FRANKFURT, 25.01.2020
Ängstliche Christen können keine Brücken bauen
Für ein Christentum, das Gegensätze und Unterschiede aushält und doch als Brückenbauer zwischen verschiedenen Weltanschauungen fungiert, wirbt der belgische Bischof Johann Bonny. Am Samstagabend, 25. Januar, beschwor er im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus die Hoffnung, dass die Christen in Europa ein neues Licht aufstrahlen lassen und zum Frieden für alle Menschen beitragen können. Dabei habe eine uneinige Kirche, die ängstlich und zögernd agiere, Europa nur wenig zu bieten, hob der Bischof von Antwerpen hervor.
Beim traditionellen Karlsamt zu Ehren Kaiser Karls des Großen, der als Vater Europas verehrt wird, mahnte der Bischof, der viele Jahre in Rom im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen tätig war, solange die Kirche kaum gemeinsame Positionen zu Flüchtlingen, zu Ehe und Familie, zu Integration und Solidarität entwickle, könne sie nicht für ein offenes Europa eintreten. Europa dürfe aber von Christen erwarten, so Bonny, dass sie Brücken bauen zwischen Säkularisierung und Weltreligionen, sodass verschiedene Religionen und Lebensanschauungen einander treffen könnten: „Wir müssen so viele Menschen wie möglich zueinander bringen, damit Frieden herrscht.“
Jeder ist ein bisschen anders katholisch

Zuvor war der Bischof von der Stadt Frankfurt empfangen worden und hatte im Domgespräch mit dem Direktor des Hauses am Dom, Joachim Valentin, die Lage der katholischen Kirche im Bistum Antwerpen erläutert. Bischof Bonny betonte, die Menschen in Belgien hätten vielfach nur noch eine sehr schwache Bindung an die Kirche als Institution, obwohl die meisten immer noch christlich geprägt seien. Er setze in seiner Diözese zwar auf missionarische Projekte, um eine neue Bindung an die Kirche zu schaffen. Aber die Unterschiede im Glauben seien auch in einer Diözese wie Antwerpen mit etwa 1,3 Millionen Katholiken riesig. Menschen aus vielen Nationen und Kulturen brächten ihre unterschiedlichen Vorstellungen ein. „Auch wenn ein Bischof für alle da sein soll, ist doch jeder ein bisschen anders katholisch als ich.“ Da gehe es ihm in Antwerpen, der zweitgrößten Stadt Belgiens kaum anders als dem Papst, der weltweit für die eine katholische Kirche stehe.
Der „Synodale Weg“ in der katholischen Kirche in Deutschland, der am 30. Januar in Frankfurt seine Arbeit aufnimmt, sei deshalb eine gute Gelegenheit, die eigenen Ansichten in die Weltkirche hineinzutragen. Bischöfe „in Afrika oder Indien, Deutschland oder Italien“ seien zwar Brüder, hätten aber wie jede Familie mit ganz unterschiedlichen Schwierigkeiten, Sorgen und Themen, mit unterschiedlichen Mentalitäten und Auffassungen zu tun. „Wir müssen Rechenschaft ablegen und um Glaubwürdigkeit ringen“, unterstrich der Bischof, aber jeder seiner Amtsbrüder müsse in je eigener Weise mit dem eigenen Kirchenvolk sprechen und einen eigenen Weg unter dem weltweiten katholischen Dach finden.
Gründervater Europas
Zum Todestag Karls des Großen erinnert die katholische Stadtkirche Frankfurt alljährlich mit dem Karlsamt an den Gründervater Europas, der auch Patron der Stadt und des Kaiserdoms ist. In dem farbenprächtigen Gottesdienst, zu dem traditionell auch Vertreter der Ritterorden in den Dom einziehen, erklingen mittelalterliche lateinische Gesänge wie die Karlssequenz, ein Lobgesang auf Kaiser und Stadt, und die Kaiserlaudes, in der Huldigungsrufe an Christus mit Bittrufen für Kirche, Papst, Bischof, das deutsche Volk und alle Regierenden verbunden werden. Jedes Jahr predigt ein anderer europäischer Bischof im Karlsamt und legt seine Auffassung von einem christlichen Europa dar.
Karl der Große gilt als Gründer Europas nach dem Ende des römischen Imperiums. Er starb am 28. Januar 814. Im Jahr 794 hatte er eine Reichssynode nach Frankfurt berufen und so für die erste schriftliche Erwähnung der heutigen Main-Metropole gesorgt. Seit mehr als 600 Jahren gedenken die Frankfurter Katholiken immer am letzten Samstag im Januar dieses „Vaters des Abendlandes“ und beten für eine gute Zukunft Europas.
Kaum eine Persönlichkeit hat Europa im frühen Mittelalter so geprägt wie Karl der Große. Er gilt in der Geschichtsschreibung bis heute als großer Politiker und geistiger Vordenker eines vereinten Europas, als Stratege und Reformer der Verwaltung, aber auch als Machtmensch und Unterdrücker. Mit einer umfassenden Bildungsreform und der Schaffung von verbindlichen wirtschaftlichen Vorschriften legte er wichtige Grundsteine für die Entwicklung Mitteleuropas im Mittelalter. Sein Reich konnte er aber nur durch gleichermaßen geschickte wie rücksichtslose Machtpolitik aufbauen.