GEISENHEIM, 02.10.2020
Kochtutorials sollen Mut machen
Eine Küche in Geisenheim. Karotten, Paprika, Kartoffeln, Rindfleisch, Zwiebeln - alle diese Zutaten stehen bereit. Daraus werden ein eritreisches und ein äthiopisches Gericht. Drei junge Frauen – zwei aus Eritrea und eine aus Äthiopien – sind in der Küche des Lorenz-Werthmann-Hauses in der Winkeler Straße in Geisenheim zu Gast. Ihr Einsatz in der Küche wird gefilmt. Das Video gehört zum Projekt „Vielfalt für Zuhause“ von Yama Rahimi. Der 28-jährige Student aus Afghanistan möchte mit diesem Projekt zeigen, wie vielfältig die Bewohner Deutschlands sind und wie spannend es ist, ihnen beim Kochen zuzuschauen oder die Gerichte nach zu kochen. Das Projekt ist in der Corona-Zeit entstanden und Rahimi arbeitet neben seinem Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach dafür.
„Ich habe in diesem Projekt bereits viele Videos gedreht“, erklärt Rahimi. „Eine Sache habe ich dabei vor allem gelernt: Die Zutaten an sich sind alle immer unterschiedlich – Größe, Farbe, Form, Geschmack. Trotzdem kommen sie in einen Topf und im Endeffekt haben wir ein leckeres Essen.“ Die Zutaten stünden nebeneinander und es ergebe eine Harmonie. Diese wünscht er sich auch von der Gesellschaft. „Wir sollten einander akzeptieren und können viel voneinander lernen. Diese Vielfalt ist sehr wertvoll für ein Land.“
Rahimi ist selbst geflohen
Ursprünglich stammt er aus Afghanistan und musste auch wegen seiner Kunst fliehen. „Wenn man in Afghanistan politische Kunst macht, wird das Leben schwieriger. Und ich war in einer solchen Situation. Sogar mein Leben war in Gefahr“, erklärt Rahimi. Dann habe er den Entschluss gefasst, nach Deutschland zu fliehen. „Es gab eine Zeit, da habe ich mich gefragt, vielleicht ist dein Leben nicht wichtig für dich selbst, aber wenn du stirbst, was passiert mit deiner Frau in dieser Kultur? In dieser unklaren Situation? Was passiert mit deiner Mutter, Vater, Familie. Vielleicht habe ich den Entschluss deswegen gefasst, mein Heimatland zu verlassen.“
Im Jahr 2015 kam er nach Deutschland. Um aus dem Flüchtlingsheim zu kommen, hat er sich Arbeit gesucht. Diesen Mut hätten viele Flüchtlinge nicht, deshalb will Rahimi sie unterstützen – auch mit dem Projekt „Vielfalt für Zuhause.“ „Mein Kochtutorial hat nur zwei Teile: Der erste Teil ist die Vorstellung der eigenen Person, des Herkunftslandes und des Gerichtes. Das ist sehr nützlich. Vielleicht brauchen diesen Schritt viele Flüchtlinge, damit sie sich engagieren“, sagt der 28-Jährige. Mit diesen Videos und der Vorstellung möchte er den Protagonisten seiner Videos Mut machen. Oft brauche man nur den Mut, sich vorzustellen und um eine einfache Arbeit zu bitten. „Der Lebenslauf für die Integration ist nur ein Wort: Mut“, sagt er.
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Engagement für andere und für sich selbst
Rahimi engagiert sich gern im Lorenz-Werthmann-Haus der Caritas. Dabei spielt auch eine emotionale Komponente mit, denn er hat zwei Jahre lang in diesem Haus gewohnt. Nun hat er hier sein kleines Studio und die Küche, in der die Kochtutorials gedreht werden. „Viele Menschen denken, dass Engagement heißt, sich für andere Menschen einzusetzen. Aber ich sehe das ein bisschen anders: Wir tun alles in der Welt nur für uns selbst. Wenn ich mich in der Gesellschaft engagiere, heißt das nicht, dass ich das für andere Menschen mache – das sieht so aus –, aber im Endeffekt mache ich etwas für mich selbst. Das bringt mir Freude, emotionale Gefühle, dafür engagiere ich mich immer.“
Das Leben ist für ihn eine Teamarbeit. Daher sei es sehr wichtig, sich für andere zu engagieren und gemeinsam zu arbeiten. Gemeinsam haben auch die drei jungen Frauen gekocht. Das Ergebnis: „Riecht nach Vielfalt“, sagt Rahimi.
Die Tutorials sind auf dem YouTube-Kanal „Vielfalt für Zuhause“ zu sehen.