LIMBURG, 08.05.2021
Inklusionsgestalterin aus vollem Herzen
Seit Oktober 2020 ist Bianca Schultheiss Inklusionsgestalterin im Bistum Limburg. Was genau das bedeutet und wie auch Sie zur Inklusionsgestalterin oder zum Inklusionsgestalter werden können, erklärt Schultheiss im Interview.
Was sind Ihre Aufgaben als Inklusionsgestalterin?
Der Schwerpunkt der Projektstelle ist es, in den Pfarreien Ehrenamtliche und Hauptamtliche fit in Sachen Inklusion zu machen. Also zum einen das Bewusstsein für Inklusion zu schaffen, aber auch das Wissen über Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit zu vermitteln. Ziel ist es, dass in den Pfarreien Inklusionsgestalter gefunden und ausgebildet werden, die dann vor Ort an der Inklusion mitwirken, sodass die Pfarrei für alle Mitglieder zugänglich ist. Mit zugänglich ist nicht nur der Eingang, also Rampen und Aufzüge gemeint, sondern alles, was Barrierefreiheit und Inklusion ausmacht. Leichte Sprache, Höranlangen usw… Am wichtigsten ist es aber, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass Vielfalt etwas Gutes ist und dass wir alle davon profitieren können.
Welche Eigenschaften und Erfahrungen bringen Sie als Inklusionsgestalterin mit?
Inklusion ist für mich Beruf und Berufung zu gleich. Ich bin in den letzten Zügen des Studiums im Bachelor Heil- und Inklusionspädagogik und bringe so ein großes Fachwissen mit. Vor meinem Studium war ich Fachpflegekraft für Palliativmedizin und auch dort spielte Inklusion eine große Rolle. Berufung ist es durch mein persönliches Leben. Ich bin in Oberursel aufgewachsen, wo Menschen mit Beeinträchtigungen in der Mitte der Gesellschaft stehen und sie genauso wie jeder andere zum Stadtbild gehören, wo es völlig normal ist, dass zumindest im Kindergarten Vielfalt gelebt wird. Zusätzliche habe ich drei Pflegekinder, der Älteste ist zehn Jahre und hat eine schwere seelische Behinderung, also eine Beeinträchtigung, die man nicht sehen kann. Durch ihn ist mir noch stärker als zuvor bewusst geworden, wie wichtig es ist, dass alle Menschen das Recht auf Teilhabe haben. Und das nicht nur in Kita und Schule, sondern auch in der Pfarrei, in Vereinen und einfach überall. Hieraus hat sich mein Wunsch, an der Veränderung mitwirken zu wollen, verstärkt und massiv entwickelt.
Wie kann man denn überhaupt zur Inklusionsgestalterin oder zum Inklusionsgestalter werden?
Es gibt mehrere Wege, am einfachsten ist es, mich einfach direkt anzusprechen. Nach den Sommerferien werde ich auch Informationsveranstaltungen zum Thema Inklusion in Pfarreien und Bezirken anbieten. Hier geht es vor allem darum, Lust auf Inklusion zu machen und einen Einstieg in das Thema zu finden. Aus diesen Veranstaltungen heraus hoffe ich, viele Inklusionsgestalterinnen und Inklusionsgestalter gewinnen zu können. Die zukünftigen Inklusionsgestalter bekommen dann von mir alles an Handwerkszeug, was nötig ist, und werden durch mich begleitet und unterstützt. Zusätzlich wird es ein Netzwerk geben, bei dem sich alle Inklusionsgestalterinnen und -gestalter austauschen können und in dem Raum für alle Fragen und Ideen sein wird.
Wieso liegt Ihnen das Thema Inklusion am Herzen?
Wenn wir über Menschen mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen sprechen, konzentrieren wir uns häufig auf die Defizite, auf das, was nicht der Norm entspricht. Wir vergessen dabei am meisten, dass wir selbst alles andere als perfekt sind und übersehen die Stärken und Begabungen des einzelnen Menschen. Mein Herz schlägt dafür, dass wir alltägliche Fragen umdrehen, also nicht fragen, was kannst du nicht, was fällt dir schwer, was unterscheidet dich von anderen? Ich wünsche mir, dass wir fragen, was sind deine Begabungen, worin bist du gut und was zeichnet dich als Mensch aus? Viele Beeinträchtigungen bringen eine besondere Begabung mit sich. Diese Begabungen sollten im Mittelpunkt unseres Denkens stehen – und nicht der Rollstuhl, die Blindheit oder irgendetwas anderes.
Die Projektstelle „Inklusionsgestalter“ gibt es im Bistum Limburg seit Oktober 2020. Sie ist auf drei Jahre angelegt und wird durch Aktion Mensch mitfinanziert. Die Projektstelle beinhaltet die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention, das heißt die Weiterentwicklung von Inklusion und das Ermöglichen der Teilhabe von allen an allem.