FRANKFURT, 23.11.2020
Die Hula-Hoop-Reifen warten - Domsingschule im Lockdown
Hermia Schlichtmann steht im Lager des Dompfarrsaals und zieht einen bunten Hula-Hoop-Reifen aus einer Tasche. „Spiel und Spaß in der Domsingschule“, scherzt die Leiterin in dem Bemühen, der Situation ein bisschen Leichtigkeit abzuringen. Doch die Reifen haben einen ernsten Hintergrund. „Die haben wir vor dem zweiten Lockdown, als wir noch proben durften, auf den Boden gelegt, um beim Singen den notwendigen Abstand zu markieren“, erklärt Hermia Schlichtmann.
Die Domsingschule bekommt derzeit die volle Härte des sogenannten Lockdown Light zu spüren, der vorerst bis Ende November gilt. „Im Moment dürfen wir gar nicht proben“, sagt die Domkantorin. Da helfen auch Reifen, Maske und Handdesinfektion nichts, die nach dem ersten Lockdown schnell zur neuen Probenrealität geworden waren.
Im zweiten Lockdown gehen Chorleiter und Stimmbildner nun verschiedene Wege. „Die Kantoren proben per Zoom, und auch die Stimmbildung findet digital statt“, berichtet Hermia Schlichtmann. Sie leitet die Knabenchöre und schickt ihren „Jungs“ regelmäßig E-Mails mit musikalischen Rätseln, bei denen es sogar kleine Preise zu gewinnen gibt. „Darüber freuen die sich sehr“, so ihr Eindruck. Und auch die Kleinsten, die „Bartholomäuse“ (5-6 Jahre), treffen sich unter Leitung von Jennifer Beutlich digital. „Aber das ist dann schon ein ganz schöner Trubel“, so Hermia Schlichtmann lächelnd.
Die meisten Kinder bleiben dabei
Wichtig ist es ihr vor allem, Kontakt zu den Kindern zu halten, auch, um ihnen eine Perspektive für ein „Danach“ aufzuzeigen. Das scheint auch gut zu gelingen: „Im ersten Lockdown sind kaum Kinder abgesprungen, das gibt uns Hoffnung“, berichtet Martina Schlüter, Mitarbeiterin der Domsingschule. 266 Schüler von 5 bis 18 Jahren sind aktuell angemeldet, darunter 50 „Bartholomäuse“.

Der erste Lockdown im Frühjahr habe bei ihr eine regelrechte Schockstarre ausgelöst, erinnert sich Hermia Schlichtmann. Doch nach und nach habe man sich arrangiert und neue Wege gefunden. Als nach den Sommerferien wieder geöffnet werden konnte, richtete man sich eben ein, soweit es ging. Zum Beispiel, indem die Chorproben nicht mehr in der großen Gruppe, sondern in Kleingruppen zu unterschiedlichen Terminen stattfanden. „Im Grunde haben wir die Domsingschule nach den Sommerferien mal eben neu konzipiert“, sagt die Leiterin nachdenklich. „Mal eben“ war daran aber natürlich gar nichts.
Begeistert und beeindruckt
Im Gegenteil, es war eine Mammutaufgabe, für die mehr Personalkapazität und auch zusätzliche Räume gebraucht wurden. „Wir haben in dieser Zeit in zwölf Räumen und drei Kirchen geprobt: Dom, Allerheiligen und St. Bernhard“, berichtet Hermia Schlichtmann. Sie ist begeistert und beeindruckt von der großen Hilfsbereitschaft der Pfarreien. „Sehr dankbar bin ich auch unserem Förderverein, der die zusätzlichen Kapazitäten unserer Gesangslehrerinnen und -Lehrer trägt“, betont sie. 9 Quadratmeter für jede Sängerin und jeden Sänger mussten gewährleistet werden, geprobt werden durfte maximal 30 Minuten.
Evensong – einfach unvergleichlich
Doch Hermia Schlichtmann hat in der Pandemie dennoch einiges Schönes erlebt, zum Beispiel den Evensong der Grundschuljungs im September, der ihr zunächst ziemliches Kopfzerbrechen bereitete. Doch auch wenn die Kinder beim Auftritt im Dom weit auseinander stehen mussten: Die Freude, mit der sie an den Evensong heran gegangen seien, sei einfach unvergleichlich gewesen. „Das war der absolute Knaller, sie haben sich so ins Zeug gelegt“, schwärmt sie.

Generell sei das wenige, was in diesem Jahr habe stattfinden können, sehr besonders gewesen, darunter auch der Evensong der Stimmbildner im Juli und die Einführung von drei jungen Kantoren an Allerheiligen. Natürlich habe auch ganz viel ausfallen müssen. Doch so manches kann auf nächstes Jahr verschoben werden – wie die Idee eines kleinen Konzertes im Chorraum mit seinem Säulenumgang in St. Bernhard. Generell fände Schlichtmann es charmant, wenn die Schüler einfach häufiger in normalen Gottesdiensten singen würden. „Corona macht gerade ganz viele Türen zu, aber es öffnen sich auch Neue“, so die Leiterin vorsichtig optimistisch. Immerhin sind sie und ihr Team nun bestens vorbereitet, wenn irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wieder geprobt werden darf. Die Hula-Hoop-Reifen warten schon.