Suchwort eingeben

FRANKFURT/LIMBURG, 05.03.2021

Trauernde trifft es besonders schwer

Die Pandemie wirkt sich dramatisch auf die Trauerkultur aus. Haupt- und Ehrenamtliche haben sich darüber nun ausgetauscht und auch auf Entwicklungen im Internet geschaut.

Die Corona-Pandemie trifft Trauernde besonders schwer. Darauf hat der Trierer Theologe Jürgen Burkardt am Donnerstag, 4. März, beim Tag der Trauerpastoral im Bistum Limburg hingewiesen. „Unter Corona gibt es mehr Einsamkeit in Krankheit, Sterben und Tod“, sagte der Trauerseelsorger. Weil Menschen während der Pandemie aufgrund der geltenden Beschränkungen nicht wie gewohnt Abschied von Angehörigen nehmen konnten, Kontakte beschränkt und eingeübte Formen zur Trauerbewältigung nur im kleinen Rahmen oder gar nicht stattfänden, werde die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse und Erfahrung erschwert. Burkardt leitet den Arbeitskreis Tod und Trauer im Bistum Trier, bietet Gesprächskreise an und ist in der Hospizarbeit tätig. Seiner Erfahrung nach betrifft das nicht nur Menschen, die während der Corona-Pandemie einen Angehörigen verloren hätten, sondern auch Trauernde, die vor vielen Jahren einen Schicksalsschlag erlebt haben und länger trauern.

Der Tag der Trauerpastoral wurde vom Arbeitskreis Trauerpastoral im Bistum Limburg veranstaltet. Zu dem Arbeitskreis gehören neben dem Zentrum für Trauerpastoral St. Michael in Frankfurt, das Referat 3./4. Lebensalter, die Trauerseelsorge Wiesbaden sowie die Klinikseelsorge des Bistums Limburg. Bei dem Treffen nahmen mehr als 80 haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus der Pfarrei- und Krankenhausseelsorge sowie der Hospizarbeit teil.

Viele Trauernde hätten mehr Unterstützung benötigt

„Die Länge der Beschränkungen und das Auftreten neuer Beschränkungen erforderten einen langen Atem und ist für Trauernde eine große Herausforderung“, so Burkardt weiter. Er wies daraufhin, dass während der Pandemie Wirkfaktoren, die Menschen in der Bewältigung von Trauer stärken, weggebrochen seien. Hierzu zählten zum Beispiel der Austausch miteinander, kirchliche und traditionelle Rituale aber auch die Gestaltung der Freizeit. Insbesondere während der Zeit des ersten Lockdowns seien Beerdigungen oft der einzige kirchliche Akt der Trauerseelsorge gewesen. „Das macht verständlich, warum Trauernde in Situation geraten sind, in denen sie mehr Unterstützung gebraucht hätten“, sagte der Theologe.

Ohne Ehrenamtliche ging es nicht

Zugleich würdigte Burkardt das Engagement und die Kreativität der Menschen und Engagierten vor Ort, um Anteilnahme auszudrücken. Kerzen an das Grab eines Verstorbenen stellen und der Witwe am Vorabend ein Bild per Smartphone schicken oder einen „Beerdigungskaffee to go“, bei dem eine Familie Tüten mit dem Bild des Verstorbenen, gefüllt mit Kuchen und Rührkaffee für die Trauergemeinde verteilten, seien bewegende Beispiele für Anteilnahme und Solidarität. Burkardt dankte auch allen Ehrenamtlichen in der Trauerbegleitung. Ohne deren Einsatz sei unter Corona-Bedingungen Trauerbegleitung nicht möglich gewesen. „Wir brauchen diese Leute. Wir brauchen die Kombination von Haupt- und Ehrenamt.“ 

Trauerkultur im Internet bekommt durch Corona neuen Schub

Dass sich durch das Internet eine eigenständige digitale Trauerkultur entwickelt, betonte die Theologin und Trauerberaterin Birgit Janetzky. Zwar habe diese Entwicklung schon lange vor Corona begonnen, die Pandemie beschleunige diese Transformation aber immens. Im Internet gebe es eine große Vielfalt an Angeboten: Von Videos auf Youtube, Foren im Internet, Gruppen in sozialen Netzwerken über Informations- und Onlineangeboten bis zu Podcasts und Chats. „Die Möglichkeiten sich auszudrücken, sind unendlich: Menschen schreiben auf einen Blog, nehmen einen Podcast auf, nutzen Facebook oder Instagram“, sagte Janetzky. Während anfangs Formen des Trauerns im digitalen Raum nachgebildet wurden, entstehen nun verstärkt neue von traditionellen Riten losgelöste Formen von Trauer. „Die Trauer wird bunt online. Das hat natürlich auch mit dem Online-Medium zu tun“, betonte Janetzky. „Ein Grundtenor vieler dieser neuen Angebote ist, alternative Wege der Trauer aufzuzeigen.“ Das Internet stelle ein Motor dar, weil es diese neue Sprache und Ästhetik der Trauer transportiere. Die Theologin warnte davor, diese Entwicklungen abzulehnen. „Die digitale Trauerkultur verändert sich. Wo wir aber vorsichtig sein sollten ist, vorschnelle Wertungen vorzunehmen und Vermutungen anzustellen, was da passiert.“ Das, was online geschehe, sei oftmals nur als eine Ergänzung zu verstehen. Traditionelle Formen und Orte der Trauer gingen nicht verloren.     

Das Thema Trauern und Corona hat in den vergangenen Wochen neue Bedeutung bekommen

„Die Begleitung von Menschen in Trauer und Tod hat sich dramatisch verändert“, betonte Verena Maria Kitz, Leiterin des Zentrums für Trauerpastoral St. Michael in Frankfurt. Vieles gehe nicht mehr, was vorher möglich war. Zugleich sei anders möglich geworden. Das Thema Trauer habe in den vergangenen Wochen und Monaten nochmals an Stellenwert in der Diskussion gewonnen. „Der Bundespräsident hat mit seinen Anstößen zum Lichtfenster und dem Gedenktag Akzente gesetzt.“ Die europäischen Bischöfe feierten in der Fastenzeit Gedenkgottesdienste. Man erlebe gerade stark, „wie sehr Trauer und Corona zusammenhängen“.

In verschiedenen Kleingruppen tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Nachmittag über eigene Erfahrungen in der Begleitung von Trauernden aus: Dabei wurde deutlich, dass die neue Situation aufgrund von Corona auch bei denen, die eigentlich begleiten und trösten wollen, für große Unsicherheit sorgte. Bei Beerdigungen seien Menschen wie erstarrt, aufgrund der Masken sei die Mimik der Trauernden nicht mehr zu erkennen. Zudem sei es nicht möglich, Menschen in den Arm zu nehmen. Weil eingeübte Rituale nicht mehr möglich sind, sei es umso wichtiger, neues auszuprobieren und dabei auch auf das spontane Bauchgefühl zu achten.

Zum Anfang der Seite springen