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WIESBADEN, 26.11.2019

Jedes Kind braucht Religion

Sich verorten als katholische Kita in einem Alltag, der von verschiedenen Kulturen und Religionen geprägt ist: Thema beim Konferenztag der Kitas von St. Bonifatius

Wenn es um Religion in katholischen Kindertagesstätten geht, scheinen auf den ersten Blick nicht viele Fragen offen. Dr. Frank van der Velden, Studienleiter für interreligiöse Bildung im Diözesanbildungswerk Limburg, plädiert dennoch ganz bewusst für das Fragezeichen: „Was ist Religion, und wie geht katholisch in der Kita?“ lautete der Titel seines Vortrags, den er am Montag, 25. November, im Wiesbadener Roncalli-Haus gehalten hat. Die „bunte Truppe“, von der er in Bezug auf die Kinder sprach, gehört für die Zuhörer zum beruflichen Alltag. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sieben Kindertagesstätten der Pfarrei St. Bonifatius setzten sich - ausgehend von ihrer alltäglichen Arbeit mit vielen Kulturen, Religionen und Konfessionslosen - einen Tag lang mit der Frage auseinander, „wie wir uns heute als katholische Kita verorten können“, so Kita-Koordinatorin Dr. Julia Fauth.

 

Religion ist Bildungsauftrag

Van der Velden, der katholische Religionspädagogik an der Johann Gutenberg Universität Mainz lehrt, ermunterte die Teilnehmer in seinem Impulsreferat eindringlich dazu, religiöse Vielfalt wahrzunehmen und ein offenes Ohr dafür zu haben, was die Kinder in Sachen Religion mitbringen. In einem kleinen Exkurs legte er dar, dass religiöse Bildung keineswegs eine Art „Extrawurst“ der konfessionellen Einrichtungen ist, sondern in landespolitischen Bildungsplänen steht. In den von ihm zitierten Empfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz wird Religion als elementares Bedürfnis aller Kinder bezeichnet. Wie diese Empfehlungen umgesetzt werden können, steht im Leitfaden der (Erz-)Bistümer in Rheinland-Pfalz. „Zum Konzept kirchlicher Tageseinrichtungen für Kinder gehört es, mit den Kindern Antworten auf zentrale Lebensfragen zu suchen, und damit auf im letzten religiöse Fragen.“ Und: „Sich den religiösen Fragen der Kinder zu verweigern würde bedeuten, ihre Verbindung zu Gott in Frage zu stellen.“

 

Aber gelte das, so van der Velden kritisch, in christlich geprägten Einrichtungen nur für christliche Kinder? „Wie nehmen Sie den öffentlichen Bildungsauftrag wahr gegenüber Kindern, die nicht katholisch sind? Wie macht man das?“ formulierte er als „spannende Frage“ an die Anwesenden. Schon im Blick auf die eigene Religion sei ja durchaus Vielfalt angezeigt, je nach Kultur gebe es viele Arten, katholisch zu sein: „Katholisch heißt vielfältig.“ Für diese religiöse Diversität müsse es Orte, Beziehungen und Routinen geben, lautete sein Appell. In Brasilien zum Beispiel werde der Advent laut und fröhlich gefeiert, für orthodoxe Christen sei er eine Zeit des veganen Fastens. Hier könnten Eltern miteinbezogen werden mit der Frage nach Rezepten für leckere, vegane Plätzchen, schlug er vor. Auch muslimische Kinder könnten in die Freude des Advents hineingeholt werden. Zum Beleg dafür, dass eine solche „religionssensible Erziehung“ allen Beteiligten nützt, verwies van der Velden noch einmal auf die  (erz-)bischöfliche Empfehlung,: „Kulturelle und religiöse Vielfalt ist für katholische Kindertagesstätten ein Gewinn“, ist dort als Erkenntnis festgehalten. In der interkulturellen und interreligiösen Begegnung könnten Kinder und Erwachsene die Erfahrung von Fremdheit machen, sich aber auch der eigenen Verwurzelung bewusstwerden. 

 

„Vielfältig werden im eigenen religiösen Haus“: Wie das in der Praxis aussehen kann, davon berichtete in einem der anschließend angebotenen Workshops die Erzieherin Silke Feldberg-Akhand aus dem integrativen Kindergarten der evangelischen Kirchengemeinde Cantate Domino in Frankfurt. Ziel des Konzeptes "interreligiöses Lernen" in ihrer Einrichtung sei es, „dass sich jedes Kind und dessen Familie mit seiner individuellen Familienkultur angenommen und wergeschätzt fühle“, sagte sie. Dazu gehört das Spielangebot in der Kita, das Stifte in allen Hautfarben ebenso bereit hält wie Puppen in verschiedenen Ethnien. Eine große Rolle spielen die Eltern, die "wir als Fachleute ansehen". Aus den Gesprächen mit ihnen, "wissen wir, welche Feste gefeiert werden". Entsprechend könnte gratuliert werden, würden Glückwünsche ausgehängt. Viele der Kinder stammten aus muslimischen Familien. Daher würde traditionell eines der großen islamischen Feste gewürdigt. Geplant werde gemeinsam mit den Kindern und Eltern, am Festtag selbst würden die Eltern zu Gastgebern, das Team und die nichtmuslimischen Familien zu den Gästen. In einer interreligiösen Gruppe lernen außerdem Vorschulkinder Geschichten kennen, die sowohl in der Bibel als auch im Koran vorkommen. 

 

Weitere Workshops beschäftigten sich unter anderem mit kultursensitiver Praxis in der Kita, mit Elternarbeit und Kommunikation im Handlungsfeld Migration, aber auch mit Umweltmanagement und dem Einfluss des Stadtteils und Sozialraums auf Kinder und Eltern. Die große Vielfalt der möglichen Ein- und Ansichten rund um das Thema machte eindrücklich die "Wand" aus Pappkartons deutlich, die, versehen mit Leitsätzen der Teilnehmer, zum Schluss aufgebaut wurde. "Jedes Kind braucht Religion" war da ebenso zu lesen wie ""in unsere Kindertagesstätten wird der katholische Glaube gelebt und gepflegt, vermittelt und verkündet" oder  "Miteinander zusammen wachsen". 

In den sieben Kindertagesstätten der Pfarrei St. Bonifatius im Wiesbadener Stadtgebiet werden über 670 Kinder betreut.

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