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LIMBURG, 01.05.2020

Ein Lobbyismus für gutes Zusammenleben

Kirchliche Würdenträger und Politiker eng im Austausch: Dr. Wolfgang Pax erzählt als Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe im Land Hessen, wie die Kommunikation in diesen Krisentagen funktioniert.

Drei Fragen an Dr. Wolfgang Pax, Bischofsvikar für den synodalen Bereich und Leiter des Kommissariats der katholischen Bischöfe im Land Hessen

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre Arbeit aus und wie beurteilen Sie die Kommunikation zwischen Land und Kirche derzeit? 

Ich stehe seit Corona nun noch mehr über Telefon- und Videokonferenzen mit den Gesprächspartnern aus Ministerien und Behörden im Kontakt. Für Hessen kann ich sagen, dass die Kommunikation zwischen Landesregierung und Kirchen ausgezeichnet läuft. Da wir gute und bewährte Gesprächs-und Austauschformate haben, bewähren sich diese auch in der Krise. Einige Themen sind besonders wichtig: die Frage der wieder möglichen gefeierten Gottesdienste in der Öffentlichkeit war in den letzten Tagen ein wichtiger Gesprächsstrang. Da gibt es dann auch sehr kurzfristige Meetings, was in den digitalen Formaten auch deshalb gut geht, weil keine Fahrtzeiten anfallen. Die Wiederöffnung der Schulen ist ein Thema der engen Absprache, da die Schulen in kirchlicher Trägerschaft ebenfalls von den Vorgaben und Regelungen betroffen sind. Der große Bereich der Kitas betrifft uns in vielen Facetten: von den wirtschaftlichen Fragen über die Notbetreuung bis zu den Anforderungen, die Familien in der aktuellen Situation haben und welche Unterstützungen möglich sind. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Wie für viele andere auch verlangen die Umstände derzeit eine hohe Flexibilität, zur Verfügung zu stehen. Und selbstverständlich betreffen mich alle Dynamiken der Lage auch persönlich: Bereits seit letzter Woche trage ich in der Öffentlichkeit einen Mund- und Nasenschutz. Mein Patenkind hat mir einige Masken genäht. Das alles ist durchaus gewöhnungsbedürftig.

Weil Gottesdienste für mehrere Wochen und vor allem über Ostern öffentlich nicht stattfinden durften, gibt es die Kritik, Kirche würde Politik hier einfach gewähren lassen. Wie gehen Sie mit solchen Kommentaren um?

Ich selber habe sehr den Verlust gespürt, an Ostern keinen Gottesdienst mit einer Gemeinde feiern zu können. Ich weiß, dass vielen Menschen wie mir die Osternacht und die ganz besondere Liturgie, die nun einmal nur in dieser Nacht möglich ist, sehr gefehlt hat. Deshalb habe ich volles Verständnis für jeden, der sagt, dass das derzeit eine ganz schwierige Situation ist. Die Regelungen sind ein heftiger Eingriff in die grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte, unter anderem auch in die Religionsfreiheit. Die Kirchen vertreten aber auch die Meinung, dass der Schutz von Menschen jetzt Priorität hat und wir nicht verantworten können, dass sich jemand bei uns im Gottesdienst infiziert. Deshalb haben die Kirchen auf digitale Live-Übertragungen und Streaming-Dienste zurückgegriffen. Wohl wissend, dass eine digitale Messe nicht dasselbe ist wie in einem Kirchenraum mit der Gottesdienstgemeinschaft. Das kann einen verärgern und das darf man auch sachlich äußern. Wir haben die Regelungen hingenommen, weil wir zur Minimierung der Infektionsrate beitragen wollen. Und insgesamt haben die bisherigen Maßnahmen dazu beigetragen, dass die Infektionsdynamik zurückgegangen ist und das medizinische System nicht überlastet wurde. Nun können wir aber in eine neue Phase eintreten und Gottesdienste mit erheblichen Voraussetzungen und Einschränkungen öffentlich wieder feiern. Abstandsregelungen, der Verzicht auf Gemeindegesang, eine Regelung, wie die Namen der Anwesenden für die Nachverfolgung von Infektionsketten aufgenommen werden können – das ist schon sehr anders, als wir es gewohnt sind. Und noch eins: es gehört sonst sehr zum Gemeindegottesdienst dazu, dass viele sich vor und vor allem nach dem Gottesdienst begrüßen, miteinander reden, sich austauschen, ich persönlich freue mich auch immer darauf. Jetzt aber müssen wir alle bitten, genau dies nicht zu tun, sondern direkt in die Kirche zu gehen und unmittelbar wieder nach Hause zurück. Daher ist es sehr sinnvoll und auch erforderlich, weiterhin sonntags auf die Fernseh- und Radiogottesdienste und online Live-Gottesdienste zu verweisen,  damit die Menschen mit Risiken sich nicht gezwungen fühlen, in einen Gottesdienst zu gehen.

Würden Sie sich als Lobbyisten bezeichnen?

Lobbyist ist ja nun für viele ein negativ besetztes Wort oder sogar ein Schimpfwort. Für mich gibt es einen fairen und unfairen Lobbyismus. Wenn Sie Lobbyismus so beschreiben sollten, dass eine spezifische Organisation ihre Interessen durchzusetzen versucht und das mit allen, also auch unfairen Mitteln, dann bin ich kein Lobbyist. Ich habe den Anspruch, eine faire Form der Interessensvertretung, also einen fairen Lobbyismus zu betreiben. Wir können nur für die Dinge, die wir für wichtig halten, eintreten, in einer Art und Weise, die dem Evangelium gemäß ist. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, sondern die Glaubwürdigkeit der Mittel und die Glaubwürdigkeit der Inhalte bilden eine Einheit. Wenn wir uns zum Beispiel an Debatten zu Friedhofs- und Bestattungsverordnungen beteiligen, dann nur weil wir eine bestimmte Vorstellung von der Würde des Menschen auch nach dem Tod haben. Viele Themen, die ich in den politischen Kontexten anspreche, haben das Ziel, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und unserem Land gut weiterzuentwickeln. Die leitende Vorstellung ist das Bild vom Menschen, wie wir Christen es aus unserem Glauben verstehen. Beispielsweise gehört dazu der besondere Schutz des Sonntags, der kein Verkaufstag werden soll. Das sehen andere anders. Wir setzen uns mit den verschiedenen Aspekten auseinander und sehen doch noch immer sehr viele gute Gründe, den Rhythmus von Arbeit und Erholung, gemeinsamer freier Zeit für Begegnung, Austausch und auch für Gottesdienst und Gebet nicht den Einkaufsinteressen, die es auch gibt, dem Konsum und den Marktinteressen unterzuordnen. Wenn Sie das Eintreten dafür als Lobbyismus sehen, dann ist es ein Lobbyismus für gutes Zusammenleben, sozusagen ein Lobbyismus für den Menschen, und ich lasse mich gerne als Lobbyisten bezeichnen.

Wie geht es Erzieherinnen und Erziehern in der Notbetreuung? Mit welchen Gefühlen tritt ein Krankenhausseelsorger seinen Dienst an? Was macht ein Kirchenmusiker, wenn Chorproben und Gottesdienste ausfallen? Und wie organisieren Seelsorgerinnen und Seelsorger die Pastoral vor Ort? Das Bistum Limburg will mit einer neuen Reihe von Kurzinterviews einen Einblick in den Alltag von Menschen in Zeiten von Corona eröffnen.  Alle Beiträge finden Sie auf unserer Themenseite: bistumlimburg.de/thema/drei-fragen/

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