WIESBADEN, 03.07.2021
Immer wieder samstags in der Bonifatiuskirche
Immer samstags sind die Türen der St. Bonifatiuskirche weit geöffnet: Wer eintritt, wird mit einem freundlichen Gruß empfangen. „Herzlich willkommen“ steht auf dem Banner gleich am Eingang. „Herzlich willkommen“, sagt auch Simone Haack, die heute, am 3. Juli, an dem runden Stehtisch mit der brennenden Kerze darauf Dienst hat. Die Industriemeisterin Chemie gehört zum ehrenamtlichen Team der Citypastoral, das jeden Samstag von 11 bis 13 Uhr in der Kirche für Fragen und Gespräche präsent ist. Diesmal stehen die sechs engagierten Gemeindemitglieder allerdings einem besonderen, aus Limburg angereisten Gast Rede und Antwort: Bischof Georg Bätzing, der sich im Rahmen der Visitation der Pfarrei St. Bonifatius über das Angebot informiert.
„Das ist wie eine Wundertüte“ beschreibt Simone Haack das weite Spektrum der Anliegen. „Wir wissen nie, was kommt“, fügt sie hinzu. Manche Gespräche seien alles andere als einfach. So habe ein Vater ihr unter Tränen vom Unfalltod seiner achtjährigen Tochter erzählt. Ihr Angebot, mit ihm zu beten, habe er angenommen. Seitdem komme er immer zur selben Zeit zum Gebet in die Kirche. Manche stellten kritische Fragen zur Kirche, andere, vor allem ältere Menschen, wollten einfach nur mal reden: „Ich habe sonst niemanden“, diesen Satz habe sie schon oft gehört. Wieder andere interessieren sich für architektonische Details oder organisatorische Fragen wie die Anmeldung zu den Gottesdiensten. Aber es geht auch um ganz handfeste Hilfe. So unterstütze das Team eine des Schreibens unkundige Besucherin regelmäßig bei behördlichen Schreiben. Hilfsbereit sein, offen, tolerant und kommunikativ: So beschreibt sie das Anforderungsprofil für die Tätigkeit, die ihr sehr viel Spaß mache.

Das unterstreichen auch ihre Mitstreiter, die vorab schon zusammen mit Pfarrer Matthias Ohlig und Stadtdekan Klaus Nebel dem Bischof in einer kleinen Runde von ihrer Motivation und ihren Plänen berichtet haben. Entwickelt wurde die Idee der Citypastoral bereits 2008, als Christof May Kaplan in St. Bonifatius war. „Die Kirche steht hier herum, da muss was passieren“, habe May gesagt, erinnert sich Dietmar Horsmann. Er war schon damals Feuer und Flamme für die Idee und mit im Boot, bis 2013 das Projekt erst einmal auf Eis gelegt wurde. Der Neuanfang kam mit Pfarrer Matthias Ohlig, der seit 1. Mai 2017 Kooperator der Pfarrei ist. Er habe sofort gesehen, dass das so zentral gelegene Gotteshaus „ein Pfund der katholischen Kirche in dieser Stadt ist“, sagt Ohlig. Hier treffe sich ganz Wiesbaden, vom Obdachlosen bis hin zum Kulturpublikum bei Konzerten. Rund einhundert Besucher haben sie vor der Pandemie in den zwei samstäglichen Mittagsstunden schon gezählt, Einheimische, Einkäufer vom benachbarten Markt mit vollgepackten Tüten, Touristen aus der näheren und weiteren Umgebung, Suchende und Betende.
Viele seien froh, dort jemanden vorzufinden, sagt Horsmann. „Wir geben der Kirche ein Gesicht“, ergänzt Raimund Widder. Dass es gerade corona-bedingt nicht einfach sei, Nähe herzustellen, berichtet Maria Fuchs. „Bei einem Abstand von eineinhalb Meter entsteht einfach eine Barriere“, sagt die ehemalige Leiterin der Kindertagesstätte St. Bonifatius, die als einzige aus dem Team nicht mehr voll berufstätig ist. Dass die kleine Truppe es dennoch geschafft habe, während der gesamten Pandemie das Angebot aufrecht zu erhalten, sei „eine echte Leistung“, sagt Pfarrer Ohlig und auch der Bischof würdigt mit einem „Alle Achtung“ das ehrenamtliche Engagement und die Vielfalt, mit der die Citypastoral aufgestellt sei. Dazu gehörten die 60 Jugendlichen, die sich wöchentlich zum Abendlob träfen – und die er selbst am Vortag live erlebt hat – ebenso wie die Präsenz der indischen Schwestern, die jeden Tag in der Kirche eucharistische Anbetung halten. Schwester Angelus, eine von ihnen, steht darüber hinaus jeden Montag zum Seelsorgegespräch zur Verfügung. Ihr liegen besonders die jungen Leute am Herzen. „Wir müssen mehr für die Jugendlichen machen!“ lautet ihr leidenschaftlich und bewegt vorgetragener Appell an den Bischof.

Eine Sache der ganzen Stadtkirche
Der hat auch darüber hinaus ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche der Anwesenden. Es sei ihnen bislang nicht gelungen, weitere Ehrenamtliche zu gewinnen, räumt Pfarrer Ohlig ein: „Dabei ist das doch keine Privatangelegenheit der Boni, sondern eine Sache der ganzen Stadtkirche.“ Auch träumten sie schon lange von einem Pavillon draußen vor der Kirche. „Das Erste zuerst machen“, lautet der Rat von Bischof Bätzing. Erst brauche es die Menschen, dann könne ein Konzept mit Leben erfüllt werden. „Mal irgendwo hingehen, wo es brummt, und dort vor Ort fragen, wie das funktioniert“, schlägt er dem Team vor. Dass es unbedingt hauptamtliche Unterstützung brauche, darin stimmt er seinen Gesprächsteilnehmern ebenso zu wie in der Bewertung der Bonifatiuskirche und des Roncalli-Hauses „als Pfunde und Goldperlen“. Die Frage laute nur: „Was wollen wir damit machen?“ Wiesbaden müsse mehr ins Bewusstsein gerückt werden, wünscht sich Pfarrer Ohlig zuletzt. „Man muss sich stark aufstellen“, spielt der Bischof den Ball zurück und gibt eine deutliche Zusage: Wenn es heiße, „wir Katholiken wollen kraftvoll in diese Stadt hinein wirken“, dann „haben Sie das Bistum auf Ihrer Seite.“
Weitere Berichte rund um die Visitation sind zu finden auf der Homepage der Pfarrei unter https://www.bonifatius-wiesbaden.de.