiert werden und ist bisweilen anstrengend. Auch der Bischof hat in seinem Fastenhirtenbrief den notwendigen Perspektiv- und Mentalitätswandel angesprochen und dazu ermutigt, hinzuschauen, zu entdecken und verstehen zu lernen, wie Menschen hier und heute leben, was sie sich für sich und die Kirche erhoffen. Er schlägt vor, nicht mehr zu fragen: "Wer oder was ist die Kirche, sondern: Wozu und für wen sind wir heute da?"
Wo ein solcher Habitus von Beweglichkeit angestrebt wird, melden sich zugleich Nöte, aber auch Sehnsüchte nach Orientierung und Gewissheit angesichts tatsächlicher Unsicherheits- und Ohnmachtserfahrungen zu Wort. Das ist ernst zu nehmen, aber zugleich ist zu ermutigen, sich auf Veränderungen einzulassen und zwar nicht um der Kirche willen, sondern um Gottes und der Menschen willen. Der Glaube gibt die Sicherheit dazu. Es geht also um viel mehr als um Rettungsversuche der Kirche.
Zu den Verantwortungsbereichen ihres zukünftigen Dezernats zählt neben Kirchenmusik, Kategorial-Seelsorge, diakonischer und missionarischer Pastoral und weiteren Abteilungen auch die Weltkirche. Das heißt Bistumspartnerschaften, weltkirchliche Projekte und die Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache. Worauf freuen Sie sich hier besonders? Sie haben ja unter anderem in Brasilien (São Paulo) studiert. Was haben Sie von dieser Zeit vor allem mitgenommen?
Das Dezernat Pastorale Dienste ist inhaltlich vielfältig aufgestellt und das Bistum hat darin eine gute Tradition. Das macht es herausfordernd und interessant. Zugleich bildet es damit etwas Grundsätzliches ab: vor Gott und daher in der kirchlichen Pastoral kann alles zum Thema werden, was Menschen bewegt.
Weltkirchliche Erfahrungen waren für mein eigenes Leben sehr wichtig. Ohne meine Zeit als Freiwillige nach dem Abitur im Nordosten von Brasilien hätte ich wohl kaum mit dem Theologiestudium begonnen. Bis heute interessieren mich Kontexte und Überraschungen, in denen und durch die Menschen zum Glauben kommen. In den Begegnungen mit Christinnen und Christen, die ich in Schweden, Frankreich, Brasilien, Tansania oder in den USA hatte, wurde mein Nachdenken über die Kirche und ihre Pastoral im deutschsprachigen Kontext angeregt. Diese Erkundungen haben mich nachdenklich gemacht, weil sie die gewohnte Ordnung der Dinge relativiert haben, aber auch freilegen, wo Ähnliches hier bei uns geschieht. Das schließt auch die Erfahrung ein, dass es nicht um eine einfache Kopie von dem geht, was wo anders geschieht. So funktioniert es nicht. In der globalen Zivilisation sind die Kontexte einfach sehr verschieden. Aber diese anderen Orte regen an, gerade aus den Kontrasten heraus. Vor dem Hintergrund weltkirchlicher Erfahrungen ergibt sich für mich, dass jetzt eine günstige Situation für die Kirche ist, wie es Christoph Theobald SJ formuliert hat, in der ein couragiertes pastorales Handeln nicht nur nötig, sondern auch möglich ist.
Sie waren im Sommer Gastrednerin beim Hildegardis-Verein, der sich mit einem Mentoring-Programm für mehr Frauen in Führungspositionen bei der katholischen Kirche stark macht. Auch das Bistum Limburg beteiligt sich daran. Wie sehen Sie das Thema? Tut Kirche gut daran, in Frauen zu investieren? Und wenn ja, warum?
Es gibt in der Kirche viele talentierte und begabte Menschen. Ihnen einen Raum anzubieten, ihre Talente weiter zu entwickeln und zu stärken, ist grundsätzlich wichtig. Und darunter finden sich eben auch viele Frauen. Ich möchte meinen Beitrag an einer im Bistum schon vorhandenen Kultur leisten, die religiöse Autorität von Frauen zu fördern und ihren Kompetenzen pastorale Wirkung in der Kirche zu geben, für die eine Weihe nicht zwingend Voraussetzung ist.
(fl)