Rüdesheim Aulhausen, 15.04.2018
Inklusion: Wir sind dabei
Die Diözesanversammlung im Bistum Limburg macht das Thema Inklusion stark: Ein besonderes Signal dafür hat das Gremium mit seiner aktuellen Sitzung am Samstag, 14. April, im Sankt Vincenzstift in Aulhausen gesetzt. „Wir erleben heute einen Begegnungstag mit Menschen mit und ohne Behinderung und wir wertschätzen diese Begegnungen“, sagte Präsidentin Ingeborg Schillai. Sie lud dazu ein, „gemeinsam einen Weg der Inklusion“ zu gehen und das Anliegen in den Pfarreien und Gremien vor Ort weiterzuverfolgen. Im Frühjahr 2020 sollen die Ergebnisse evaluiert und zusammengeführt werden. Es war die letzte Sitzung mit Prälat Dr. Günther Geis als Bischofsvikar für den synodalen Bereich. Seine Nachfolge tritt zum 1. Juli Dr. Wolfgang Pax an.
Zum Start in den Tag hatte Hausherr Dr. Dr. Caspar Söling, Sprecher der Geschäftsführung des Sankt Vincenzstiftes, die Gäste in der Marien Kirche empfangen. Der Raum der alten Zisterzienserinnen-Kirche ist im Rahmen eines viel beachteten Projektes von Künstlern mit Beeinträchtigung gestaltet worden. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Kunst, nicht auf der Beeinträchtigung, machte Söling deutlich: „Die Leute sollen zum Staunen kommen“, hatte er bei früheren Gelegenheiten das Vorhaben beschrieben. Auch die inhaltlichen theologischen Vorgaben für die Künstler orientierten sich daran: „Wir haben Themen gesucht, die Menschen heute mit Glauben verbinden.“
Besucher von außen auf das Gelände holen ist die eine Seite des inklusiven Konzeptes, das das Sankt Vincenzstift seit vielen Jahren verfolgt: „Raus gehen in die Gesellschaft“ ist die andere, die Söling den Mitgliedern der Diözesanversammlung bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände erläuterte. Die Hälfte der Bewohner wird nach und nach dezentral leben. Das Leitwort dieses Prozesses „Mit ins Leben gehen“ geht bereits auf Prälat Matthäus Müller zurück, den Gründer der Einrichtung, in der 1893 das erste Kind aufgenommen worden ist. Auch in anderen Bereichen war Müller überraschend modern: So habe die Beschulung von Beginn an zu dessen Ideen gehört, berichtet Söling. Ein Projekt wie die Vincenzschule war damals natürlich nicht vorstellbar, ist aber auch heute noch eine Besonderheit, in Hessen zum Beispiel die einzige ihrer Art: In der inklusiv arbeitenden Grundschule werden zehn Kinder ohne und acht Kinder mit Beeinträchtigung gemeinsam unterrichtet – sehr erfolgreich, wie eine begleitende wissenschaftliche Untersuchung bewiesen hat.
Wie finden Menschen, die betreut wohnen, Kontakt zur Kirchengemeinde vor Ort? Auf diese Frage konnten Anita Jäck und Volker Krams in einem der angebotenen Workshops sehr konkrete Antworten gaben. Die beiden engagierten Mitarbeiter des Sankt Vincenzstiftes sind als sogenannte Brückenköpfe Mittler zwischen den von ihnen Betreuten und der Gemeinde in Eibingen. Drei Jahre ausgebildet - 2010 gehörten sie zu den Pionieren des "Brückenmodells" - sind sie heute sehr erfolgreich in ihrer Arbeit, berichteten aber vom mühsamen Beginn in puncto Integration. „Am Anfang saßen wir mit unseren Leuten immer allein in der Bank - ob in der Kirche oder bei der Fastnachtsfeier“, so Anita Jäck, die von großen Berührungsängsten erzählte. Beim gemeinsamen Bänke aufstellen zum Hildegardisfest sei das Eis gebrochen, erinnerte sich Krams. Da sei deutlich geworden, dass Menschen mit Beeinträchtigung nicht immer nur Hilfe brauchten - so das Klischee-, sondern auch selbst mithelfen könnten.
Begegnung ermöglichen: Das war an diesem besonderen Sitzungstag nicht Theorie, sondern Praxis. Dankbar nutzten die Mitglieder der Diözesanversammlung die Gelegenheiten, mit Bewohnern selbst ins Gespräch zu kommen und einen kleinen Einblick in deren unterschiedliche Biographien und ihren Alltag zu bekommen. Am Nachmittag konnten sie zudem eindrücklich erleben, wie fröhlich und aktiv Menschen mit schweren Behinderungen Gottesdienst feiern.
„Menschen mit Behinderung in meiner Wohngemeinde wahrnehmen und ihre aktive Teilnahme am Gottesdienst achten und wertschätzen“, lautete prompt eine der guten Absichten, die zum Abschluss des Tages formuliert wurden. Ein anderer hielt als Resümee fest: „Menschen mit Behinderung möchten normal behandelt und nicht behindert werden“. Die Vorsätze, vor Ort entsprechende Projekte anzustoßen und das Thema publik zu machen, wurden beflügelt durch die vielfältigen Materialien, die David Heun, Referent der Projektstelle Inklusion, vorstellte. In sechs großen Kisten verpackt finden sich vom Fühlmemory bis zur Simulationsbrille eine Fülle von kreativen Möglichkeiten und Anregungen. Viel Unterstützung also zur Realisierung von anspruchsvollen Zielen, auch für ganz persönliche wie das, das auf einem der grünen Kärtchen notiert worden war: „Meine Grenzen im Denken neu bedenken.“
Weitere Informationen: https://inklusion.bistumlimburg.de, http://www.st-vincenzstift.de.
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