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FRANKFURT, 14.08.2020

Eine Ausnahmesituation, Tränen und Leid

Druck, Angst, anstrengende Schichten und eine heimtückische Krankheit: Aus erster Hand erfuhr Bischof Georg Bätzing im Krankenhaus von den Herausforderungen der Corona-Krise.

Zuhören, die Innenperspektive kennen lernen und aus erster Hand von den Herausforderungen in der Corona-Zeit erfahren – mit diesem Anliegen ist Bischof Georg Bätzing am Donnerstag, 13. August, zu Gast im Krankenhaus Nordwest in Frankfurt gewesen. Eineinhalb Stunden tauschte er sich mit Beschäftigten verschiedener Professionen aus: Das sei ein hoher Gewinn für ihn gewesen, lautete im Anschluss das Resümee des Bischofs, der seinen Besuch auch als Zeichen der Aufmerksamkeit und Wertschätzung verstanden wissen wollte. Das Gespräch war organisiert worden vom dreiköpfigen katholischen Seelsorge-Team, das sich seinerseits über das große Interesse der Krankenhaus-Mitarbeiter freute. „Alle, die wir angesprochen haben, signalisierten sofort ihre Bereitschaft“, sagte Seelsorgerin Ursula Winter, die  später noch ein Kompliment hinzufügte: „Es macht Spaß hier im Haus.“

In einem solchen Forum über das sprechen zu können, „was uns bewegt“, komme auch sehr selten vor, sagte Pflegedirektor Martin Hußing. Er freue sich über die gemeinsame Zeit, meinte er an den Bischof gewandt. Klare Worte fand er gleich zu Beginn in Richtung Politik: „Wir hätten uns deutliche Zeichen für die Stärkung dieser Berufe gewünscht.“ Ungewiss seien die finanziellen Folgen für das Haus. Positiv verändert habe sich die Gesprächskultur: „Wir haben gelernt, anders miteinander zu sprechen“, so Hußing, der sein Statement mit einem Dank an die Seelsorge verband. Sie sei fester Bestandteil des Hauses.

"So etwas noch nie erlebt"

Eindrücklich, offen und teilweise sehr emotional berichteten Pflegende, Ärztinnen und Ärzte von ihren Erfahrungen in den vergangenen Monaten. Von der körperlichen Belastung durch anstrengende Zwölf-Stunden-Schichten war dabei ebenso die Rede wie von Angst und eigenen Grenzerlebnissen. „Ich bin seit 1982 dabei und habe so etwas noch nie erlebt“, sagte eine der Pflegebereichsleiterinnen. Es sei „beeindruckend“ gewesen, wie Menschen in derart kurzer Zeit in einen lebensgefährlichen Zustand geraten seien. Ein Großteil der Pflegeheimbewohner sei gestorben. Dass Angehörige in diesen Situationen nicht Abschied nehmen konnten aufgrund der Besuchsregelungen, war ein mehrfach wiederkehrendes Thema in der Runde. „Viele Tränen und viel Leid“, fasste die zuständige Pflegeleiterin die Situation auf den  Palliativstationen in Worte. Die Maßnahmen hätten mit „Macht und Ohnmacht“ zu tun, sagte sie. Es sei schlicht belastend, wenn ein Sohn ein Formular ausfüllen müsse, um seine sterbende Mutter zu sehen. „Wer hat da Angst vor was?“ fragte sie und bejahte die Aussage des Bischofs, dass die Regeln eine erhebliche Anfrage an das eigene Arbeitsethos zur Folge hatten.

"Wie viel Medizin wollen wir uns leisten?"

Von „dem großen Druck“, mit dem man morgens zur Arbeit gegangen sei, erzählte einer der anwesenden Ärzte. Bei der Behandlung sei man letztlich „im Dunkeln getappt“, weil auch die Wissenschaft noch keine Antworten gehabt habe. Herausfordernd sei es gewesen, den jüngeren Kollegen die Angst zu nehmen. Wie das funktioniere? „Viel miteinander sprechen.“ Er wünsche sich, so der Oberarzt der medizinischen Intensivstation, dass über die entscheidenden Fragen breit diskutiert werde. „Wie viel Medizin wollen wir uns leisten?“ Dass darüber nicht öffentlich gesprochen werde, sei frustrierend. Dasselbe gelte für den Mangel an Medizinprodukten. Und für den Umgang mit Pflege und das Verhältnis von Wertschätzung und Bezahlung. „Wie viel Dank da letztlich übrig geblieben ist.“, merkte er kritisch an.

Seelsorge ist Teil des Systems

Er verstehe das als gemeinsame Aufgabe, sicherte ihm der  Bischof zu und versprach, das Thema seinerseits im Gespräch zu halten. Nicht nur er zeigte sich im Nachgang sehr beeindruckt von der Runde. Er habe ebenfalls viel Neues gehört, meinte Andreas Böss-Ostendorf vom Seelsorge-Team. In der Krise sei einmal mehr deutlich geworden, dass die Seelsorge Teil des Systems und damit systemrelevant sei, resümierte seine Kollegin Andrea Gerhards. Bei aller anfänglichen Verunsicherung sei es für sie drei selbstverständlich gewesen zu signalisieren: „Wir sind da, wir bleiben hier vor Ort, Ihr könnt uns rufen.“

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