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FRANKFURT, 05.11.2020

Eine Kerze für die Toten der Welt

Mit einem bewegenden Gottesdienst haben Frankfurter Gläubige aus verschiedenen Ländern ihrer Verstorbenen gedacht. Dabei war Corona natürlich auch ein Thema.

Wenn schon in normalen Zeiten der Gang zum Grab der Familie schwierig ist, weil die geografischen Entfernungen unüberbrückbar sind, dann war es dieses Jahr schlicht unmöglich.  Katholiken anderer Muttersprache haben daher seit mehreren Jahren den Brauch, an Allerseelen sich zum gemeinsamen Gebet in Liebfrauen zu treffen.

Eine Kerze für die Toten der Welt, ein Licht entzünden für die Menschen, deren Gräber nicht besucht werden kann, das ist in diesem Corona Jahr noch wichtiger als sonst. Menschen aus neun unterschiedlichen Sprachgruppen haben stellvertretend die Situation ihrer Herkunftsländer beschrieben und im Gebet vor Gott gebracht, eine weitere Bitte brachte betend Erfahrungen aus Deutschland vor. Nach jeder Klage oder Bitte wurden einige Körner Weihrauch aufgelegt. Immer wieder sang  der Kantor ruhig: „Unser Beten steige auf zu Dir, wie Weihrauch Gott vor Deinem Angesicht!“

Werden die durch Corona verursachten Verluste alle menschliche Solidarität zerstören?

„Das Wort Pandemie heißt das ganze Volk betreffend“, so sagte es der Beitrag aus der Italienischen Gemeinde. Und fuhr fort: „Das Volk, das vom Corona betroffen ist, lässt sich nicht geografisch eingrenzen… Die ganze Welt ist betroffen, alle Menschen sind betroffen.  In Italien haben in den letzten Wochen die Aggressionen stark zugenommen“, sagte die Italienerin.

Stimmen aus den Philippinen und Ungarn, aus dem Libanon und Lateinamerika erzählten von Leid, das nicht in unsere Nachrichten kommt. Während hier verstorbene Eritreer traditionell zurück in die Erde ihrer Vorfahren gebracht und dort beerdigt werden, hat Corona dies unmöglich gemacht. Die strenge Abschottung verhindert jeglichen Grenzverkehr.

Noch nicht einmal die Toten kommen zu den Gräbern ihrer Vorfahren.

Stimmen aus Frankreich, Polen und den USA zeigten, dass Corona uns alle betrifft und wir mit Ängsten, Verlust und Sorgen im Gebet gemeinsam vor Gott stehen.

Zum Schluss der Liturgie konnten alle mit einer Kerze langsam und mit Abstand – und doch zusammen – durch die Kirche ziehen und das Licht der Osterkerze bei der Marienstatue im Innenhof abstellen. So leuchtete auch in diesem Jahr eine Kerze für die Toten der Welt.

