BAD HOMBURG, 11.06.2020
42 Autos und eine Mission

Eifrig winkt ein kleiner Junge mit einem weiß-gelben Fähnchen aus dem Autofenster und grinst. Der kleine Leonhard sitzt mit seiner ganzen Familie im Auto auf dem Parkplatz gegenüber vom Bad Homburg Bahnhof. Heute darf der Sechsjährige vorne im Auto sitzen, auf dem Beifahrersitz direkt neben Papa. Leonhards Familie hört man laut aus dem Auto singen, denn sie feiern mit über hundert anderen Gläubigen am Donnerstag, 11. Juni, im Autokino Gottesdienst. Die Pfarrei St. Marien Bad Homburg-Friedrichsdorf wollte auch in Zeiten von Corona an Fronleichnam nicht darauf verzichten, gemeinsam zu beten und zu singen. Bis in die fünfte Reihe des Parkplatzes stehen zu diesem Anlass Autos aus ganz unterschiedlichen Orten.
Wie Leonhards Familie bekommt jedes Auto am Eingang des Parkplatzes das Liedblatt und die Gebete sowie kleine Schleifen und Fähnchen für die anschließende Auto-Prozession. „Fahren Sie bitte in die fünfte Reihe, der Lotse mit der Warnweste zeigt Ihnen den Weg“, informiert eine Mitarbeiterin von St. Marien an der Autoschranke ein Ehepaar in einem grauen Auto. Nach den Namen und dem Kennzeichen fragt sie auch, denn für einen möglichen Corona-Fall muss die Pfarrei die Ansteckungskette zurückverfolgen können.

Helmut und Rosemarie Eller stehen nun ganz außen in der fünften Reihe auf dem Parkplatz mit Blick auf die kleine Bühne vor der Autokino-Leinwand, wo die Seelsorger Andrea Maschke und Werner Görg-Reifenberg die Messe halten. „Wir vermissen den normalen Gottesdienst sehr, daher sind wir heute hier hergekommen. Aber es ist mal was anderes und wir freuen uns“, ruft Helmut Eller aus dem Auto heraus. Seine Frau blättert interessiert durch das Liedblatt. „Das wird schon etwas komisch, alleine im Auto zu singen, aber wenn die Musik aus dem Radio kommt, wird das schon werden“, sagt sie voller Vorfreude. „Vielleicht machen alle die Fenster auf, dann hören wir uns.“ Damit der Gottesdienst auf dem öffentlichen Platz nicht zu laut ist und jeder die Predigt gut verfolgen kann, wird die Messe auf eine freie Radiofrequenz übertragen. Die Begrüßungsworte von Werner Georg-Reifenberg, Pastoralreferent der Pfarrei St. Marien in Bad Homburg, schallen in allen Radios und über die Mikrofone über den Platz. „Wir freuen uns, dass Sie heute gekommen sind“, sagt er.
Unter dem Motto „Mitten unter uns“ führen die Seelsorger durch den Gottesdienst. „Der Titel passt deshalb so gut, weil Gott immer dabei und überall unter uns ist, vor allem unter den Menschen“, sagt Andrea Maschke zu Beginn. Dazu erzählt sie eine kleine Anekdote. „Ich habe einem älteren Mann einst die Krankenkommunion gebracht. Einige Zeit später bin ich ihm, als ich in der Stadt unterwegs war, über den Weg gelaufen und er sagte zu mir: Hallo Frau Maschke, haben Sie den Herrn im Rucksack dabei?“ Die Pastoralreferentin muss lächeln, als sie die Geschichte erzählt, und fordert dann zum Singen auf. Die Strophen von „Von allen Seiten umgibst du mich“ sind gesungen und gesummt aus allen Autos zu hören. Mit blinkender Lichthupe und winkenden Scheibenwischern drücken die Teilnehmer ihre Freude aus.

Werner Georg-Reifenber und Andrea Maschke nutzen den Gottesdienst, um den hohen Wert von Frieden zu unterstreichen. Dieser sei nun in Zeiten von Corona und „Black lives matter“ wichtiger denn je, sagt Andrea Maschke. „Frieden und Gott wollen zusammengehören“, ergänzt Werner Görg Reifenberg. Gemeinsam sprechen sie ein Gebet vom Weltfriedenstag 2019. Im Anschluss winken sich die Gläubigen mit ihren Fahnen aus allen Autofenstern zu: ein etwas anderer Friedensgruß. Leonhard will das Fähnchen gar nicht mehr loslassen, fest hält er es zwischen den Händen und sagt: „Am tollsten finde ich die Fähnchen und die Musik hier.“ Vor allem am Ende bei der anschließenden Autoprozession holen auch die anderen Familien ihre Fahnen raus und hupen kräftig zur Feier des Tages vom Rathaus-Parkplatz bis zur St. Marien Kirche.
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