WIESBADEN, 29.11.2021
Für den Beruf von Catania nach Wiesbaden
Salvatore Tirendi ist für seinen Traumberuf von Sizilien nach Deutschland gekommen. Der junge Mann aus Catania hätte nach seinem abgeschlossenen Theologiestudium in der Heimat als Religionslehrer arbeiten können. Sein Wunsch aber war es, Pastoralreferent zu werden, wie bereits sein in der Schweiz lebender Bruder. Da es dieses Berufsbild in Italien nicht gibt, entschlossen sich seine Frau und er, im Januar 2015 nach Deutschland zu ziehen. Sechs Jahre später ist sein Traum in greifbare Nähe gerückt: Zum 1. September hat der 38-jährige Theologe seine Ausbildung begonnen. Als Pastoralassistent ist er zu je 50 Prozent in der Katholischen Pfarrei St. Peter und Paul und in der Italienischen Katholischen Gemeinde tätig. Im Interview berichtet er von dem Weg dorthin.
Wie ist es Ihnen am Anfang in Deutschland ergangen?
Tirendi: Es war nicht so einfach, wie ich zuerst gedacht hatte: ein neues Land, eine neue Sprache, ein neues Leben. Die Kultur und die Mentalität sind hier anders. Und es war sehr kalt. Ich weiß noch, wie wir zum ersten Mal Schnee gesehen haben! Von der deutschen Sprache kannten wir nur ein paar Redewendungen, so was wie „Guten Tag“ und „Wie geht es Ihnen?“. Unsere Familien wohnten weit weg, ich habe die Heimat vermisst. Am Anfang hatte ich oft Angst und Zweifel, ob ich es schaffe. Aber meine Frau hat immer gesagt: „Salvatore: Du kannst es, mach Dir keine Sorgen.“ Und ich bin ein optimistischer Mensch und davon überzeugt, dass wir nicht alleine sind und dass uns geholfen wird. Am Ende ist Gott immer bei uns.
Wie haben Sie Ihren Unterhalt verdient?
Tirendi: Mein Onkel lebt hier in Deutschland. Er hatte mir den Tipp gegeben, rauszugehen und mit Leuten Kontakt zu haben, auch, um die Sprache zu lernen. Deswegen war ich in Koblenz, wo wir in den ersten Jahren gewohnt haben, zuerst in einem Pizzataxi unterwegs. Danach habe ich in der Produktionshalle einer großen Keksfabrik gearbeitet. Dort habe ich Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Religion kennengelernt. Das hat mir sehr viel gegeben. Es ist so gut, wenn wir untereinander Beziehungen knüpfen, egal, wo wir herkommen und was wir mitbringen. Auch in der Nachbarschaft haben meine Frau und ich Freunde gefunden, mit denen wir heute noch in Kontakt stehen. Außerdem haben wir intensiv Deutsch gelernt. Und lernen immer noch weiter.
Wie hat es Sie dann nach Wiesbaden verschlagen?
Tirendi: Die Italienische Katholische Gemeinde hier vor Ort suchte einen pastoralen Mitarbeiter. Auf diese Anzeige bin ich aufmerksam geworden. Ich habe mich beworben und bin genommen worden, das ist jetzt schon über zwei Jahre her. Der Pfarrer, Don Giuseppe Cagnazzo, hat mich sehr unterstützt und gefördert, so wie viele weitere Menschen, die ich getroffen habe. Heiko Dörr - Ausbildungsreferent für Pastoralreferenten im Bistum Limburg - und Heribert Schmitt - Referent für Gemeinden Katholiken anderer Muttersprache - haben mir empfohlen, mich für die Ausbildung zum Pastoralreferenten zu bewerben. Ich habe noch mal ein Jahr gewartet, um in Deutsch noch besser zu werden. Dass ich jetzt die Ausbildung anfangen konnte, gibt mir so viel Kraft und Mut. Und es sagt mir: Meine Entscheidung war richtig.
Warum wollen Sie Pastoralreferent werden?
Tirendi: Ich möchte meine Berufung leben. Mich für den Dienst Gottes in der Kirche zur Verfügung stellen. Wo die Leute arbeiten, leben, leiden, möchte ich wie ein Freund sein, mit dem man ins Gespräch kommen oder den man um Rat fragen kann. Mit Freude Jesu Botschaft verkündigen und Menschen auch in schwierigen Momenten und Situationen ermutigen. Wir warten als Kirche noch viel zu sehr, bis die Menschen zu uns kommen. Das ist die große Schwierigkeit, die ich in den Gemeinden spüre. Ich wünsche mir eine Kirche, die offener ist, mit mehr Barmherzigkeit. Ich bin Optimist und denke, dass sich die Kirche in diese Richtung entwickeln wird. Eine „Mutterkirche“, die auf die Menschen zugeht. Dazu will ich beitragen.
Welche Unterschiede erleben Sie in den beiden Gemeinden, in denen Sie tätig sind?
Tirendi: Einen Unterschied merke ich vor allem bei der Kontaktaufnahme. Wir Italiener haben ein anderes Temperament, wir kommen sofort in Beziehung, duzen uns schnell. Das ist in der deutschen Gemeinde etwas anders, man nähert sich langsam an, Schritt für Schritt, es gibt etwas mehr Abstand, das respektiere ich natürlich. Aber ich freue mich auch sehr, wenn mir jemand das Du anbietet. Die Arbeit macht mir in beiden Gemeinden sehr viel Spaß, in der Italienischen aber fühle ich mich so, als wenn ich Zuhause wäre. Hier werde ich auch mit meiner Frau und unserer im März geborenen Tochter Weihnachten feiern. Wir alle hoffen sehr, dass wir uns wie üblich nach der Christmette um Mitternacht treffen können, um Glückwünsche zum Fest auszutauschen und Glühwein zu trinken. Den kannte ich übrigens aus Italien auch nicht!