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LIMBURG, 13.05.2020

Not macht erfinderisch

Wie sich der Arbeitsalltag von Lehrern verändert hat und welche kreativen Möglichkeiten es für den Unterricht per Computer ergibt, erzählt Birgid Sagmeister, Lehrerin an der Marienschule in Limburg.

Unterricht in Coronazeiten – das ist nicht nur eine große Umstellung für alle Schüler, sondern auch für die Lehrer. Wie sich der Alltag für Lehrkräfte verändert hat und welche kreativen Ideen es für den Unterricht per Computer gibt, erzählt Birgid Sagmeister. Sie ist Lehrerin an der Marienschule in Limburg und unterrichtet die Fächer Deutsch und katholische Religion.

Frau Sagmeister, wie hat sich Ihr Arbeitsalltag seit Corona verändert?

Die größte Veränderung für mich ist, den Schülerinnen und Schülern nicht mehr persönlich in der Schule, im Unterricht, in den Pausen zu begegnen. Stattdessen sitze ich nun jeden Tag stundenlang vor meinem PC, verschicke und beantworte zahllose Mails, lade Aufgabenstellungen auf eine Website hoch oder nehme an Videokonferenzen teil. Das ist auf Dauer nicht nur sehr anstrengend und zermürbend, sondern für mich als Lehrerin auch ziemlich frustrierend, weil dadurch das miteinander und voneinander Lernen in der Klassengemeinschaft nicht möglich ist. Und doch: „Jammern hilft nicht weiter“, sagte meine Mutter immer und „Not macht erfinderisch.“ Genau das hat sich für mich in der momentanen Krisensituation bestätigt. Ohne die digitalen Medien wäre zurzeit ein solch intensiver und persönlicher Kontakt zu meinen Schülern kaum möglich. Also verschicke ich nicht nur einfach Mails mit rein fachlichen Aufgabenstellungen, sondern füge auch stets aufmunternde, humorvolle, nachdenkliche Texte, schöne Fotos, kleine Videoclips oder kreative Anregungen als „Anhänge“ dazu, schreibe kleine Wettbewerbe aus, die die Kreativität sowohl meiner Schülerinnen und Schüler als auch deren Eltern oder Geschwister anregen und für ein wenig Abwechslung und kleine Lichtblicke in dem so eingeschränkten, stressigen „Corona-Familien-Alltag“ sorgen. Auf diese Weise entstand zum Beispiel eine „virtuelle Automobilausstellung“ mit Fotos von originellen Automodellen, die aus Vorrats- und Alltagsgegenständen „designt“ worden waren. Auch eine „virtuelle Buchschatzkisten-Ausstellung“ über Kinder- und Jugendbücher entstand auf diese Weise. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler schickten mir per Mail Fotos von Frühlingsblumen oder der aufblühenden Frühlingslandschaft, von Freudensprüngen, die sie zu Beginn der Osterferien gemacht hatten und vieles mehr. Diese Reaktionen freuten mich sehr und zeigten mir, dass sich die Mühe von jungen Kollegen gelohnt hat, mich in die „digitale Welt“ einzuführen und deren Möglichkeiten zu nutzen.

Und wie ist es bei den Schülern? Wie nehmen sie die neuen Unterrichtsformen an?

Ich hatte den Eindruck, dass sich viele Schülerinnen und Schüler zunächst einmal auf diese neuen Formen des Unterrichts freuten: Kein Unterricht in der Schule, das heißt, morgens viel länger schlafen können, sich den Tag selbst einteilen, mit dem Handy, dem Smartphone oder dem PC lernen, wann man will – dazwischen einfach mal ein bisschen „rumzocken“, mit Freunden Onlinespiele machen – und das ohne Einschränkung und ständige Kontrolle – das klang doch alles sehr verlockend. Doch bereits nach der ersten Woche war diese anfängliche Euphorie bei den meisten verflogen. Vor allem in den jüngeren Jahrgängen fällt es doch vielen noch sehr schwer, die Flut an unterschiedlichen Aufgaben und Arbeitsblättern in einer sinnvollen Reihenfolge und in überschaubaren Portionen eigenständig anzugehen, ihrem „Homeschooling“-Tag eine Struktur zu geben und konzentriert zu lernen. Bereits nach drei Wochen „Homeschooling“ wünschten sich die allermeisten Schülerinnen und Schüler nichts sehnlicher, als nach den Osterferien wieder in die Schule gehen zu dürfen und ihre Freunde, ihre Mitschüler in der Schule wiederzusehen, „ganz normalen Unterricht“ zu haben. Ergänzend kommt hinzu, dass bei weitem nicht in allen Familien die Voraussetzungen für effektives, ungestörtes Lernen gegeben sind, sei es, dass die notwendige technische Ausstattung nicht vorhanden ist, sei es, dass es mehrere Kinder unterschiedlichen Alters gibt oder beide Elternteile voll berufstätig sind und im Homeoffice arbeiten müssen. Da sind die Probleme vorprogrammiert.

Was sind aktuell für Sie persönlich die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Ich sehe für mich die größte Herausforderung darin, den Kontakt zu keiner meiner Schülerinnen und keinem meiner Schüler zu verlieren, sie zu ermutigen und ihnen zu vermitteln: „Wir lassen uns nicht unterkriegen! Wir halten zusammen! Gemeinsam sind wir stärker als dieses Virus! Und deshalb: Bleibt gesund und frohgemut!“

Wie geht es Erzieherinnen und Erziehern in der Notbetreuung? Mit welchen Gefühlen tritt ein Krankenhausseelsorger seinen Dienst an? Was macht ein Kirchenmusiker, wenn Chorproben und Gottesdienste ausfallen? Und wie organisieren Seelsorgerinnen und Seelsorger die Pastoral vor Ort? Das Bistum Limburg will mit einer neuen Reihe von Kurzinterviews einen Einblick in den Alltag von Menschen in Zeiten von Corona eröffnen.  Alle Beiträge finden Sie auf unserer Themenseite: bistumlimburg.de/thema/drei-fragen/

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