Von Brigitta Sassin

Textblatt mit Gebeten für die einzelnen Länder

  • Italien: Pandemie, „das ganze Volk betreffend“… Das Volk, das vom Corona betroffen ist, lässt sich nicht geografisch eingrenzen… Die ganze Welt ist betroffen, alle Menschen sind betroffen. In jedem Land auf unterschiedliche und doch sehr ähnliche Art und Weise kämpfen die Menschen gegen etwas Unsichtbares und doch so Mächtiges. In diesem Jahr ist uns viel verloren gegangen: wir haben geliebte Angehörigen verloren, wir haben die Arbeit verloren, wir haben teilweise unsere Freiheit verloren, wir haben eine gewisse Sicherheit verloren, wir haben unser Vertrauen in andere Menschen, in die Institutionen, in die Politik verloren, wir haben vielleicht auch ein Stück Hoffnung in die Zukunft verloren… Was wird all dieser Verlust mit uns machen? Wie werden wir uns verändern? Seit einigen Tagen ist Italien von einer Welle Wut und Aggression heimgesucht worden. Corona hat zunächst viel solidarisches Handeln freigesetzt … jetzt machen sich Ängste, Frustration, Gewaltbereitschaft, rechtsextremistische Tendenzen breit… Corona ist nicht mehr nur eine Drohung für unsere Gesundheit und für unser Leben, sondern auch für das friedliche, solidarische, liebesvolle Miteinander der Menschen.
  • Polen: Was ist in diesem Jahr in Polen anders durch Corona? Die Tradition verlangt, dass auf den Gräbern von nahen und entfernten Verwandten eine Kerze angezündet wird. Nach dem Brauch werden auch Gräber besucht, die in Vergessenheit geraten sind. Für Polen ist Allerheiligen auch ein Fest der Familie. Viele Polen nehmen weite Reisen auf sich, um an jedem Familiengrab mindestens eine Kerze zu entzünden. Die zunehmende Coronavirus-Pandemie und ein rapider Anstieg der Zahl der Krankheitsfälle haben es diesmal vielen Menschen unmöglich gemacht, nach Polen und innerhalb von Polen zu reisen. Aufgrund der wachsenden Zahl von Coronavirus-Infektionen in Polen wurden Messen und Prozessionen auf Friedhöfen abgesagt. Die Bischöfe ermutigen auch dazu, den Friedhof einzeln aufzusuchen. Wir beten für die Verstorbenen, an deren Gräber wir nicht gehen können.
  • Eritrea: Seit März ist Eritrea im Lockdown, es gibt Ausgangsbeschränkungen und viele Einschränkungen im öffentlichen Leben. Das Land ist völlig isoliert. Die Grenzen sind zu. Seit Januar ist der Erzbischof von Asmara im Ausland und kommt von seiner ursprünglich kurzen Auslandsreise nicht mehr zurück nach Eritrea. Es gibt keine Flüge. Sonst sind immer die Leichen der im Ausland gestorbenen Eritreer von ihren Angehörigen nach Eritrea zurückgebracht worden, damit sie im Heimatboden bestattet werden. Doch das ist nicht möglich. Die Toten kommen nicht in die Erde zu ihren Vorfahren. Noch nicht mal die Toten kommen zu den Gräbern ihrer Lieben…
  • Libanon: In diesem Jahr mit Corona  geht es den Libanesen schlechter als in all den vielen Kriegsjahren. Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen liegt bei 30 bis 40 %, die Visumsanträge um das Land zu verlassen sind im 5-stelligen Bereich, steigende Hungersarmut, medizinische Versorgungsmangel mitten im Corona Zeiten, viele Institutionen, auch kirchliche gehen pleite. Es fehlt nicht nur eine Lösungsperspektive, sondern auch der Sinn für all das unnötige Leid und Armut in einem Land, dessen Gesellschaft zu großen Teil gebildet und kompetent ist. Es ist, als ob das Land auf Intensivstation ist, zwischen Leben und Tod, wir wissen nicht, wie es weitergehen kann. Wir erinnern uns mit Schmerz an die furchtbare Explosion, die am 4.August Beirut erschüttert hat. Herr, unser Gott, wir vertrauen Dir die vielen Menschen an, die an diesem Tag unter den Trümmern gestorben sind.
  • Ungarn: In der Pandemie ist Ungarn verhältnismäßig gut durch die erste Welle im Frühjahr gekommen. Jetzt aber entwickelt sich die zweite Welle dramatisch. Die Zahl der Infektionen und Todesfälle steigt sehr stark. Die aktuelle Verbreitung liegt bereits deutlich über der von Hessen. Anfangs waren besonders alte und kranke Menschen betroffen und wurden streng isoliert; jetzt aber zeigt sich, dass Menschen aller Altersgruppen betroffen sind. Seit Anfang September sind die Grenzen geschlossen, die Maskenpflicht und das Abstandsgebot sind ähnlich geregelt wie hier in Deutschland. In der ersten Infektionswelle erfolgten die Gottesdienste ausschließlich online. Dank der Medien, konnten bis in die kleinsten Dörfer auch Werktagsgottesdienste übertragen werden. Dies ist einerseits sehr gut, andererseits ist die Zahl der Gottesdienstbesucher nach der Lockerung der Regeln im Sommer deutlich gesunken. Lasset uns für die Kranken, Verstorbenen und deren Angehörige beten. Gib, dass wir in dieser Lage geistlich gestärkt werden.
  • Peru ist eines der Länder, die weltweit am schlimmsten von der Pandemie betroffen sind. Mehr als 31.000 Corona-Tote bei 32 Millionen Einwohnern - in keinem Land der Welt gab es gemessen an der Bevölkerungszahl so viele Tote, darunter auch viele junge Menschen ohne Vorerkrankung. Die Krankenhäuser sind mit den vielen Corona-Patienten überlastet; Kranke übernachten in privaten Zelten auf dem Gelände der Kliniken, weil keine Betten mehr frei sind. Sauerstoff ist knapp und teuer und vielerorts nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen. Viele Leute können sich eine Behandlung nicht leisten.
  • Deutschland:  Wir denken auch an die Menschen, die im vergangenen Jahr bei uns in Deutschland gestorben sind, besonders an diejenigen, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten, aber auch an die, die an anderen Krankheiten nicht behandelt wurden, weil die Krankenhausbetten für Coronapatienten frei gehalten wurden. Viele starben einsam, ohne dass ihre Angehörigen sie besuchen durften. Kinder haben Eltern, Enkel ihre Großeltern verloren. Durch die Restriktionen war es oft nicht einmal möglich, zur Beerdigung eines lieben Menschen zu gehen und sich am Grab angemessen zu
  • Frankreich: Corona in Frankreich bedeutet: Bereits mehr als 36 000 Todesfälle und 1,2 Mio Kranke aber auch 115. 000 Genesene. Der strenge Lockdown im Frühjahr hat gezeigt, wie viele einsame Mitbürger es gibt, die jetzt unter einem erneuten Lockdown leiden werden. Guter Gott, wir denken an die Ärzte und Krankenpfleger, die trotz Verzweiflung und Müdigkeit sich mit großen Einsatz um die Kranken kümmern: gib ihnen Kraft! Wir bitten für die Politiker, die schwierige Entscheidungen für das Gemeinwohl treffen müssen. Diese schwierige und unsichere Zeit verursacht Angst, Stress und Gewalt, wir denken an das Attentat und die Verstorbenen in Notre Dame von Nizza: wir bitten Dich um Frieden für alle Menschen auf der Welt. Herr, gib allen in der Pandemie Verstorbenen die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen! Herr, lass sie ruhen in Frieden. Amen.
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