KEVELAER, 01.05.2020
Ein Gottesdienst mit Herzbeben
Unter besonderen Bedingungen ist die neue Wallfahrtssaison in Kevelaer eröffnet worden. Nach einem festlichen Gottesdienst öffnete der Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing, das Pilgerportal der Marienbasilika mit drei symbolischen Hammerschlägen. Erstmals wurde das Portal nicht von außen, sondern von innen geöffnet. Wegen der Corona-Krise konnten nur 150 Menschen den Gottesdienst vor Ort mitfeiern, der für alle anderen Gläubigen ins Internet übertragen und auf dem Fernsehsender EWTN gezeigt wurde.
Wallfahrtsrektor Gregor Kauling begrüßte den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz in dem niederrheinischen Wallfahrtsort. Ebenso hieß er die Gläubigen willkommen, sowohl in der Basilika als auch zuhause. „Wir sind eine Menschheit der Betroffenheit, wir sitzen alle in einem Boot“, sagte er. Gerade in dieser Zeit könne es gut tun, „wenn Türen und Fenster aufgehen – besonders das Fenster zu Gott.“ Bischof Bätzing bedankte sich für die Einladung und gab zu: „Mein Herz bebt in dieser Stunde etwas“. Und das nicht nur wegen der vielen Erinnerungen, die er schon aus seiner Kindheit an Kevelaer habe, sondern weil es möglich sei, „seit vielen Wochen wieder von Angesicht zu Angesicht Gottesdienst feiern zu können.“ Dabei gelte, dass dies mit Augenmaß, Vorsicht und Verantwortung füreinander geschehen müsse. Die Krise sei noch nicht vorbei. Ausdrücklich dankte er daher auch all jenen, die nicht in die Basilika gekommen waren, sondern den Gottesdienst im Fernsehen oder Internet verfolgten.
Das Gnadenbild von Kevelaer
Bischof Bätzing ging insbesondere auf das fast 400 Jahre alte Gnadenbild von Kevelaer ein, das eine Muttergottes mit Kind und königlichen Kronen zeigt. Dieses sei „keine kostbare Ikone oder prächtige Marienstatue“, sondern ein kleines Andachtsbild. Die seit Jahrhunderten anhaltende große Wirkung sei erzielt worden „durch die Frömmigkeit einfacher Leute, des Händlers Hendrick Busman und seiner Frau“, blickte Bätzing zurück und schlug den Bogen in die heutige Zeit: „Fast kommt es mir vor wie die vielen kreativen Ideen, die in den letzten Wochen in christlichen Familien, in den Häusern und kleinen Gemeinschaften entstanden sind, als wir nicht zusammen Messe feiern konnten. Die kleinen Gesten, die einfachen Zeichen von Licht, Palmzweig, Kreuz, Marienbild, Rosenkranz, geistlichen Liedern und Gesängen bekamen ,tragende‘ Bedeutung, denn sie trugen und tragen weiterhin viele Menschen in dieser so anspruchsvollen Zeit eingeschränkter Sozialkontakte und solidarischer Sorge um die besonderen Risikogruppen. Wieder neu erleben wir eine Stunde echter Volksfrömmigkeit, die in kreativer Weise Zeichen entwickelt, um dem Erlebten und Erlittenen Sinn und Bedeutung zuzuweisen.“
Dennoch sei es möglich, bei Maria Trost zu finden. Sie fühle mit den Ängsten der Menschen, kenne Sorgen und Schmerzen und habe den Tod ihres Sohnes erlitten, bei dem sie ohnmächtig danebenstehen musste. Bätzing: „Sie kennt trauernd die schwere Last des Verlustes ihres Einzigen und weiß, was es heißt, solches zu tragen. Darum wenden wir uns so gern an Maria und erfahren ihre Sympathie als Trost im Leid. In diesen Corona-Zeiten gewinnt das Gnadenbild von Kevelaer neu an Bedeutung.“
Kritik übte Bischof Bätzing am Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, mit dem die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe für rechtens erklärt wurde. Das erschüttere ihn und stelle einen „tiefen Einschnitt in die Rechtskultur und die ethischen Grundwerte unseres Landes dar. Galt bislang das Recht des Lebens als oberstes Prinzip und der Schutz des Lebens als vornehmste Pflicht des Staates, so wird nun die autonome Selbstbestimmung des Menschen darüber gestellt und die Selbsttötung sozusagen zum Inbegriff der Autonomie des Menschen, die von Staat und Gesellschaft zu respektieren sei“. Das Urteil fordere Christinnen und Christen heraus, „ganz entschieden für die Heiligkeit und Unverfügbarkeit des Lebens einzutreten, für das Lebensrecht der Schwachen, Kranken, Leidenden und Sterbenden. Sie haben Lebensanspruch und Lebensrecht bis zum letzten Atemzug“. Bischof Bätzing betonte, dass auch das Recht auf Selbstbestimmung des Einzelnen ein hohes Gut sei. Dem Respekt vor dem menschlichen Leiden und vor freien Entscheidungen werde dadurch viel eher entsprochen, wenn menschenwürdiges Leben bis zum Ende und damit menschenwürdiges Sterben möglich blieben. „Darum werden wir unseren Einsatz für die Palliativmedizin und die Hospizarbeit verstärken und gegen allen ökonomischen Kostendruck dafür öffentlich eintreten“, betonte Bischof Bätzing. „Der weite Mantel menschlicher Fürsorge ist bei weitem der sicherste Raum für menschliches Leben und Sterben in Würde. Das ist in dieser Zeit vielleicht die wichtigste Botschaft des Gnadenbildes von Kevelaer.“
Nach dem Gottesdienst nutzte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, begleitet von Fahnenabordnungen verschiedener Kolpingfamilien, die Gelegenheit zu einem Gebet am Gnadenbild. Als Zeichen der Verbundenheit war das Fenster der Gnadenkapelle, das sonst bis zum Beginn der Wallfahrtszeit geöffnet ist, bereits zu Beginn der Corona-Pandemie geöffnet worden, um den Menschen das Gebet am Gnadenbild zu ermöglichen.
Hintergrund
Die Wallfahrt in Kevelaer geht auf das Jahr 1642 zurück. Der Leitgedanke der diesjährigen Wallfahrtssaison ist dem Buch Exodus des Alten Testamentes nach einer Übersetzung von Martin Buber entnommen: „Ich bin, wo Du bist!“ (Ex 3,14). Informationen zur Wallfahrt unter www.wallfahrt-kevelaer.de
Predigt im Wortlaut
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Predigt Kevelaer
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